Siemtje Möller - Bundeswehreinsatz EUFOR ALTHEA
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im kommenden Jahr wird es 30 Jahre her sein, dass der grausame Krieg in Bosnien und Herzegowina mit über 100 000 Todesopfern durch das Friedensabkommen von Dayton beendet wurde. Seit 1995 ist es zu keinen Kampfhandlungen mehr gekommen. Dieser Erfolg begründet sich auch in der militärischen Präsenz der internationalen Gemeinschaft. Seit 2004 wird dies, legitimiert vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, durch die European Union Force Althea geleistet. Der Auftrag: zu einem stabilen und sicheren Umfeld in Bosnien und Herzegowina beizutragen. Und das mit Erfolg: Seit der letzten Befassung des Deutschen Bundestages im Juni des vergangenen Jahres hat der Europäische Rat sogar Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina eröffnet.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, 30 Jahre ohne Krieg, 20 Jahre europäisches militärisches Engagement und jetzt sogar EU-Beitrittsverhandlungen – und dennoch gibt es weiterhin Spannungen, Konflikte und unverheilte Wunden. Bosnien und Herzegowina bittet um unsere Hilfe, weil der junge demokratische Staat noch fragil ist. Die zum Teil schmerzhafte und von Leid geprägte Geschichte des Landes, in dem sich einst Nachbarn bekämpften und getötet haben, begründet das tiefe Misstrauen, nicht nur unter den verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Religionen, sondern auch gegenüber staatlichen Institutionen.
Geht man mit offenen Augen durch die Hauptstadt Sarajevo, so kann man die Herausforderungen in Bosnien und Herzegowina geradezu greifen: Kaputte, von Einschlaglöchern durchsiebte Häuserfassaden stehen für die tiefen Wunden der Menschen, die sich hier einst vor Scharfschützen versteckten oder deren Angehörige bei der Belagerung getötet wurden. Und so wie die Ruinen in Sarajevo noch nicht alle wiederaufgebaut wurden und die Einschlaglöcher noch nicht alle verputzt sind, so sind die Wunden der Bevölkerung auch noch nicht verheilt. Und trotzdem – geradezu bewundernswert – leben die Menschen in Sarajevo und in Bosnien und Herzegowina insgesamt Seite an Seite. Gezeichnet vom Krieg, aber mit dem unbedingten Willen nach Frieden, schaffen es in Sarajevo Menschen verschiedenster Bevölkerungsgruppen und Religionen, die sich vor 25 Jahren noch bitterlich und bis aufs Äußerste bekämpften, nun eng nebeneinander zu leben. Das ist Sinnbild für die junge und noch fragile Demokratie, die in Bosnien und Herzegowina aufgebaut wurde, eine Demokratie, in der alle Ethnien, Religionen und Regionen institutionell vertreten sind und in dieser sorgsameren Austariertheit das Land gemeinsam führen.
Aber die gesamtstaatlichen Strukturen sind wenig etabliert, und das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber staatlichen Institutionen ist weit verbreitet. Genau hier setzt EUFOR Althea an. Es bildet eine Art – wenn man das so ausdrücken mag – supranationale und damit mittelbar auch staatliche Präsenz. Die Liaison and Observation Teams sind in diesem Sinne konzipiert, um als neutraler Akteur eine Verbindung zur Bevölkerung aufzunehmen und Vertrauen in einen Sicherheitsapparat zu schaffen. Und die Mission ist ein Erfolg. EUFOR Althea wird von der Bevölkerung als neutraler Gesprächspartner und Garant für Frieden und Sicherheit wahrgenommen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir legen Ihnen heute ein in Grundzügen unverändertes Mandat vor. Die personelle Obergrenze bleibt gleich. Bis zu 50 Soldatinnen und Soldaten können von deutscher Seite aus entsendet werden. Aber hinzu kommt nun das Recht zur Anwendung militärischer Gewalt zur Durchsetzung des Auftrages. Wir gleichen damit den Handlungsrahmen der deutschen Soldatinnen und Soldaten lediglich an die Befugnisse der Gesamtoperation und der aller anderen truppenstellenden Nationen an.
Ich danke den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die vor Ort diesen Auftrag professionell umsetzen und somit für Stabilität in Bosnien und Herzegowina sorgen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich danke auch den Familien, die während dieses Auftrages von ihren Angehörigen getrennt sind, sie aber unterstützen und diese große Entbehrung gleichsam mittragen.
Das Ziel unseres Engagements, die Stabilität Bosnien und Herzegowinas, liegt dabei auch in unserem eigenen Interesse. Frieden, Stabilität und Sicherheit in Bosnien und Herzegowina haben Auswirkung auf den gesamten Westbalkan. Dabei ist die Stabilität im Westbalkan von enormer Bedeutung für unsere deutsche und auch für die europäische Sicherheit. Der Westbalkan ist unsere direkte Nachbarschaft. Den Frieden in dieser Region zu erhalten, ist somit in unserem ureigensten Interesse.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Volker Mayer-Lay [CDU/CSU])
Dabei schwächen in Bosnien und Herzegowina sezessionistische Politik und Rhetorik das empfindliche gesamtstaatliche und gesellschaftliche Konstrukt, rütteln an der Stabilität der politischen Institutionen und machen das Land anfällig für die Einflussnahme Dritter. Insbesondere in der Republika Srpska sind die Verbindungen nach Russland stark und bilden das Einfallstor für russische Einflussnahme mit destabilisierender Wirkung in der gesamten Region. Wir müssen das friedliche Miteinander in Europa stärken und schützen, uns entschlossen gegen antidemokratische Einflüsse und Konflikte auf unserem Kontinent stellen. Bosnien und Herzegowina ist Teil unserer europäischen Familie und auf dem besten Weg in die EU. Lassen Sie uns es auf diesem Weg begleiten und weiterhin unterstützen!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, unabhängig von den Überlegungen zu unserer eigenen Sicherheit geht es in diesem Konflikt, in dieser Region um eine Bevölkerung mit einer krisengeschüttelten, schmerzhaften und auch blutigen Geschichte, eine Bevölkerung mit reicher, diverser Kultur und Tradition, die jedoch viel Leid erlebt hat. Stabilität und Frieden haben auch einen individuellen menschlichen Wert. Und angesichts des unfassbaren Leids, das der Bürgerkrieg über das Land brachte, hat es jeder und jede in Bosnien und Herzegowina umso mehr verdient, in Frieden und Freiheit zu leben. Hierfür bitte ich um Ihre Zustimmung. Ich freue mich auf die Beratung in den Ausschüssen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Peter Beyer das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611675 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 171 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz EUFOR ALTHEA |