Christian DürrFDP - Regierungserklärung zur aktuellen Sicherheitslage
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns erreichen gerade in diesen Tagen aus Bayern und Baden-Württemberg sehr bedrückende Bilder. Dort sind mehrere Menschen im Hochwasser ums Leben gekommen, darunter ein Feuerwehrmann. Mein Dank und der Dank des ganzen Hauses – da bin ich sicher – gilt allen Einsatzkräften, allen Ehrenamtlichen, allen freiwilligen Helfern, die ihr Leben riskieren, um andere Menschen zu retten; denn ihr Einsatz ist nicht selbstverständlich. Herzlichen Dank für das, was Sie in Bayern und Baden-Württemberg tun!
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linken sowie bei Abgeordneten der AfD)
Klar ist für uns, für die betroffenen Bundesländer, für den Bund, dass wir an der Seite derjenigen stehen, die zurzeit in dieser schwierigen Situation sind. Richtig ist auch das, was der Bundeskanzler gerade in Bezug auf die Versicherungsmöglichkeit sagte, die jedem gewährleistet werden soll. Ich füge eines hinzu, weil es wichtig ist und dem entgegensteht, was meine Vorrednerin gerade gesagt hat: Der Bund leistet seinen Beitrag für das, was wichtig ist, nämlich den vorbeugenden Hochwasserschutz. Als Niedersachse kann ich dazu aus Erfahrung einiges sagen; denn wir haben in den 2000er-Jahren intensiv in diesen vorbeugenden Hochwasserschutz investiert. Meine Erwartungshaltung ist, dass wir uns eines klarmachen: Wir können Starkregenereignisse und Hochwasser nicht verhindern. Aber durch vorbeugenden Hochwasserschutz können wir existenziell dazu beitragen, dass die Auswirkungen nicht so dramatisch sind. Das ist die gemeinsame Pflicht von Bund und Ländern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben gestern, Frau Präsidentin, im Deutschen Bundestag eine Schweigeminute abgehalten. Am vergangenen Freitag ist in Mannheim ein junger Polizist im Einsatz für unsere Sicherheit ums Leben gekommen.
(Stephan Brandner [AfD]: Er wurde ermordet!)
Aber er ist nicht einfach nur ums Leben gekommen. Rouven L. ist brutal ermordet worden.
(Stephan Brandner [AfD]: Genau!)
Unsere Gedanken sind bei seiner Familie, bei seinen Freunden, bei seinen Kolleginnen und Kollegen, die ihn als engagierten Polizisten bezeichnen, der dahin ging, wo es brennt.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Rouven L. ist für unsere Freiheit gestorben. Er ist in diesen Tagen ein wahrer Held. Wir verneigen uns vor Rouven L., meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linken sowie bei Abgeordneten der AfD)
Gleichzeitig richten wir als verantwortliche Politiker unsere Augen auf die Ursachen. Der Täter, der Mörder, ist 2013 als Asylbewerber zu uns nach Deutschland gekommen. Bereits im Jahr 2014 wurde sein Asylantrag abgelehnt. Es ist jahrelang nicht gelungen, ihn in seine afghanische Heimat abzuschieben. Es gibt Anzeichen dafür, dass er sich in der Vergangenheit zunehmend radikalisiert hat. Verehrter Herr Kollege Merz, Sie haben hier viele richtige Worte gefunden, auch dazu, was der Bundeskanzler sagte, welche Konsequenzen wir hier ziehen; darauf komme ich gleich noch einmal zu sprechen. Aber das Problem liegt ja nicht im Staatsangehörigkeitsrecht begründet. Das Problem liegt darin, dass in der Vergangenheit, insbesondere als es politisch noch leichter möglich war, nicht nach Afghanistan abgeschoben worden ist. Islamisten haben in Deutschland nichts zu suchen. Sie müssen unser Land verlassen. Dafür zu sorgen, ist die Pflicht und Schuldigkeit von verantwortlichen Politikern heute, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Alexander Ulrich [BSW])
Wir sehen ja spätestens seit dem 7. Oktober, seit dem furchtbaren Angriff der Hamas auf Israel, dass es immer wieder und immer öfter zu abscheulichen öffentlichen Szenen und antisemitischen Vorfällen in Deutschland kommt. Jüdinnen und Juden fühlen sich teilweise nicht mehr sicher, einige verlassen aus Angst das Land. Das halte ich für eine Schande, und es beschämt mich zutiefst, meine Damen und Herren. Deswegen sage ich auch an der Stelle sehr eindeutig: Es war eine richtige Entscheidung dieser Koalition, das Staatsangehörigkeitsrecht, das Recht, deutscher Staatsbürger zu werden, daran zu knüpfen, dass man kein Antisemit ist. Antisemiten gehören nicht nach Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie sollten unser Land am besten direkt verlassen. Das sage ich in aller Deutlichkeit und Härte.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das Gesetz ist trotzdem schlecht! Es gehört weg!)
Wenn die Zahl von Hass- und Gewalttaten ansteigt, dann ist es unsere Pflicht, die Ursachen zu bekämpfen. Zu diesen Entscheidungen gehört auch – der Bundeskanzler hat es vorhin gesagt –, dass wir gemeinsam mit den Ländern entschlossener handeln müssen. Ja, ich erwarte auch das Verbot islamistischer Vereine wie des Islamischen Zentrums in Hamburg und seine Schließung. Das sollte so schnell wie möglich geschehen.
(Zuruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])
Wir müssen gegen antisemitische Hetze in den sozialen Medien vorgehen; Tiktok wurde als Beispiel genannt. Das muss verfolgt und geahndet werden. Antisemitische Demonstrationen müssen untersagt werden, und sie müssen aufgelöst werden, meine Damen und Herren. Das ist die Pflicht und Schuldigkeit aller rechtsstaatlichen Behörden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ihre Regierung!)
Der Bundeskanzler hat es vorhin erwähnt – ich teile es, gerade als Konsequenz dessen, was wir schrecklicherweise in den letzten Tagen erlebt haben –:
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Er redet, als wäre er in der Opposition!)
Die Abschiebung islamistischer Straftäter nach Afghanistan und Syrien muss ermöglicht werden.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Richtung Grüne!)
Ich sage das in aller Klarheit und Deutlichkeit: Wer hier bei uns islamistisch motivierte Straftaten begeht – von Volksverhetzung und Judenhass bis hin zu schweren Gewalt- und Tötungsdelikten –, der bedarf offenkundig keines Schutzes vor islamistischen Regimen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das muss jetzt nur noch das Auswärtige Amt kapieren!)
Wir werden deswegen auch den Weg der Kontrollen weitergehen. Wir haben entschieden, temporäre Kontrollen an den Binnengrenzen durchzuführen. Wir reduzieren die Pull-Faktoren.
(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
Für Asylbewerber haben wir die Wartezeit auf die sogenannten Analogleistungen von 18 auf 36 Monate verlängert. Wir haben die Länder davon überzeugt, die Bezahlkarte einzuführen.
(Zuruf der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])
Migrationsabkommen werden geschlossen. Speziell für Intensivstraftäter und Straftäter mit antisemitischem Hintergrund wird die Ausweisung erleichtert. Wir haben ein Rückführungspaket beschlossen, und wir müssen weitere Schritte gehen.
Ich will zum Schluss sagen: Wichtige Weichen an der Stelle werden auch auf europäischer Ebene gestellt. Die Reform der gemeinsamen Asylpolitik ist ein erster wichtiger und richtiger Schritt. Aber ich sage auch: Das Europarecht verpflichtet uns derzeit, über das Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention hinaus subsidiären Schutz zu gewährleisten. Die Gruppe der subsidiär Schutzberechtigten ist in Deutschland schon lange nicht mehr subsidiär, sondern bildet die mit Abstand größte Gruppe. Deshalb erwarte ich auf europäischer Ebene, von der kommenden Europäischen Kommission einen Vorschlag, wie das Recht auf subsidiären Schutz auf ein angemessenes Maß reduziert werden kann.
Ich will es zusammenfassen: Die Gewährleistung von innerer und äußerer Sicherheit ist die Kernaufgabe dieses Staates, und sie sollte uns ein gemeinsames Anliegen sein.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wir sind total dafür!)
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Lars Klingbeil.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611801 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 172 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zur aktuellen Sicherheitslage |