Helge LindhSPD - Bekämpfung des politischen Islams
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich höre von der AfD, ich hätte Springerstiefel an. Lieber Springerstiefel am Fuß als im Kopf wie bei Ihnen, finde ich. – Kommen wir zum Thema. Gestern hatte Salman Rushdie einen bemerkenswerten Auftritt im Deutschen Theater, der Mann, gegen den Chomeini bekanntlich ein Todesurteil ausgesprochen hatte und der 2022 beinahe von jemandem ermordet wurde, der dieses Urteil aus islamistischen Gründen vollstrecken wollte. Dieser Mann ist an seinem ganzen Körper zutiefst gezeichnet. Aber er widerspricht dieser Unmenschlichkeit mit Humor und zutiefst menschlich.
Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständlich berechtigt, dass wir heute über die sehr akuten Gefahren des Islamismus und der Radikalisierung sprechen. Und selbstverständlich ist es auch berechtigt, aktuelle Tendenzen der Radikalisierung wahrzunehmen, zum Beispiel Versuche einzelner Personen, mit charismatischen Tricks Jugendliche zu gewinnen. All das zu benennen, ist absolut legitim. Aber Ihre Analyse und die Schlussfolgerung, die die Union daraus zieht, reißen diesen berechtigten Ansatz weitestgehend wieder ein. Herr Throm, Sie haben den Beweis geliefert. Sie haben gesagt, besonders sei Ihr Antrag auch „an die vielen bestens integrierten, liberalen und säkularen Muslime“ gerichtet. Jetzt frage ich mich: Was hat denn Muslimischsein mit Integration zu tun? Als ob Islam automatisch Einwanderung und Integrationsbedarf bedeuten würde. Fragen Sie mal die Musliminnen und Muslime in Ihren eigenen Reihen, ob sie das so geistvoll finden!
Definieren wir, dass Muslime säkular und liberal sein müssen? Was ist denn mit konservativen Muslimen, die ganz normal in diesem Land leben? Würden Sie auch bei Christen sagen, dass diejenigen, die säkular und liberal sind, auf dem Boden dieses Grundgesetzes stehen, aber nicht die konservativen Christen? Ich glaube, Sie würden das nicht tun. Und das ist Ihr Problem. Das kriecht aus jeder Pore Ihres Antrags, diese doppelten Standards, die Sie dort anwenden.
So ist es auch, wenn Sie fast schon verschwörungstheoretisch behaupten, kritische Stimmen würden von der Innenministerin ausgegrenzt und sie würde das Thema Muslimfeindlichkeit hochziehen. Ich erinnere Sie an Ihren eigenen Innenminister. Den Unabhängigen Expertenkreis hat nicht Nancy Faeser eingesetzt, sondern mit starkem Druck und Entschiedenheit war das Horst Seehofer,
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Und wer hat ihn abgeschafft?)
nicht verdächtig, Mitglied der SPD zu sein. Er hat ihn eingesetzt und besetzt. Also, hören Sie auf mit solchen verschwörungstheoretischen Vorstellungen!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie machen einen Fehler. Wenn es Ihnen wirklich darum ginge, diese Entwicklung zu bekämpfen, dann würden Sie selbstverständlich auch über das dramatische Problem der Muslimfeindlichkeit, des antimuslimischen Rassismus sprechen, und zwar weil man Islamismus nicht konsequent bekämpfen kann, wenn man nicht auch dieser Muslimfeindlichkeit entgegenwirkt.
Warum ist das so? Weil es a) den Alltag von vielen Muslimen betrifft und weil b) die Radikalisierer genau das nutzen und vermitteln: Ihr werdet diskriminiert. Die Muslimfeindlichkeit wird nicht anerkannt, aber wir schenken euch eine Stimme. Wir sind für euch da. – So machen sich doch letztlich radikale Islamfeinde und diejenigen, die solche radikalen islamistischen Ideen verbreiten, zu Komplizen, und wir haben eine Radikalisierungsspirale.
Eine Antwort aber, wie man es machen könnte, hat Salman Rushdie gegeben, indem er gestern gesagt hat, dass wir eben keine wandelnden Kategorien seien. Wir erschöpfen uns nicht darin, jüdisch zu sein oder muslimisch oder christlich oder einen Migrationshintergrund zu haben. Migrationshintergrund und muslimisch – ich wiederhole es noch mal; Beginn Ihres Antrages – sind nicht deckungsgleich.
Wenn Sie dann auch noch im zweiten Satz schreiben, dass kulturelle Vielfalt eine Bereicherung, ein Gewinn sein könne, wenn sie friedlich und auf dem Boden der Rechtsordnung erfolge, dann offenbaren Sie doch die Scheinheiligkeit, die Bigotterie und die doppelten Standards Ihres Antrags.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn Sie vermitteln nichts anderes als das: Kulturelle Vielfalt ist erst mal verdächtig.
Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Grundverdacht gegen Muslime: Sie stehen nicht auf dem Boden der Grundordnung, sie sind ein Sicherheitsproblem, und sie sind nicht friedlich. So verlieren Sie Menschen.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
So treten Sie ganz vielen Musliminnen und Muslimen in diesem Land in den Hintern, und das machen wir nicht mit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611403 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung des politischen Islams |