06.06.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 172 / Tagesordnungspunkt 14

Franziska KerstenSPD - Änderung des Düngegesetzes, Strombilanzierung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich aus meinem Bürofenster schaue, dann sehe ich da ein Plakat mit der Aufschrift „Bürokratie endlich dort, wo sie hingehört: im Museum“. Dieses Projekt kommt zwar von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, macht aber recht deutlich, wie die deutsche Bevölkerung zur Bürokratie steht und dass sie sie am liebsten abschaffen würde.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Wie hängt das mit Ihrem Gesetzentwurf zusammen? Gar nicht!)

Erinnern wir uns an die Bauerndemonstrationen um den Jahreswechsel: Die geplanten Einsparungen im Bundeshaushalt mögen der Auslöser dafür gewesen sein, aber das eigentliche Problem war die Überbelastung mit Bürokratie und Auflagen. Landwirte erzählen mir häufig, dass sie fast mehr Zeit am Schreibtisch verbringen als auf dem Feld und im Stall oder dass der Vollzug mancher Regelungen zu pedantisch und nicht an die Praxis angepasst ist. Das hat das BMEL aufgenommen. Ganz konkretes Beispiel: Im nächsten GAP-Strategieplan wollen wir dafür sorgen, dass Blühstreifen zukünftig nicht an jeder Stelle mindestens 5 Meter breit sein müssen, sondern lediglich auf der überwiegenden Länge. Dadurch verlieren Betriebe bei geringer Abweichung nicht mehr die Prämie; denn es geht ums Prinzip und nicht um Zentimeternaturschutz.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Bürokratieabbau darf allerdings nicht mit der Herabsetzung von Standards gleichgesetzt oder als Vorwand dafür genutzt werden.

Wofür brauchen wir aber eigentlich im besten Fall Bürokratie bzw. eine Überprüfung, dass Gesetze und Verordnungen eingehalten werden? Um Unternehmer, die sich nicht an die gute fachliche Praxis halten, aus dem Verkehr zu ziehen und um für alle anderen ein faires Wettbewerbsfeld zu erhalten.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Die gute fachliche Praxis, die ist bei euch nicht gut aufgehoben!)

Genau das ist die Logik hinter dem Düngegesetz, das wir heute beschließen werden. Indem wir gut vergleichbare Daten über Nährstoffbilanzen auf deutschen Äckern bekommen, können wir besser nachvollziehen, auf welchen Flächen der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Grundwasser überschritten wird. Das sind dann die sogenannten Roten Gebiete. Aktuell sind das in Deutschland rund 3 Millionen Hektar, auf denen nur weniger gedüngt werden darf. Die Nährstoffbilanzierung ist außerdem ein elementarer Baustein, um gewässerschonend wirtschaftende Betriebe zukünftig von strengeren Düngeregeln ausnehmen zu können.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Alter Wein in neuen Schläuchen!)

In unserer Entschließung fordern wir das BMEL auf, solche Ausnahmeregelungen gemeinsam mit der EU zügig zu erarbeiten. Unser Ziel ist es, die echten schwarzen Schafe aus dem Verkehr zu ziehen und nicht die Landwirtschaft pauschal zu belasten. Das erfordert eine solide Datengrundlage, ohne dass Extraaufwand für die Landwirte entsteht. Wir sehen auch die Länder in der Pflicht, genügend Messstellen zu errichten, um wirklich repräsentative Werte zu erreichen.

Man könnte jetzt zynisch fragen: Warum brauchen wir überhaupt ein neues Düngegesetz und so viele Daten? Dazu sage ich: Neue Regeln sind natürlich nur dann angesagt, wenn das Problem wirklich groß ist. Kleine Erinnerung – wir haben das schon mehrfach gehört –: Erst im Juni 2023 konnte das langwierige Vertragsverletzungsverfahren wegen der Nitratrichtlinie, das zu Strafzahlungen von 800 000 Euro pro Tag geführt hätte, beigelegt werden, und das auch nur unter Bedingungen. Die EU hat uns aufgefordert, ein rechtssicheres, vollzugstaugliches und auf kontrollierbaren Daten beruhendes Bilanzsystem einzurichten. Das liefern wir jetzt mit dem Wirkungsmonitoring zur Düngeverordnung. Gleichzeitig leistet der effizientere Umgang mit Stickstoff und Phosphor in unseren Betrieben einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Luftschadstoff-, Wasserrahmen- und Meeresschutzstrategierichtlinien.

Folgender Fakt noch: Bei tendenziell steigendem Nitratgehalt im Rohwasser muss das Trinkwasser kostenintensiv aufbereitet werden.

(Karl Bär [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

Diese Kosten muss dann wieder die Allgemeinheit tragen.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!)

Um das zu verhindern, bietet das Düngegesetz die notwendigen Rechtsgrundlagen. Unser Ziel ist es, mit einem Mindestmaß an neuer Bürokratie Verursacher zu identifizieren und damit für mehr Gerechtigkeit in der Landbewirtschaftung zu sorgen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kersten. – Die Kollegin Ina Latendorf von der Gruppe Die Linke hat ihre Rede zu Protokoll gegeben

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

sodass ich die Aussprache schließen kann.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7612037
Wahlperiode 20
Sitzung 172
Tagesordnungspunkt Änderung des Düngegesetzes, Strombilanzierung
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