Thomas HackerFDP - Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie hörten den Pressesprecher der Russischen Föderation.
(Markus Frohnmaier [AfD]: Und Sie sind die Vasallen der USA, oder was?)
Wir kommen wieder zur Lage im Kosovo.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
2023 hätte das Jahr der Fortschritte sein können. Mit dem Abkommen von Ohrid machen sich Serbien und Kosovo auf den Weg, Spannungen abzubauen. Das Abkommen besaß das Potenzial, die Beziehungen zwischen beiden Staaten zu normalisieren – schrittweise, in Koexistenz, friedlich, ohne immer neue Spannungen und neues Eskalationspotenzial zu liefern. Doch es kam alles anders – leider. Während wir in Europa noch diskutierten, ob das Ohrid-Abkommen trotz fehlender Unterschriften überhaupt rechtlich bindend sei, kam es zwischen Serbien und Kosovo zu neuen Spannungen. Schnell wurde die EU, wurden wir von der Realität vor Ort eingeholt.
Vor einem Jahr wurden mehr als 90 Soldaten der KFOR-geführten Friedensmission im Norden des Kosovo verletzt. Die Täter laufen immer noch frei herum. Die strafrechtliche Verfolgung geht mehr als schleppend voran. Die von Belgrad gesteuerte Partei Srpska Lista hätte an den Lokalwahlen im Norden des Kosovo teilnehmen können und wäre wohl auch in die Rathäuser gewählt worden. Erst durch den von Belgrad angeordneten Boykott der Wahlen fehlt der serbischen Minderheit im Norden die kommunalpolitische Repräsentanz – Ursache und Wirkung. Eine Fixierung auf die geringe Legitimität der vier gewählten Bürgermeister gibt lediglich ein verkürztes Bild der Hintergründe wieder.
Es folgte die Entführung von drei kosovarischen Polizisten aus dem Territorium des Kosovo durch serbische Polizeibeamte. Konsequenzen für Serbien? Fehlanzeige! Die organisierte Attacke von Banjska war dann der vorläufige Gipfel der Eskalationsspirale. Serbische Kriminelle lockten kosovarische Polizisten in einen Hinterhalt. Es kam zu Toten. Die Professionalität der kosovarischen Polizei hat Schlimmeres verhindert. Der dafür vermeintlich verantwortliche Milan Radoičić ist weiterhin unbestraft und wird wohl auch keine Konsequenzen fürchten müssen. Eigentlich müsste er nach Pristina ausgeliefert werden, doch da beide Staaten sich nicht anerkennen, kann er wohl weiterhin in Serbien in Freiheit leben. Ich hoffe, Markus Söder hat auch darüber mit Aleksandar Vučić bei seinem Besuch in Belgrad gesprochen.
Aber auch die kosovarische Regierung sorgt für Unruhe, indem sie kurzfristig und ohne Folgenabschätzung verkündet, den Euro als ausschließliches Zahlungsmittel anzuerkennen. Trotz mancher Fehler der kosovarischen Regierung: Die Maßnahmen der EU gegen Kosovo sind nicht mehr zeitgemäß. Die Maßnahmen gehören abgeschafft. Es ist gut, dass sich die Bundesregierung weiterhin für ihre Aufhebung einsetzt.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was bleibt? Provokationen und gezielte Eskalationen statt Verhandlungen und Koexistenz. Seit dem Abkommen von Ohrid ist man damit beschäftigt, Krisenmanagement zu betreiben. Das läuft dem Ziel des Abkommens diametral entgegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das zeigt, wie wichtig die Präsenz der internationalen Staatengemeinschaft im Kosovo auch nach 25 Jahren und wie wichtig die Beteiligung unserer Streitkräfte an der internationalen Sicherheitspräsenz ist. Es ist unser Einsatz für Frieden in der Region. Es zeigt aber auch, dass die EU sehr genau analysieren muss, wer gegen Abkommen und Vereinbarungen arbeitet, und auch entsprechend handeln muss. Die Mitgliedschaft Kosovos im Europarat zu ermöglichen, wäre ein gutes Zeichen gewesen. Sie kommt hoffentlich bald.
Dass wir und unsere westlichen Partner den Ländern in der Region oft zusätzliche Bedingungen auferlegen, ist kontraproduktiv. Die Visaliberalisierung für Kosovo kam neun Jahre zu spät. Nordmazedonien wird durch Blockaden einzelner Nachbarstaaten – erst Griechenland, dann Bulgarien – immer weiter vertröstet. Wenn die Politik der EU und einzelner Mitgliedstaaten in der Region immer nur als verzögernd, verhindernd und blockierend wahrgenommen wird, dann verlieren wir die Menschen in der Region, dann verlieren wir ihren Glauben und ihre Hoffnung, in einigen, vielleicht wenigen Jahren Teil Europas zu sein, mit dem Ergebnis, dass der Reformeifer nachlässt, dass russische und chinesische Desinformationen Gehör finden, mit dem Resultat: Frust und Enttäuschung machen sich breit. Nationalisten und Revisionisten profitieren. Das kann man an Umfragen und auch an Wahlergebnissen ablesen.
Meine Damen und Herren, unsere Soldatinnen und Soldaten genießen in der Region ein hohes Ansehen. Wir haben uns erst im Februar davon überzeugen können: Die Dankbarkeit und Wertschätzung der Bevölkerung ist riesig. Sie riskieren ihr Leben und sind die besten Botschafter, die wir in die Region entsenden können. Gerade dafür verdienen unsere Soldatinnen und Soldaten unseren größten Respekt. Sie verdienen und haben unsere Anerkennung und unseren großen Dank für ihren Einsatz für Frieden auf dem Westbalkan, weit weg von Familie und Heimat.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Hacker. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Peter Beyer, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611721 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 171 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR) |