05.06.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 171 / Tagesordnungspunkt 4

Lina SeitzlSPD - Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs in der Berner Konvention

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Wolf ist zurück in Deutschland. Für die einen ist das ein Erfolg des Artenschutzes, spielt der Wolf doch eine wichtige Rolle in unserem Ökosystem.

(Zuruf von der AfD: Das ist doch Quatsch!)

Die Wolfspopulation hilft bei der natürlichen Regulierung von Wildbeständen und trägt so zur Erhaltung des natürlichen Gleichgewichts bei.

Für die anderen – das gehört zur Ehrlichkeit auch dazu – ist die Rückkehr des Wolfes ein großes Problem. Gerade im ländlichen Raum, gerade in den östlichen und nördlichen Bundesländern haben Risse von Rindern und Schafen durch Wölfe massiv zugenommen. Für die Halterinnen und Halter dieser Weidetiere entstehen dadurch nicht selten enorme wirtschaftliche Schäden. Und auch emotional kann es ganz schön hart sein, sein Tier tot auf der Weide aufzufinden. Über die Bedeutung der Weidetierhaltung für die Natur und den Naturschutz ist hier in dieser Debatte schon lange gesprochen worden.

Es braucht deshalb effektive Herdenschutzmaßnahmen. Wir sind da an vielen Stellen auch schon deutlich weitergekommen. Aber – so ehrlich muss man auch sein – Wölfe, die wiederholt zumutbare Herdenschutzmaßnahmen überwinden, müssen schnell und effektiv entnommen werden können. Nur so können die berechtigten Interessen von Landwirten und Tierhalterinnen und Tierhaltern geschützt werden. Das erlaubt uns auch das Europarecht an dieser Stelle.

Deswegen haben wir bereits in der Großen Koalition zusammen mit der Union eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes und damit auch die Entnahme von diesen Problemwölfen ermöglicht. Die Bundesumweltministerin hat gemeinsam mit den Ländern Ende letzten Jahres – das ist noch nicht so lang her – eine sogenannte Schnellabschussregelung beschlossen, in der es um eine präzisere und schnellere Entnahme dieser Wölfe geht. Ganz konkret: Wölfe können jetzt entnommen werden, wenn sie in Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen vorkommen. Es braucht dann auch keine aufwendigen DNA-Analysen; die Entnahme erfolgt sofort. Voraussetzung ist natürlich ein zumutbarer Herdenschutz.

Die Union macht sich heute den im Winter aufgekommenen Vorschlag der EU-Kommission zu eigen und fordert, den Schutzstatus des Wolfs in der sogenannten Berner Konvention herabzustufen. Die Berner Konvention ist die Grundlage für die Einstufung des Wolfs als besonders schutzbedürftig in der europäischen FFH-Richtlinie.

Ich gebe zu: Auf den ersten Blick scheint das einer Diskussion würdig. Auf den zweiten Blick fällt dieser Antrag aber sehr schnell in sich zusammen. Sie suggerieren nämlich, dass eine Änderung des Schutzstatus des Wolfs in der Berner Konvention innerhalb kürzester Zeit erfolgen könnte und dass diese Änderung quasi sofort Nutztierrisse der Vergangenheit angehören lassen würde.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir Bestandsmanagement machen! Da können Sie nicht widersprechen!)

Das ist keine seriöse Politik, das ist reiner Populismus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie wissen doch ganz genau, dass die EU nicht alleiniger Vertragspartner der Berner Konvention ist.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Und deshalb machen wir erst mal gar nichts?)

Im Gegenteil: Es gibt insgesamt 50 Vertragsstaaten, und eine Änderung des Schutzstatus bedarf auch der Zustimmung all dieser Vertragsstaaten. Das braucht Zeit.

(Klaus Mack [CDU/CSU]: Falsch!)

Sie wissen auch, dass die Diskussion über diesen Kommissionsvorschlag nicht nur in Deutschland, sondern in allen EU-Mitgliedstaaten weit davon entfernt ist, abgeschlossen zu sein. Wenige Monate vor der Europawahl fällt der EU-Kommission und der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein, ganz neue Parameter zu definieren

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Wir sind schon ganz lang an diesem Thema dran! Wir haben vor Jahren einen Antrag dazu gestellt! Wir haben eine Anhörung gemacht! Das haben Sie immer abgelehnt! Sie haben alle Anträge von uns immer abgelehnt!)

und diesen Vorschlag zu machen, den sie die vergangenen viereinhalb Jahre nicht gemacht hat.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Spät, aber nicht zu spät!)

Das hat natürlicherweise viele Fragen bei den Mitgliedstaaten hervorgerufen, die erst mal beantwortet werden müssen. Dann kann es zu einer Positionierung der Mitgliedstaaten kommen. Das braucht Zeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wichtigste aber ist, dass mit einer Änderung des Schutzstatus der Wolf nicht so einfach entnommen werden kann. Es zeigt sich jetzt schon, welche erheblichen praktischen Probleme es dabei gibt.

Ich trage auch gerne zu Ihrer Aufklärung bei:

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Das haben wir befürchtet!)

Wölfe sind sehr scheue Tiere: Sie stellen sich nicht einfach so vor das Gewehr des Jägers oder der Jägerin. Und wir wissen auch, dass ein pauschales Quotenschießen nur dazu führt, dass die geschwächten Wolfsrudel noch mehr Nutztiere reißen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Ja, dann machen Sie doch mal ein Management! Schlagen Sie doch mal ein Management vor!)

Es zeigt sich also: Eine Änderung des Schutzstatus in der Berner Konvention zum jetzigen Zeitpunkt – und zwar am besten in den nächsten zwei Monaten, wie vorgeschlagen – hilft bei den akuten Problemen der Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter kein bisschen.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Aber Nichtstun hilft?)

Eine Debatte dieses Antrages wenige Tage vor der Europawahl – ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Jedes Mal, wenn Sie keine inhaltliche Antwort haben, kommen Sie mit diesen Argumenten! – Gegenruf des Abg. Carsten Träger [SPD]: Wir haben eine ganze Menge von Inhalten und Argumenten!)

Im Sinne der Nutztierhalterinnen und Nutztierhalter brauchen wir doch jetzt Lösungen und nicht erst in mehreren Monaten und Jahren,

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Machen Sie das jetzt! Stimmen Sie doch jetzt unserem Antrag zu!)

die eine deutliche Beschleunigung und Entbürokratisierung der Verfahren ermöglichen und im Einklang mit dem europäischen Recht stehen. Der Schnellabschuss ist sowohl vom Oberverwaltungsgericht Niedersachsen als auch von der EU-Kommission als rechtskonform bestätigt worden.

(Zuruf von der AfD)

Das bietet erst mal Rechtssicherheit.

Wichtig ist hier – da kommen die Länder ins Spiel –, dass Bundesregierung und die Länder schnell bei der praktischen Umsetzung des Schnellabschusses nachschärfen. Meine Kollegin Franziska Kersten hat die einzelnen kritischen Punkte genannt; das sind wir den Betroffenen schuldig.

(Dr. Astrid Mannes [CDU/CSU]: Ja, dann handeln Sie doch mal!)

Nur dann können wir Weidetiere effektiv schützen. Darum geht es jetzt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Klaus Mack für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7611710
Wahlperiode 20
Sitzung 171
Tagesordnungspunkt Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs in der Berner Konvention
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