Bärbel Bas - Regierungserklärung zur aktuellen Sicherheitslage
Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kein Anlass ist schlimmer und trauriger als der, der mich heute in den Deutschen Bundestag führt, an den Ort, an dem ich selber von 1998 bis 2016 Abgeordneter gewesen bin. Am vergangenen Freitag um 11.34 Uhr gab es einen bestialischen Messerangriff in Mannheim, bei dem ein Polizeibeamter lebensgefährlich verletzt wurde. Nach sechs Stunden Notoperation war die Lage aussichtslos. Wir haben gehofft, gebangt, gebetet. Am Sonntag um 17.03 Uhr ist der 29-jährige Kollege verstorben.
Die Polizistinnen und Polizisten in Baden-Württemberg, in ganz Deutschland und darüber hinaus sind sehr traurig. Ich bin dankbar, dass auch der Deutsche Bundestag mit seinen Gedanken bei seinen Eltern, den Geschwistern und der Lebensgefährtin ist. Vielen Dank an Rouven Laur für seinen Einsatz, der ein Einsatz für uns alle gewesen ist!
(Beifall im ganzen Hause)
Ich kann nur eine Bemerkung machen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Zigtausende von Polizistinnen und Polizisten in diesem Land beginnen jeden Tag ihren Dienst und blenden, wie die Gesellschaft auch, eines aus: dass jeder Einsatz, den sie machen – und sei er noch so alltäglich und harmlos –, im Zweifel ein lebensgefährlicher sein kann.
Unsere Polizisten und Polizistinnen schützen uns alle. Jeder von uns hätte zufällig auf dem Mannheimer Marktplatz sein können. Sie schützen vor allem unsere Demokratie und unsere Werte, und sie machen das mit einer exzellenten Professionalität und einer so hohen Motivation. Unsere Polizei hat nicht Aggression und Beschimpfung oder gar Gewalt verdient. Unsere Polizistinnen und Polizisten in diesem Land verdienen unseren Dank, unseren Respekt und unsere Anerkennung.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der AfD sowie der Abg. Dr. Sahra Wagenknecht [BSW] und Dr. Dietmar Bartsch [Die Linke])
Die Worte, die hier gesprochen worden sind, sind wichtig. Noch wichtiger sind Taten. Vor wenigen Tagen haben wir gerade auch hier in Berlin den 75-jährigen Geburtstag unserer Verfassung gefeiert. Einer der maßgeblichen Väter unseres Grundgesetzes, der Sozialdemokrat Carlo Schmid, hat am 8. September 1948 im Parlamentarischen Rat davon gesprochen, „den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufzubringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen“. Um diesen „Mut zur Intoleranz“ geht es hier und heute.
Was wollte Carlo Schmid uns damit sagen? Das ist der entscheidende Unterschied zur Weimarer Reichsverfassung: Deutschland ist kein schutz- und wehrloser Staat, sondern eine wehrhafte Demokratie. Das ist der Auftrag dieser Verfassung.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, darum geht es jetzt, und es sind viele Punkte angesprochen worden. Wir haben diesen Instrumentenkasten; er muss jetzt nur auch angewandt werden.
Es ist doch ganz klar: Wer hier bei uns Schutz sucht, sich dann aber entscheidet, ein Gefährder zu sein und diese Demokratie – also die, die ihm Schutz gibt – zu bekämpfen, wer schwere und schwerste Straftaten begeht, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Straftaten gegen unsere Einsatzkräfte, der hat sich doch dafür entschieden, in diesem Land nicht zu leben, und deswegen muss er das Land verlassen.
Und selbstverständlich sind auch Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan möglich. 16 Innenminister bitten seit vielen Jahren die Bundesregierung darum, diese Lageeinschätzung zu aktualisieren. Bitte machen Sie das zur nächsten Innenministerkonferenz! Handeln Sie!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Johannes Huber [fraktionslos])
Herr Strobl, kommen Sie bitte zum Schluss.
Das Gleiche gilt – wir haben es hier vermutlich mit einem radikalisierten Einzeltäter zu tun – aber auch mit Blick auf die Fußballeuropameisterschaft. Es sind hier schon auch komplexere Anschlagsszenarien mit islamistischem Hintergrund denkbar.
16 Innenminister plus die Frau Bundesinnenministerin haben Sie gebeten, die Vorratsdatenspeicherung ins Gesetz zu nehmen, damit wir schwerste terroristische Attentate nicht nur aufklären, sondern verhindern können. Herr Bundeskanzler, lassen Sie Ihre Innenministerin doch bitte nicht im Regen stehen, und geben Sie unseren Sicherheitskräften dieses wichtige Instrument!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Strobl, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen.
Ich bedanke mich sehr und will der Bundesregierung und dem Bundeskanzler sagen – wie es in Goethes „Faust“ heißt –:
„Der Worte sind genug gewechselt.“
(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Ja!)
„Lasst mich auch endlich Taten sehn …“
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD])
Als Nächste hat das Wort für die SPD-Fraktion Gabriela Heinrich.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611826 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 172 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zur aktuellen Sicherheitslage |