Sylvia LehmannSPD - Änderung des Düngegesetzes, Strombilanzierung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Lieber Max Straubinger, über den Unterschied zwischen Verordnung und Gesetz müssen wir noch mal diskutieren, vielleicht bei einer kleinen Maß.
(Hermann Färber [CDU/CSU]: Da müsst ihr noch was lernen! Da müsst ihr noch üben! – Zuruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])
Meine Damen und Herren, seit über einem Jahrzehnt beschäftigen sich der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung mit dem Düngegesetz. Diese Beschäftigung gleicht über weite Strecken einer Endlosschleife. Sämtliche Ansätze der Vorgängerregierung zur Umsetzung der Nitratrichtlinie verfehlten die europäischen Anforderungen. Die EU leitete daher 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Alle folgenden Versuche Deutschlands, diese Situation zu verbessern, wurden auch vom Europäischen Gerichtshof für null und nichtig erklärt – all das, während die CDU/CSU-Fraktion die stärkste Kraft im Parlament war und das Landwirtschaftsministerium führte.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Frau Kollegin, da waren Sie mit dabei! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das war eine gute Zeit!)
Aber das nur als kleine Fußnote, lieber Max.
Mit der heutigen Beschlussfassung beenden wir diese Endlosschleife. Damit dürfte wohl das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland endgültig ad acta gelegt werden. Die damit verbundene Geldstrafe hätte mindestens 17 Millionen Euro und ein anschließendes Strafgeld von bis zu 1 Million Euro pro Tag beinhaltet. So viel zur christdemokratischen Haushaltsführung! Diese finanzielle Belastung hätten CDU und CSU wohl billigend in Kauf genommen. Mit Verweis auf die schwarze Null stellen Sie jetzt aber soziale Maßnahmen infrage. Das finde ich sehr bemerkenswert.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Reden Sie doch mal zum Gesetz!)
Schon allein aus diesem fiskalischen Aspekt heraus ist die heutige Beschlussfassung für die Ampelkoalition ein großer Erfolg. Das, meine Damen und Herren, verstehen wir unter einer verantwortungsbewussten Haushaltsführung.
Aber nun zum Aktuellen. Das Bundeskabinett beschloss im Mai 2023 die Änderung des Düngegesetzes. Damit schaffen wir die Rechtsgrundlage für die Einführung eines flächendeckenden Bodenmonitorings und die Weiterentwicklung der Stoffstrombilanzverordnung, jetzt: Nährstoffbilanzverordnung. Es hat sich mal wieder gezeigt: Konstruktiver Streit lohnt sich.
Mit der heutigen Einigung setzen wir ein wichtiges Ziel der Ampelkoalition um. Wir etablieren eine Maßnahmendifferenzierung, die nach dem Verursacherprinzip erfolgt. Damit werden langfristig auch Erleichterungen für Landwirtinnen und Landwirte erzeugt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Carina Konrad [FDP] – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Na, da bin ich mal gespannt! Ich weiß nicht, wo Sie die sehen!)
Hierfür ist allerdings eine einzelbetriebliche Betrachtung der Nährstoffbilanz erforderlich. Denn erst diese ermöglicht es, diejenigen Betriebe, die eine positive Bilanz aufweisen, weil sie weniger Nährstoffe in den Boden einbringen und nachweislich nicht Verursacher von Gewässerverschmutzung sind, von Auflagen zu befreien.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das flächendeckende Bodenmonitoring allein reicht hierfür nicht aus; denn das Grundwasser macht an der Flurstücksgrenze nicht halt und lässt somit einen Schluss auf den einzelnen Betrieb nicht zu.
(Jörn König [AfD]: Na, Gott sei Dank! Datenschutz!)
Übrigens gibt es die Nährstoffbilanzierung bereits seit 2018.
Wir machen diese Verordnung jetzt weniger aufwendig. Wir machen sie schlanker, digitaler und unbürokratischer. Wir wollen schnell eine Möglichkeit schaffen, dass einzelne Betriebe Ausnahmen bekommen. Hierbei werden insbesondere die Ursachen für Nitrat- und Phosphatbelastung berücksichtigt. Unser Ziel ist es, Betrieben selbst in belasteten Gebieten weniger strenge Regeln aufzuerlegen, wenn sie umweltfreundlich arbeiten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Carina Konrad [FDP])
Damit, meine Damen und Herren, entsprechen wir auch den Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft, der ZKL. Sie empfiehlt in ihrem Abschlussbericht unter anderem, die Stickstoffnutzungseffizienz zu erhöhen, den Düngereinsatz zu reduzieren,
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das werden die Bauern schon selber tun!)
die vielfältigen Fruchtfolgen, die Mischkulturen, Zwischenfrüchte und Untersaaten zu nutzen, um die Nitrateinträge aus der Landwirtschaft zu verringern, und letztlich eine transparent überprüfbare, da einzelfallbetriebliche Nährstoffbilanzierung zügig umzusetzen. Genau das machen wir jetzt und verstärken das auch noch mit unserer Entschließung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
In einem Punkt, meine Damen und Herren, waren sich alle Koalitionäre von Anfang an einig: Wir wollten eine Lösung, die möglichst wenig bürokratischen Aufwand erfordert und größtenteils digital umsetzbar ist.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Doppelt gemoppelt habt ihr das!)
Auch das halten wir in der Entschließung, lieber Max, nochmal gesondert fest.
Weiterhin fordern wir von der Bundesregierung, für bestimmte Betriebe und Flächen in der Nährstoffbilanzverordnung Ausnahmen festzulegen und die Bezugszeiträume sowie die Fristen für die betrieblichen Aufzeichnungen flexibler zu gestalten. Des Weiteren soll das Bewertungssystem für Stickstoff angepasst und sollen pauschale Bilanzwerte aufgehoben werden. Härtefallregelungen müssen definiert und die digitale Übermittlung von Düngungsdaten erleichtert werden. Die Nutzung der Daten ist digital zu ermöglichen, und Betrieben soll dabei Einsicht gewährt werden.
Schließlich soll die Umsetzung von Maßnahmendifferenzierungen in den roten Gebieten vorangetrieben werden. Dabei sind Ausnahmen wie kleinere Betriebe und bestimmte Flächen wie Baumschulen, Wein- oder Obstbau und Zierpflanzenkulturen vorgesehen. Für den Gemüseanbau fordern wir aufgrund der Besonderheiten der Anbau- und Absatzverfahren eine gesonderte Betrachtung bei der Nährstoffbilanzierung.
Wegen der Vielschichtigkeit und der politischen Relevanz fordern wir als Parlament eine Mitsprache, bevor diese Rechtsverordnung zur Verabschiedung an den Bundesrat weitergeleitet wird.
Die Monitoringverordnung regelt die Überwachung der gesamten Nährstoffeinträge in das Grundwasser. Hierbei sollen die verfügbaren wissenschaftlichen, technischen Daten über die jeweiligen Stickstoffeinträge in allen Regionen einheitlich erfasst und nach bundeseinheitlichen Methoden ausgewertet werden.
Diese heutige Beschlussfassung, meine Damen und Herren, zeigt sehr deutlich, dass die Koalition durchaus in der Lage ist, –
Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.
– schwierige Fragen zu beantworten.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin Lehmann. – Nächster Redner ist der Kollege Frank Rinck, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7612031 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 172 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Düngegesetzes, Strombilanzierung |