Oliver KaczmarekSPD - Berufsbildungsbericht 2024
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist richtigerweise schon darauf hingewiesen worden, dass der Berufsbildungsbericht im Vergleich zum vergangenen Jahr viele positive Trends aufweist. Aber die Wahrheit ist – und dem müssen wir uns auch stellen –: Wenn wir mit dem Blick von mehreren Jahren darauf schauen, müssen wir feststellen: Der Ausbildungsmarkt hat noch nicht wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Wir haben insbesondere weniger Ausbildungsstellen, und deshalb ist es für uns notwendig, an der Stelle auch dranzubleiben.
Das klingt paradox: auf der einen Seite unbesetzte Stellen, auf der anderen Seite die Forderung, mehr Ausbildungsplätze bereitzustellen. Aber wenn wir uns vor Augen halten, was sich in den nächsten Jahren für ein Fachkräftebedarf entwickelt, was allein schon durch die Verrentung der Babyboomer ausgelöst wird, dann wird deutlich: Wir brauchen alle Anstrengungen, insbesondere der Betriebe, aber auch der Gesellschaft, für mehr Ausbildungsplätze, und zwar in allen Regionen, und für die frühzeitige Besetzung der vorhandenen Stellen. Das ist nicht nur eine Aufgabe für ein Jahr, sondern sicherlich für ein Jahrzehnt, das vor uns liegt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist so wie immer: Der Ausbildungsmarkt weist teilweise tiefgreifende regionale Unterschiede auf. Wir müssen ihn auch regional betrachten. Das ist bei mir zu Hause im Ruhrgebiet anders als in der Lüneburger Heide oder noch woanders. Wir haben derzeit überall unbesetzte Stellen. Aber wir haben – wenn wir uns den langfristigen Trend anschauen, sehen wir das – auch Regionen, in denen wir eher von einer Unterversorgung ausgehen müssen. Deswegen ist es nicht nur wichtig, dass wir den Ausbildungsmarkt regional betrachten, sondern auch, dass wir ein regional abgestimmtes Instrumentarium bereitstellen. Unsere Antwort darauf ist tatsächlich die Ausbildungsgarantie.
Einige Wortbeiträge hier haben deutlich gemacht, dass man noch mal erklären muss, was das ist. Die Ausbildungsgarantie hat zum Ziel, den gelungenen Übergang von der Schule in den Beruf herzustellen, und zwar für die Betroffenen so schnell wie möglich: berufliche Orientierung vor, während und nach der Ausbildung, Hilfen bei der Aufnahme einer Ausbildung, Mobilitätszuschuss. Einiges ist hier schon genannt worden.
Die Ausbildungsgarantie ist die Antwort auf regional unterschiedliche Bedarfe. Sie bietet ein Instrumentarium für den besseren Übergang von der Schule in den Beruf in der Region. Deswegen ist mein Appell und der Appell meiner Fraktion an die Sozialpartner in den Regionen, noch einmal genau hinzuschauen und sich dabei nicht nur auf das jetzige Ausbildungsjahr zu beziehen, sondern auch auf die Jahre davor und auf die, die kommen. Es geht darum, das Instrument der Ausbildungsgarantie jetzt zu nutzen. Die Ausbildungsgarantie hilft, besser zu vermitteln zwischen dem Angebot und der Nachfrage. Sie ist notwendig gewesen, und es ist gut, dass wir sie haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte einen Blick werfen auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die oft nicht so im Fokus stehen. Wir beziehen uns oft auf die Ausbildung im Handwerk und in der Industrie; das ist richtig, das ist notwendig, und das müssen wir auch machen. Ich will mich einmal auf die Sozial- und Gesundheitsberufe beziehen; denn sie haben eine Schlüsselfunktion, nicht nur für den sozialen Zusammenhalt, sondern auch für den Wohlstand in unserem Land.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Alleinerziehende sollen Arbeit aufnehmen; wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sichern. Wie soll es gelingen, dass sich Menschen entscheiden, mehr Vollzeitarbeit oder mehr Teilzeitarbeit zu leisten, also höhere Stundenzahlen arbeiten zu gehen, wenn wir nicht gleichzeitig Kinderbetreuung und Pflege professionell unterstützen? Die Sozial- und Gesundheitsberufe sind zentral für den sozialen Zusammenhalt und für den Wohlstand in unserem Land.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Deswegen müssen wir genau hinsehen. Es ist alarmierend, dass die Kapazitäten der Pflegeschulen im Moment zu 72 Prozent ausgelastet sind; auch das ist regional sehr unterschiedlich. Das macht aber deutlich, dass wir zweierlei brauchen:
Wir brauchen zum einen eine gute und gezielte Vorbereitung, auch auf die Pflegeberufe und die Sozial- und Bildungsberufe, Stichwort „Berufsvorbereitung“ oder „Demonstrationszentren“. Ich glaube, da können wir noch eine ganze Menge machen, um mehr Menschen für diese tollen Berufe zu gewinnen.
Zum Zweiten brauchen wir attraktive Arbeitsbedingungen, weil junge Menschen sich gezielt überlegen: Wo habe ich eine langfristige Perspektive? Auch da haben wir etwas geschafft, beispielsweise mit dem Pflegestudiumstärkungsgesetz oder mit der Tariftreueregelung in der Altenpflege, die bewirkt hat, dass die Löhne in der Altenpflege steigen. Auch das ist ein Beitrag, Menschen dafür zu gewinnen, diese tollen Berufe zu ergreifen. Ich glaube, das ist richtig. Tariftreue an der Stelle wirkt, und wir freuen uns darauf, dass demnächst auch das Tariftreuegesetz hier beraten wird.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die nächste Rednerin ist Nicole Gohlke für die Gruppe Die Linke.
(Beifall bei der Linken)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611412 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Berufsbildungsbericht 2024 |