Volker UllrichCDU/CSU - Fortentwicklung des Völkerstrafrechts
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das humanitäre Völkerrecht steht derzeit vor seiner vielleicht größten Bewährungsprobe. Die Rechtsordnung gerät unter Druck durch Grausamkeiten, durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, aber auch durch viele Konflikte, von denen wir kaum lesen oder Notiz nehmen. Aber überall muss Gerechtigkeit am Ende siegen.
Die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs mit dem Römischen Statut im Jahre 1998 war und ist eine große Errungenschaft der internationalen Völkerrechtsgemeinschaft. Man muss heute schon die Frage stellen: Hätte diese Völkergemeinschaft heute die Kraft, diesen Strafgerichtshof einzurichten? Deswegen sind wir froh, dass wir ihn haben. Wir müssen das Recht kontinuierlich fortentwickeln.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und das tun wir mit diesem Gesetz.
Sexuelle Ausbeutung als Waffe, Entwürdigung und Entmenschlichung von Frauen sind furchtbare Verbrechen, die jetzt gezielter geahndet werden. Auch das Verschwindenlassen von Menschen ist immer wieder als Waffe von Diktatoren eingesetzt worden. Das muss sich im Völkerstrafgesetzbuch wiederfinden. Auch neuartige Waffen, die mit Metallsplittern Menschen verletzen oder gar töten und die nicht durch Röntgengeräte nachvollziehbar sind, sind eine perfide neuere technische Entwicklung. Dem muss das Völkerstrafrecht Rechnung tragen. Und das tut dieser Gesetzentwurf.
Ich bin aber froh, dass es jenseits dieser Normen auch gelungen ist, in den Änderungsanträgen drei aus unserer Sicht wesentliche Dinge noch mal im Konsens festzuzurren:
Dass bei der Frage der Nebenklage letztlich ein konkretes Verhältnis zur Tat festgestellt wird, um damit einerseits die Nebenklage zu ermöglichen, andererseits sie aber nicht ausufern zu lassen, ist ein kluger Kompromiss.
Wie bereits von der Rechtsprechung eingefordert, ist es wichtig, die funktionelle Immunität auch gesetzlich zu verankern, weil es nicht sein kann, dass sich gerade jenseits der Staatsoberhäupter Amtsträger anderer Staaten auf ihre Immunität berufen und damit im Ergebnis dort straffrei sein wollen, wo sie nicht straffrei sein dürfen. Deswegen ist es wichtig, dass dies jetzt geregelt wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Auch wichtig ist, dass das Nachfrageerfordernis beim Verschwindenlassen gestrichen wird, weil es eine zusätzliche seelische Belastung der Angehörigen der Opfer wäre, erst nachfragen zu müssen. – Also: Es ist gut, dass diese Änderungen sich im Gesetzentwurf widerspiegeln.
Ich will bei dieser Gelegenheit noch anmerken, dass wir bei der Frage des internationalen Völkerstrafrechts noch eine offene Baustelle haben, die wir auch nach über zwei Jahren russischem Angriffskrieg auf die Ukraine nach wie vor zum Mittelpunkt unserer Agenda machen müssen, nämlich die Frage der Aburteilung russischer Kriegsverbrechen und der Aburteilung des Verbrechens der Aggression. Ich finde die Idee, dass wir einen Strafgerichtshof für die russischen Verbrechen brauchen, nach wie vor richtig – wegen des Verbrechens der Aggression, weil die Immunität nicht dagegenstehen darf.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen ist es ein ermutigendes Signal, dass im Europarat im Augenblick nicht nur ein Schadensregister diskutiert wird, sondern sich der Europarat möglicherweise auch dieser strafrechtlichen Verfolgung annehmen wird. Ich finde, Europa muss jetzt, wo es um die Selbstbehauptung und um die Stärkung der Ukraine geht, auch diese rechtlichen Fragen diskutieren. Lassen Sie uns das als Hausaufgabe für die nächsten Wochen und Monate angehen.
Für heute kann ich für meine Fraktion sagen, dass wir Ihrem Gesetzentwurf zustimmen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Ullrich. – Nächster Redner ist der Kollege – ich hoffe, ich spreche es richtig aus – Macit Karaahmetoğlu, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7612007 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 172 |
Tagesordnungspunkt | Fortentwicklung des Völkerstrafrechts |