Franziska KerstenSPD - Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs in der Berner Konvention
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe wahrscheinlich einen Wahlkreis mit der höchsten Wolf-Einwohner-Dichte. Zwölf Rudel und 260 000 Einwohner: Das ist schon ein gutes Maß.
Das Thema beschäftigt mich aber auch beruflich schon ziemlich lange. Was habe ich in meiner Arbeit zum Thema Wolf gelernt? Es ist ein Naturschutzerfolgsprojekt, dass sich der Wolf wieder hier ansiedelt. Er war hier heimisch; der gehört hierher. Das heißt aber nicht, dass wir – wie sage ich das? – uns nicht gut anschauen, was da eigentlich passiert. Wir müssen schauen, wo es gut klappt und wo es nicht klappt, wie wir die Weidetierhaltung, die auf jeden Fall wichtig ist, erhalten können; denn die Weidetierhaltung ist wichtig für den Erhalt unserer Kulturlandschaft.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Heiden und Waldwiesen verhindern Verbuschung und fördern eine vielfältige Insekten- und Tierwelt.
Die Damen und Herren von der Union fordern statt Lösungen eine beschleunigte Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes in der Berner Konvention. Der Ständige Ausschuss der Berner Konvention mit 50 Mitgliedstaaten und der EU als Vertragspartei soll jetzt also möglichst zwei Monate früher tagen, statt wie geplant im Dezember 2024 schon im September oder im Oktober. Mit Ihrem Fokus auf Formalien lenken Sie geschickt von der inhaltlichen Debatte ab. Ich hatte mir Inhalte bei diesem Thema bei Ihnen zwar auch nicht vorstellen können, aber doch gewünscht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie wollen jetzt mit einem Schaufensterantrag punkten, wohl wissend, dass wir damit den laufenden Prozess durchaus stören würden. Ich würde mich hier mit Schnellschüssen zurückhalten; schließlich bietet die Berner Konvention uns seit 45 Jahren Rechtssicherheit im Artenschutz.
(Zuruf von der SPD: Genau so ist es! – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Wie lange wollen Sie sich denn noch zurückhalten?)
Ihnen muss doch klar sein: Auch eine Herabsetzung des Schutzstatus würde nicht bedeuten, dass wir einfach wild in der Gegend umherballern können und irgendwelche Wölfe wahllos abschießen können.
(Peter Beyer [CDU/CSU]: In welcher Welt leben Sie eigentlich? Wo leben Sie eigentlich? – Nina Warken [CDU/CSU]: Wie reden Sie denn über die Jäger?)
Ich wäre auch dafür, dass Tiere, die praktisch wiederholt auffallen oder auch einen wirklich guten, zumutbaren Herdenschutz überwinden, entnommen werden, dass sie abgeschossen werden; da bin ich bei Ihnen. Aber das scheitert meiner Meinung nach aktuell an zwei Dingen: Wir müssen für die rechtssichere Entnahme klären, wie wir den Schutzstatus definieren, und wir müssen auch „zumutbaren Herdenschutz“ definieren. Wir brauchen eine Datengrundlage, die ein erhöhtes Rissvorkommen aufzeigt.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Die EU hat sie doch erhoben! Wir müssen endlich mal die Konsequenzen ziehen!)
Was meine ich damit konkret?
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Da sind wir aber gespannt!)
Ich habe schon vor sechs Jahren mit Staatssekretär Flasbarth und den Ländervertretern zu diesem Thema zusammengesessen. Wir sind meiner Meinung nach nicht so ganz viel weitergekommen.
(Zurufe von der CDU/CSU und der AfD)
Wir müssen durchaus darstellen, wie wir diese Herdenschutzmaßnahmen finanzieren. Wir müssen aber auch sagen, welche Zaunhöhe es mindestens sein muss, was zumutbar ist. Denn Fakt ist: Herdenschutz werden wir immer brauchen. Als Alternative zum Herdenschutz können wir nur alle Wölfe abknallen, und das kann auch nicht in Ihrem Sinne sein.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Immer dieses Wort!)
Wir fördern Herdenschutz deswegen mit Bundesmitteln aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Wir haben auch mit Bundesmitteln das Bundeskompetenzzentrum Weidetiere und Wolf eingerichtet, und ich setze mich dafür ein, dass wir weiter gezielt Projektmittel für besseren Herdenschutz nutzen – auch in Steillagen und an Deichen, wo es besondere Herausforderungen gibt. Darum haben wir schon 2021 ein Forschungsprojekt zum Herdenschutz in den Gebieten gefördert, damals noch gemeinsam mit Ihnen von der Union, falls Sie sich daran nicht erinnern. Beteiligt war auch die IG Herdenschutz plus Hund. Herzlichen Dank an Swen Keller! Er ist Schäfermeister und Ausbilder von Herdenschutzhunden aus Sachsen-Anhalt, und er war maßgeblich an diesem sehr erfolgreichen Projekt beteiligt.
Ergebnisse und Lösungsvorschläge liegen jetzt vor. Wir brauchen Vor-Ort-Beratung durch Herdenschutzexperten. Wir müssen alle Landnutzer an den Tisch bekommen, und wir müssen eine ausreichende Finanzierung dieser Projekte gewährleisten. Wir müssen auch die Öffentlichkeit und den Tourismus aktiv beteiligen. Denn in bestimmten Regionen sind ja auch Touristen unterwegs; da ist es mit den Herdenschutzhunden wieder ein bisschen schwieriger. So stärken wir die Akteure vor Ort und die Verbände.
Die Datengrundlage, die wir brauchen: Wir brauchen die Daten, damit wir wissen, wo ein erhöhtes Rissvorkommen auftritt. Die Entschädigung muss für die Landwirte einfach zu bekommen sein. Und wir haben auch dann erst einen Überblick über die Risse, sodass wir wissen, wo die Erlaubnis eines Abschusses praktisch möglich ist.
Sie sehen also: Nicht die Herabstufung des Schutzstatus ist zielführend, sondern die Definition von „zumutbarem Herdenschutz“ und eine Datengrundlage zu erhöhtem Rissaufkommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
So können wir auffällige Tiere entnehmen und den Konflikt zwischen Wolf und Weidetierhaltung nachhaltig angehen – und müssen nicht diese kurzsichtigen Anträge bereden, ohne dass wir da wirklich weiterkommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Nina Warken [CDU/CSU]: Kommen Sie doch mal weiter!)
Das Wort hat der Abgeordnete Andreas Bleck für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611705 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 171 |
Tagesordnungspunkt | Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs in der Berner Konvention |