Dietmar NietanSPD - Bundeswehreinsatz EUFOR ALTHEA
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Heimatstadt Düren hat eine Städtepartnerschaft mit der bosniakischen Stadt Gradačac. Wir haben diese Städtepartnerschaft, weil sehr, sehr viele bosniakische Flüchtlinge während des schrecklichen Bürgerkriegs vor den serbischen und kroatischen Nationalisten flüchten mussten, damit ihnen nicht das Leid geschah, das so vielen anderen damals angetan wurde.
Aus der Solidarität, diese Flüchtlinge aufzunehmen, ist eine Städtepartnerschaft geworden. Fast alle der Flüchtlinge sind wieder in Gradačac. Warum? Weil es uns damals mithilfe der Europäischen Union gelungen ist, ihnen Sicherheit und eine Perspektive zu geben.
Genau darum geht es jetzt auch bei der Mission EUFOR Althea, die sicherlich nur ein kleiner Baustein ist, aber signalisiert: Wir wollen uns in der Region stärker für die Kräfte engagieren, die es in allen Ländern dort gibt, die dort Frieden und Demokratie und keinen Nationalismus haben wollen und die insbesondere für die gut ausgebildete junge Bevölkerung dort endlich eine Lebensperspektive sehen wollen, damit die Abwanderung aufhört. Ich finde, es ist unsere Verantwortung, diese Kräfte zu unterstützen, und dazu leistet diese Mission einen wichtigen Beitrag, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Konrad Stockmeier [FDP])
Michael Martens hat am 25. Mai in der „FAZ“ geschrieben: Wer sich die Geschichte des Westbalkans und der EU ansieht, muss feststellen, dass man es auf einen einfachen Nenner bringen kann: keine Beitrittsperspektive, keine Reformen. – Wenn das so ist, müssen wir hart daran arbeiten, dass es eine Beitrittsperspektive für die Staaten dort gibt, auch für Bosnien und Herzegowina.
Dass es keine Shortcuts gibt und der Acquis selbstverständlich für alle gilt, ist keine Frage. Aber wir müssen uns stärker engagieren; denn – das ist hier schon von einigen Vorrednerinnen und Vorrednern gesagt worden – wir stellen fest, dass dieselben politischen Kräfte, die durch ihren unglaublichen Nationalismus während des Bürgerkriegs Menschheitsverbrechen dort möglich gemacht haben, wieder an Raum gewinnen. Und sie gewinnen nicht nur an Raum, weil es keine Perspektive gibt, sondern auch, weil sie von demokratieverachtenden Nationen und deren Regierungen, wie zum Beispiel der Russischen Föderation, genau in dieser destruktiven Politik unterstützt werden. Es wäre verantwortungslos, wenn wir diesen Feinden der Demokratie dort das Feld überlassen. Wir müssen dort mehr tun, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und das will ich auch sehr deutlich sagen – auch das hat Herr Martens in seinem Artikel geschrieben –: Wir sollten uns überlegen, ob die bisherige Politik – ich sage das auch selbstkritisch –, immer wieder daran zu glauben, dass mit Vučić und der serbischen Regierung wirklich etwas konstruktiv möglich ist, nicht eine Sackgasse ist. Herr Vučić hat sich entschieden: Er führt Serbien in ein autoritäres Regime. Er verbündet sich mit den Nationalisten. Er trägt mit Unterstützung von Putin zur Destabilisierung bei. Und wenn das so ist, muss man ihn links liegen lassen und andere Kräfte unterstützen, nämlich die der Demokratie – sowohl in Serbien als auch in den anderen Ländern dort unten in der Region, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Denn deeskaliert haben wir jahrelang. Ich erinnere daran, dass Herr Vučić unter ganz anderen Konditionen Angebote von der EU bekommen hat als zum Beispiel noch Boris Tadić, der für die demokratische Seite in Serbien stand. Hätte man Tadić so behandelt, wie man Vučić in den letzten Jahren behandelt hat, dann wäre Tadić jetzt vielleicht noch Präsident, weil er Erfolge hätte vorweisen können. Wir sollten uns noch mal genau anschauen, welche Verantwortung auch wir für diese politische Entwicklung mitgetragen haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte erlauben Sie mir zum Schluss noch zwei persönliche Worte.
Ich freue mich sehr, dass die Frau Bundesaußenministerin dieser wichtigen Debatte beiwohnt. Bitte, liebe Frau Außenministerin, bestellen Sie Manuel Sarrazin als Sondergesandten der Bundesregierung für die Länder des westlichen Balkans meinen herzlichen Dank. Ich finde, dass Kollege Sarrazin einen hervorragenden Job macht, und ich bin froh, dass er da ist, wo er jetzt ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ganz zum Schluss möchte ich auch unserem Kollegen Adis Ahmetovic Dank sagen, der heute vielleicht an meiner statt diese Rede hier gehalten hätte. Als ein Vertreter der jungen politischen Generation in Deutschland setzt er sich wie kaum ein anderer für Frieden und Perspektiven nicht nur im Westbalkan ein. Lieber Adis, ich glaube, alle Kolleginnen und Kollegen hier wünschen dir alles Gute, und wir hoffen, dass du bald wieder an diesem Pult hier stehst.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für die Gruppe Die Linke hat das Wort der Kollege Dr. Dietmar Bartsch.
(Beifall bei der Linken – Nils Gründer [FDP]: Also, wenn es eine gute Rede wird, dann klatsche ich auch!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611692 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 171 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz EUFOR ALTHEA |