Macit KaraahmetoğluSPD - Fortentwicklung des Völkerstrafrechts
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die erste Lesung zu diesem Gesetzentwurf stand unter dem Eindruck des bereits lange andauernden Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine, aber auch der seinerzeit gerade einmal zwei Monate alten, erschütternden Bilder vom barbarischen Terror der Hamas. Es war bereits damals absehbar, dass auch aus dem 7. Oktober heraus eine Spirale der Gewalt entstehen könnte. Ein halbes Jahr später ist daraus bittere Erkenntnis geworden.
Im Völkerstrafgesetzbuch finden sich viele der schwersten Verbrechensformen, die Menschen – insbesondere unter Kriegsumständen – zu begehen imstande sind: Tötung von Zivilisten, Aushungern, Völkermord, Menschenhandel, Vergewaltigung – alles schreckliche Straftaten, von denen wir viele aus dem aktuellen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine kennen.
Mit dem Militärschlag der israelischen Regierung gegen die Hamas als Reaktion auf den Terror vom 7. Oktober ist ein weiterer Krieg auf unserer Welt hinzugekommen. Und auch in diesem Krieg könnten manche Verbrechen ungesühnt ihren Lauf nehmen.
Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs geht seit Kurzem nicht nur gegen die Führung der Terrororganisation Hamas vor, sondern auch gegen die führenden Verantwortlichen der israelischen Regierung, gegen Letztere vor allem wegen des Vorwurfs eines gezielten Aushungerns von Menschen im Gazastreifen. In den Aufschrei, den der bestialische Terror der Hamas verursacht hat, und den Aufschrei über das aktuelle Sterben Unschuldiger in Gaza mischte sich deshalb nun Empörung, wie man den Ministerpräsidenten eines Rechtsstaates wie Israel im gleichen Atemzug mit Terroristen anklagen könne. Ich kann das nachempfinden. Es fühlt sich falsch an. Der Terror der Hamas und die israelische Abwehrreaktion darauf sind völlig unterschiedlich einzuordnen. Die zeitgleiche Bekanntgabe der Ermittlungen gegen beide Akteure ist deshalb mehr als ein Stilfehler.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])
Und doch gilt es, auch Vorwürfe gegen die israelische Führung, sofern konkrete Anhaltspunkte vorliegen, zu prüfen. Denn im Kriegsvölkerrecht sind das ius ad bellum, also das Recht zum Krieg, und das ius in bello, also das Recht im Krieg, zwei verschiedene Dinge. Das heißt konkret: Auch wenn eine völlig klare legitime Grundlage für den Krieg gegen die Hamas besteht, erlaubt das nicht jede Form der Kriegsführung. Und das Völkerstrafrecht, das wir heute stärken wollen, obliegt eben der obersten Prämisse, die schwersten Menschenrechtsverletzungen, die eben nicht nur einen Staat betreffen, sondern die gesamte Weltgemeinschaft, zu identifizieren und zu ahnden. Das muss in allen Kriegen aufseiten aller Akteure möglich sein und ist am Ende Aufgabe von Gerichten.
Damit bin ich nun auch bei dem vorliegenden Gesetzentwurf angekommen, der so wichtig für eine Stärkung des Völkerstrafrechts ist. Deutschland – das wurde hier mehrfach betont – hat eine Vorreiterrolle bei der Durchführung von Völkerstrafverfahren. Und deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Gesetze immer wieder nachbessern, auch nachschärfen: bei den Tatbestandsalternativen, bei den Rechten der Opfer, bei den Hindernissen, bestimmte staatliche Funktionsträger zur Rechenschaft zu ziehen. All das tut diese Gesetzesvorlage. Deshalb werbe ich um Zustimmung zu diesem wichtigen Gesetzentwurf.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Stephan Brandner, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7612008 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 172 |
Tagesordnungspunkt | Fortentwicklung des Völkerstrafrechts |