Gitta ConnemannCDU/CSU - Berufsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „ Jan mok dat“: So heißt das bei uns auf Platt. „ Jan, der alles kann“: Hausmeister, Kalfaktor, Mädchen für alles. Jeder von uns kennt so einen Jan: oft ein Praktiker, der von der Pike auf alles gelernt hat, oder aber ein Quereinsteiger ohne Abschluss, aber nicht ohne Qualifikation. Allerdings ist das bei uns in Deutschland so eine Sache, wenn Können nicht zertifiziert ist. Denn bei uns reicht es nicht, einfach ein Praxis- oder ein IT-Talent zu sein. Dieses Talent muss belegt werden.
Unser Bildungssystem ist heute immer noch darauf ausgelegt, Qualifikationen zu beweisen. Zu oft werden Fähigkeiten, die außerhalb des formalen Bildungssystems erworben werden, nicht ausreichend gewürdigt. Menschen ohne Abschluss haben es dann auch auf unserem Arbeitsmarkt schwerer. Ihnen fehlt ein anerkannter Nachweis über das, was sie können. Gerade im Fall von Arbeitslosigkeit wird das dann zum handfesten Problem; denn sie werden leicht übersehen oder auch unterschätzt. So verlieren wir Talente wie Jan, die sich zum Beispiel das Programmieren oder die Holzbearbeitung selbst beigebracht haben, anstatt eine Ausbildung oder ein Studium vorweisen zu können – und das beim eklatanten Fachkräftemangel.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Natürlich brauchen wir Fachwissen. Aber wir müssen erkennen, dass Erfahrungen und Kompetenzen auch in der Praxis erworben werden können, dass diese Kompetenzen allerdings sichtbar gemacht werden müssen. Ich bin sehr froh, dass hier in diesem Haus darüber eine große Einigkeit besteht. Das ist in den Redebeiträgen deutlich geworden.
Dafür gibt es übrigens mit der Validierung ein innovatives Instrument, erprobt im Praxisversuch. Mein Kollege Stephan Albani hat bereits ValiKom dargestellt – übrigens seinerzeit gefördert von der damaligen Bundesforschungsministerin Johanna Wanka. Es wurde ein Verfahren entwickelt und erprobt, mit dem berufsrelevante Kompetenzen bewertet und zertifiziert, also validiert werden können. Diese Sichtbarmachung, diese Validierung jetzt in Gesetzesform zu gießen, ist genau der richtige Schritt; denn so bekommt eine gelebte Praxis den rechtlichen Rahmen, den sie dem Grunde nach braucht.
Aber gut gemeint ist im Regelfall nicht immer gut gemacht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir brauchen tatsächlich – und ich bin der Kollegin Rosenthal sehr dankbar, dass sie die Altersgrenze angesprochen hat – eine Altersgrenze, die bei 25 Jahren liegt. Bislang ist diese im Gesetzentwurf nicht vorgesehen. Sie hat sich aber im Praxisprojekt bewährt. Sie sorgt für Akzeptanz – übrigens auch bei Betrieben und bei Prüfenden – und sie schützt die duale Ausbildung. Denn eines darf nicht passieren: Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Validierung eine Abkürzung vorbei an der dualen Berufsausbildung ist. Damit würden wir die duale Berufsausbildung als das Erfolgsmodell Deutschlands entwerten, und das kann in keinem Fall richtig sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Zweite ist: Die ampeltypische Bürokratie treibt auch hier wieder Blüten. Das Gesetz soll bis 2025 in Kraft treten. Bis dahin sollen Kammern und Verbände für bis zu 300 Berufe die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. Das ist utopisch. Deshalb ist es erforderlich, das Verfahren spät und abgestuft in einem geordneten Prozess auszulösen,
(Zuruf der Abg. Dr. Anja Reinalter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
übrigens mit den entsprechenden Verbänden und Kammern und auch den Sozialpartnern. Mit diesen sollte man dann auch besprechen, dass die Verpflichtung, die jetzt in dieses Gesetz reingemogelt worden ist, die Berufsschulnote auf einem Kammerzeugnis auszuweisen, wirklich nichts für Qualität tut,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
sondern nur für mehr Aufwand und Verzögerung sorgt.
Vor diesem Hintergrund wäre es aber erforderlich, liebe Frau Bundesministerin, mit den entsprechenden Verbänden zu sprechen. Ein Hinweis an dieser Stelle sei mir gestattet: Wenn man Verbänden in einem Verfahren ohne Eilbedürfnis genau acht Arbeitstage gibt, in einem ganz komplexem Verfahren Stellung zu beziehen, dann bekommen diese Verbände nicht den Eindruck, dass sie wirklich gewünscht sind. Wenn man in einem Gesetz, das für Praktiker gedacht ist, über Praktiker spricht, dann sollte man Praktikern jedenfalls die formale Möglichkeit geben, sich zu Wort zu melden.
Deswegen würde ich uns empfehlen – dies an die Kolleginnen und Kollegen der Ampel –, dass wir das im Gesetzgebungsverfahren gemeinsam besser machen und dann eben auch die Praktiker so einbeziehen, wie es ihnen gebührt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Friedhelm Boginski hat das Wort für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611438 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Berufsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz |