17.05.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 170 / Tagesordnungspunkt 28

Jens SpahnCDU/CSU - Kommission zu Wirtschaftsbeziehungen mit China

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatssekretärin, wenn es denn so wäre mit Ihrer China-Strategie! Wir müssen nach einem Jahr eigentlich sagen: Ihre China-Strategie ist das Papier nicht mehr wert, auf dem sie geschrieben wurde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Warum? Wissen Sie, Ihre China-Strategie sieht eine bessere Abstimmung mit der EU vor, mit der Europäischen Union. Aber was passiert? Der Kanzler fährt nach China, und das Erste, was er macht, noch bevor er in Peking angekommen ist: Er stellt die Maßnahmen der EU, was die Antidumpingüberprüfung bei den E-Autos angeht, infrage.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Er ist noch nicht mal angekommen in Peking und untergräbt die Autorität der EU-Kommission.

Präsident Macron lädt den deutschen Bundeskanzler ein, um in Paris gemeinsam mit Präsident Xi und der Kommissionspräsidentin zu reden. Europa hätte gemeinsam stark auftreten können. Was macht der Kanzler? Er sagt ab, brüskiert Frankreich, schadet der EU. So wird das nichts mit einer abgestimmten Strategie innerhalb der Europäischen Union.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Sebastian Roloff [SPD])

Eine China-Strategie zu haben, hieße auch, einheitlich und kohärent zu handeln. Aber in Wahrheit, Frau Staatssekretärin, haben Sie doch drei verschiedene Strategien: Der Kanzler macht sein Ding, von COSCO bis hin zur Schwächung der EU, gerade angesprochen. Er führt – ja, das ist auch richtig – ausdrücklich die Gespräche in Peking. Die FDP-Minister fahren nach Taiwan, ohne Absprache mit irgendjemandem.

(Gyde Jensen [FDP]: Stimmt ja nicht!)

Der grüne Wirtschaftsminister war noch nie in China. Die grüne Außenministerin nennt den chinesischen Präsidenten einen „Diktator“.

(Zuruf der Abg. Gyde Jensen [FDP])

Unabhängig davon, welche Position man von den dreien jetzt richtig findet: Eine kohärente, einheitliche, gemeinsame Linie ist das nicht. Sie handeln nach dem Motto „Jeder in der Ampel macht seins“, und damit ist diese Strategie das Papier nicht wert, auf dem sie steht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Maik Außendorf [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und sowieso – auch das soll mal gesagt sein –: Die Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland hat den chinesischen Präsidenten einen „Diktator“ genannt. Ich frage mal: Wem hat das eigentlich geholfen? Hat das für irgendjemanden in China die Lage verbessert? Hat es irgendjemandem auf dieser Welt geholfen? Oder hat es nicht, andersherum, die Position der Bundesregierung, die Position Deutschlands geschwächt?

Ich habe, wie andere auch, in den Gesprächen in Peking gemerkt: Unsere Außenministerin wird dort aktuell nicht mehr ernst genommen.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das stimmt!)

Wenn wir wirklich was für Menschenrechte beim Thema Zwangsarbeit erreichen wollen, dann müssen wir doch Gesprächskanäle haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und deswegen muss es aufhören, dass Außenpolitik viel zu oft eigentlich als Innenpolitik gemacht wird. Es wird die eigene Blase hier bedient, und es werden nicht außenpolitische Interessen vertreten. Das schadet am Ende dem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine China-Strategie beginnt zudem zuerst daheim. Was ist denn Deutschlands Hebel in der Welt? Unsere wirtschaftliche Stärke. Warum wollen China, Indien und andere mit uns auf Augenhöhe reden, ja, auch verhandeln? Weil wir Exportnation sind, weil wir eine der größten Volkswirtschaften der Welt sind,

(Zuruf von der AfD: Waren!)

weil wir ein innovatives Industrieland sind – noch.

Denn nie waren die Bedingungen so schlecht. Wir sind das einzige Industrieland, das schrumpft. Investitionen wandern ab; der Standort wird immer unattraktiver. Wer soll eine Bundesregierung des Abschwungs im Ausland eigentlich ernst nehmen?

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Otto Fricke?

Ich mache den Gedanken zu Ende; dann kann der Kollege Fricke fragen. – Souveränität entsteht nicht aus Abgrenzung und Abkopplung; Souveränität entsteht zuerst aus eigener Stärke. Und deswegen: Tun Sie zuerst mal etwas für Wachstum daheim! Dann klappt es auch mit der China-Strategie.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gut, ich lasse die Zwischenfrage jetzt noch zu. Bitte schön.

Danke, Frau Präsidentin. Danke, Herr Spahn, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben gerade kritisiert, dass die Außenministerin Herrn Xi als „Diktator“ bezeichnet hat. Dann würde ich, weil ich mich als Haushaltspolitiker in solchen Dingen nicht so ganz auskenne, Sie fragen, ob nach Ihrer Meinung Herr Xi ein Diktator ist oder nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Fricke, soweit wir uns kennen, weiß ich: Eigentlich Sie sind ja durchaus auch mit außenpolitischen Fragen und bilateralen Kontakten vertraut. Die Frage ist eine andere, und die habe ich ja gerade auch – –

(Lachen bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Otto Fricke [FDP]: Nee, nee, nee! Nein, nein! Sie haben das kritisiert! Dann haben Sie Ihre Meinung! – Reinhard Houben [FDP]: Nein, die Frage ist eindeutig! – Mike Moncsek [AfD]: Er hat das gar nicht verstanden!)

– Herr Kollege Fricke, mit der Freiheit müssen Sie umgehen: Sie können Ihre Fragen stellen; ich kann meine Antworten geben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit müssen Sie schon klarkommen.

(Reinhard Houben [FDP]: Sie sagen mir jetzt, was für Werte wir haben! – Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch eine klare Antwort, Herr Spahn! Mehr müssen wir doch gar nicht wissen!)

Die Frage ist eine andere: Hat die Aussage der Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland – das ist nicht irgendjemand, nicht irgendeine Abgeordnete, nicht irgendein Bürger,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Kristian Klinck [SPD]: Völlig entlarvend, Ihre Antwort! – Sebastian Roloff [SPD]: Ja oder nein? Ja oder nein?)

sondern die Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland – für irgendjemanden in China irgendetwas verbessert? Oder hat es nicht unsere Chancen, mit einem solchen Hebel irgendwas zu erreichen für die Menschen, verschlechtert?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer wirklich etwas erreichen will für Menschenrechte, wer wirklich etwas erreichen will gegen Zwangsarbeit, der äußert sich als Außenministerin öffentlich nicht so, sondern der kümmert sich in Gesprächen in Peking.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aktuell wird die Ministerin doch gar nicht mehr in Peking empfangen. Das ist das eigentliche Problem, und das schadet der Bundesrepublik Deutschland.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: So, noch eine Frage! – Dr. Kristian Klinck [SPD]: Unfassbar!)

– Dass Sie Russlandfreunde hier noch rumschreien. – Ah, nein, die SPD war das. Das verwischt da hinten etwas zwischen Linkspartei und SPD. Deswegen habe ich jetzt den Falschen adressiert. Ich dachte, es wäre die Linkspartei gewesen. Das ziehe ich zurück.

(Takis Mehmet Ali [SPD]: BSW!)

– Na ja, ihr sitzt da ja alle munter miteinander.

(Zurufe von der SPD)

China und Deutschland haben in den letzten 30 Jahren wirtschaftlicher Beziehungen stark voneinander profitiert. Wenn diese wirtschaftlichen Beziehungen reziprok sind, fair sind, auf einem Level Playing Field, dann ist das okay, dann kann man sie auch ausbauen. Aber China ändert sich massiv, wird autokratischer, protektionistischer, auch imperialer, und das Ziel der Reziprozität rückt in weite Ferne. Deswegen, ja, müssen wir stärker differenzieren, auch in der Frage: Wo sind wir eigentlich wie abhängig? Es gibt Fragen, bei denen es um unsere Souveränität bei Halbleitern, Biotechnologie, Militärtechnologie geht. Da müssen wir die Dinge auch selbst können, und da ist es richtig, auch mit Unterstützung – mit Milliarden, mit Rahmensetzung – Souveränität herzustellen.

Es gibt Bereiche, in denen wir im Wettbewerb sind: Automotive, Maschinenbau, aktuell Elektroautos. Da geht es um ein Level Playing Field, um Reziprozität, und da muss klar sein: Was deutschen Unternehmen in China nicht erlaubt ist, darf chinesischen Unternehmen in Deutschland und Europa nicht erlaubt sein. Da müssen wir klar handeln. Das ist die einzige Sprache, die Peking versteht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und – auch das sei gesagt –: Es gibt Massenprodukte, bei denen sich die Frage der Souveränität nicht stellt: Spielzeug, Bekleidung und nach meiner Einschätzung übrigens auch im Bereich der Solarpaneele. Man könnte etwas überspitzt sagen: Wenn China bei einem Massenprodukt wie Solar mit Milliarden den Ausbau hier in Europa fördert, dann muss das ja nicht nur zu unserem Schaden sein.

(Lachen des Abg. Mike Moncsek [AfD])

Insofern würde ich sagen: Lasst uns mal anfangen, da zu differenzieren!

(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Nein, es sind alle immer in den Reflexen; alles ist sofort eine Souveränitätsfrage. Das, glaube ich, ist nicht klug.

Ich glaube, wir müssen in dieser Debatte stärker und besser differenzieren. Von daher unser Vorschlag: Wir brauchen mehr China-Kompetenz. – Das sagen alle.

(Markus Töns [SPD]: Für mich widerspricht sich das nicht!)

Wir brauchen mehr China-Kompetenz hier im Deutschen Bundestag.

(Zuruf des Abg. Steffen Janich [AfD])

Unser Vorschlag ist: institutionalisiert, eine Kommission aus Experten, aus Abgeordneten, die einmal jährlich tief reingeht und prüft: Wo sind Abhängigkeiten? Wo sind diese problematisch? Welche Maßnahmen können wir ergreifen, um sie zu adressieren? Nur wenn wir tiefer einsteigen und uns schlauer machen, können wir den entscheidenden Unterschied machen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kommen Sie bitte zum Schluss?

Ja, aber ein Letztes noch: Wissen Sie, Sie selbsternannte Patrioten: spionieren für China und hier rumkrakeelen. Am Ende sind Sie vaterlandslose Gesellen. Deswegen sollten Sie in dieser Debatte ruhig sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Widerspruch bei der AfD)

Nächster Redner ist Esra Limbacher für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7611421
Wahlperiode 20
Sitzung 170
Tagesordnungspunkt Kommission zu Wirtschaftsbeziehungen mit China
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