05.06.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 171 / Tagesordnungspunkt 5

Fabian FunkeSPD - Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR)

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Nächste Woche Dienstag, am 11. Juni, jährt sich der erste Beschluss des Deutschen Bundestages zu einem KFOR-Mandat zum 25. Mal. Seitdem wurde die aktive Teilnahme der Bundeswehr am gemeinsamen NATO-Einsatz jedes Mal verlängert. Es ist der längste Auslandseinsatz in der Geschichte der Bundeswehr.

Wie sehr die Präsenz der NATO-Truppen im Kosovo noch immer notwendig ist, wurde im letzten Jahr so deutlich wie lange nicht mehr. Insbesondere der serbisch geprägte Norden des Kosovos bleibt ein hochentzündliches Pulverfass. Im Mai 2023, nur wenige Tage nachdem wir hier im Bundestag das letzte Mal das KFOR-Mandat verlängert haben, wurden über 30 NATO-Soldaten im Rahmen von gewalttätigen Demonstrationen teils schwer verletzt. Im September 2023 überfiel eine bewaffnete serbische Miliz kosovarische Polizeibeamte. Drei Menschen kamen dabei ums Leben. Währenddessen wurde das serbische Militär im Verlauf des vergangenen Jahres immer wieder in erhöhte Einsatzbereitschaft versetzt und demonstrativ an der kosovarischen Grenze verstärkt.

Militärische Drohungen, martialische Sprache von politischen Führungsfiguren und die bewusste Eskalation politischer Konflikte gehören zur Norm. Gezielte Desinformationen und hybride Destabilisierungsmaßnahmen aus Russland dominieren den öffentlichen Diskurs sowohl in Serbien als auch in der serbischen Minderheit im Kosovo. Deswegen ist es an dieser Stelle besonders wichtig, unsere große Wertschätzung für unsere Soldatinnen und Soldaten und auch die unserer Partner in diesem Einsatzgebiet zu zeigen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Unter Berücksichtigung all dieser Tatsachen kann man durchaus zu dem Schluss kommen: Die fortwährende Präsenz der NATO-Truppen im Kosovo hat letztes Jahr einen erheblichen Teil dazu beigetragen, eine folgenschwere militärische Eskalation zu verhindern. Und genau deshalb ist es notwendig und richtig, das KFOR-Mandat der Bundeswehr mit dem vorliegenden Antrag um ein weiteres Jahr zu verlängern.

Bereits in der Reaktion auf die Geschehnisse im letzten Jahr hat Bundesminister Pistorius entschlossen gehandelt. Seit April verstärkt eine zusätzliche Einsatzkompanie der Bundeswehr die NATO-Truppen im Kosovo. Das begrüßen wir ausdrücklich. Es muss klar sein: Deutschland, die Bundeswehr und die NATO sind Garant eines freien, friedlichen und unabhängigen Kosovos.

Gleichzeitig haben sowohl Bundeskanzler Scholz als auch Bundesminister Pistorius gegenüber der kosovarischen Regierung zum Ausdruck gebracht: Auch sie hat eine Verantwortung zur Deeskalation. – Nicht jeder Schritt, der unternommen werden kann, sollte auch unternommen werden, wenn die negativen Folgen schon vorher absehbar sind. Nur gegenseitige Deeskalation und Kooperation können zu einem nachhaltigen Frieden und zu einer gewaltfreien Koexistenz führen. Denn genau diesen Frieden und diese Koexistenz irgendwann tatsächlich zu erreichen, ist das ureigene Interesse Deutschlands, der NATO und der Europäischen Union. Es ist der Grund, warum wir seit nunmehr 25 Jahren diesen Bundeswehreinsatz fortschreiben.

Friedenssicherung, Stabilisierung und die Verhinderung eines neuen Krieges sind eine Seite der Medaille. Schauen wir uns die ursprüngliche Begründung des KFOR-Einsatzes von 1999 genau an, so finden wir auch eine zweite Seite, die über den bloßen Sicherheitsaspekt und die langfristige Sicherung des Friedens hinausgeht. Schon Außenminister Joschka Fischer sagte damals:

„Wir müssen in Jugoslawien nicht nur das Ende der Gewalt herbeiführen …, sondern diese Region auch dauerhaft nach Europa führen.“

Auch der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende, Peter Struck, betonte, es sei ausdrücklich zu begrüßen, den Ländern des Westbalkans die Perspektive der EU-Mitgliedschaft zu eröffnen.

Vielleicht liegt darin auch ein Dilemma. Denn die europäischen Ambitionen für den Westbalkan, denen 1999 so viel Nachdruck und Dringlichkeit verliehen wurden, rückten von Jahr zu Jahr immer mehr in den Hintergrund. So müssen wir heute selbstkritisch feststellen: So stolz wir auf den stabilisierenden Einfluss der KFOR-Mission sind, desto mehr hat der zumindest nur halbherzig und schleppend vorangetriebene EU-Beitrittsprozess in den letzten Jahren und Jahrzehnten dazu beigetragen, dass diese Mission auch heute noch notwendig bleibt.

Zeitenwende heißt auch, EU-Erweiterungen wieder politisch zu betrachten. Bei der Ukraine, Moldau und Georgien tun wir das bereits. Sollen in 25 Jahren unsere Nachfolgerinnen und Nachfolger nicht wieder über die Verlängerung dieses Einsatzes entscheiden müssen, so müssen wir mit Nachdruck den 1999 eingeführten Beitrittsprozess für den Balkan wiederentdecken. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Kosovo so schnell wie möglich Mitglied des Europarats wird und dass beide Länder in dem Prozess zum Beitritt in die Europäische Union unterstützt werden. Denn die Deeskalation und Annäherung durch europäische Integration sind der größte politische Hebel und der größte Anreiz, den wir dieser Region bieten können. Nutzen wir ihn!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Funke. – Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Dr. Christoph Ploß, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7611733
Wahlperiode 20
Sitzung 171
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR)
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