Helge LindhSPD - Bekämpfung der Gefahr durch den politischen Islam
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele haben es wahrscheinlich nicht so richtig mitgekriegt: Herr Curio hat vorhin ganz bewusst den Film „Die Mörder sind unter uns“ von Wolfgang Staudte zitiert, einen Film, der Traumata von schwersten NS-Kriegs- und Menschheitsverbrechen thematisiert. Sie haben damit ganz bewusst und gezielt – das ist Ihre Strategie – Musliminnen und Muslime und Migrantinnen und Migranten generell in die Nähe von NS-Tätern gesteckt.
(Beatrix von Storch [AfD]: Das stimmt doch nicht! Sie spinnen doch!)
Das ist widerlich. Und ich kann Frau Le Pen und Herrn Bardella in vielen Punkten nicht verstehen. Dass die sich aber schämen, mit Ihnen aufzutreten, das verstehe ich, und ich beglückwünsche die Rechtsextremen in ganz Europa, die sich Ihrer schämen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben es heute wieder bestätigt: Sie sind sogar eine Schande für Rechtsextreme. Das muss man hinkriegen; das ist eine historisch einmalige Leistung.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Throm, ich muss Ihnen sagen, jetzt sachlich argumentierend – Sie haben gesagt, wenn wir ihnen vorwerfen würden, sie relativierten und verharmlosten Muslimfeindlichkeit, würden wir das Opfernarrativ der Islamisten bedienen –: Ich würde Ihnen mal die umgekehrte Logik empfehlen.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Indem Sie unnötigerweise leugnen, dass es tagtäglich antimuslimischen Rassismus und Muslimfeindlichkeit in krasser Form gibt,
(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christoph de Vries [CDU/CSU]: Im Gegenteil!)
bieten Sie etwas, was die Radikalisierer von „Muslim Interaktiv“ und „Generation Islam“ jeden Tag gezielt nutzen. Das heißt: So einfach ist es nicht, wie Sie es darstellen. Also überdenken Sie noch mal Ihre Argumentation!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Dr. Yannick Bury [CDU/CSU] und Moritz Oppelt [CDU/CSU])
Wichtig ist aber auch – damit ich nicht nur mit dem Finger auf die anderen zeige –, dass man zuerst auch einmal selbstkritisch auf den eigenen Bereich guckt.
(Christoph de Vries [CDU/CSU]: Dann machen Sie mal!)
Kevin Kühnert hat zu Recht hier im Bundestag und auch im „Spiegel“ und anderswo darauf hingewiesen, dass wir Islamismus im linken Spektrum eben nicht verharmlosen sollten aus Angst, dass er, was ja geschieht, rassistisch instrumentalisiert wird. Und da hat er recht. Das ist eine sinnvolle Ermahnung seinerseits gewesen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Maximilian Mörseburg [CDU/CSU])
Auf der anderen Seite der Medaille – das ist nicht zu trennen – heißt das: Wenn wir da nicht falsch verharmlosend tolerant sind, bedeutet das aber auch nicht, wie Sie es immer im Antrag machen, Migration, Integration, Religion und Kultur zusammenzumixen und so eine Soße rauszuschütten. Damit bekämpfen Sie alles Mögliche, vor allem Rationalität; aber Sie bekämpfen damit keinen Islamismus.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Also lassen Sie das! Das schwächt Ihren Ansatz doch eindeutig.
Es ist einfach, festzustellen, dass, wenn wir kompromisslos, entschieden, auch sicherheitspolitisch gegen religiös motivierten Extremismus vorgehen wollen – und wir müssen das härter machen –, das dann aber auch bedeutet, dass ganz normale Muslime in diesem Land genauso viel und genauso wenig wie Nichtmuslime für den Extremismus verantwortlich sind. Sie müssen sich dafür nicht selbst erklären, entschuldigen, rechtfertigen. Sie haben genauso wenig und genauso viel Verantwortung wie wir alle. Also, beenden Sie Ihre Kultur des Generalverdachtes!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Beatrix von Storch [AfD]: Das passiert in deren Namen!)
Und: Hören Sie auch mal auf einen großen Liberalen und FDP-Mann – Gerhart Baum! Der hat einerseits glasklar benannt, was geschehen ist: diese barbarische, unmenschliche Tat in Mannheim. Gleichzeitig hat er aber darauf hingewiesen, dass offensichtlich antimuslimische Reflexe in unseren Debatten noch sehr aktiv sind. Er sprach – und er hat komplett recht damit – warnend an uns demokratische Parteien, diese Stimmung nicht zu nutzen, sondern sie zu bekämpfen. Das ist überzeugender Liberalismus. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ein Beispiel nehmen könnten wir uns auch an einem Verband, der ganz offen ausgesprochen hat, was ist: Bündnis Malikitische Gemeinde. Dort hat man in aller Klarheit sein Mitgefühl mit einem „unserer jungen Polizisten“ ausgesprochen, wie es formuliert ist. Ich habe selbst mit Herrn Stürzenberger heftigst auf der Straße gestritten; es gibt Videos. Wir haben mit Worten gestritten – erbarmungslos, hart, aber im Wort, ohne jede Gewalt. Das Bündnis Malikitische Gemeinde hat benannt, dass es Aufgabe von Nichtmuslimen und Muslimen ist, aber auch innerhalb der muslimischen Gemeinschaften und der Theologen, darauf aufmerksam zu machen, dass wir Kritik ertragen müssen, auch überzogene Kritik, auch unfaire Kritik, dass die Antwort darauf niemals und nimmer Gewalt sein darf.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Also, nehmen wir uns ein Beispiel an diesem klugen Verband, nehmen wir uns ein Beispiel an Gerhart Baum, und nehmen wir uns kein Beispiel an Ihrem leider misslungenen Antrag!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Zu dem Sie nichts gesagt haben!)
Matthias Helferich ist der nächste Redner.
(Beifall des Abg. Roger Beckamp [AfD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611874 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 172 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung der Gefahr durch den politischen Islam |