Achim PostSPD - Vereinbarte Debatte zur aktuellen Europapolitik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, wir sind zwei Tage vor der Europawahl in Deutschland. In den Niederlanden hat sie bereits begonnen und geht heute in Irland weiter. Es ist gut, wenn wir hier über den Europawahlkampf reden – das gehört wahrscheinlich dazu –, aber wir sollten vielleicht auch über das reden, was in der Europäischen Union jetzt, morgen und in den nächsten fünf Jahren wichtig ist. Denn diese Wahlen zum Europäischen Parlament sind keine normalen Wahlen, sondern sie sind verdammt wichtig. Es geht um was.
Ich nenne Ihnen drei Schwerpunkte: Es geht um Frieden und Sicherheit. Es geht um wirtschaftliche Dynamik und Klimaschutz. Es geht um unsere Demokratie und den sozialen Zusammenhalt. Das sind doch die großen Fragen, über die wir heute reden und über die wir streiten müssen.
Wenn man mal zurückblickt – Ricarda Lang hat das aus ihrer Sicht gemacht; ich will noch weiter zurückgehen –: Als sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als sechs Jahre nach dem Ende des deutschen Angriffs- und Vernichtungskriegs, als sechs Jahre nach einem einzigartigen Zivilisationsbruch die Völker Westeuropas Deutschland die Hand gereicht haben, hat Konrad Adenauer, der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, völlig zu Recht gesagt, dass das der Beginn einer neuen Epoche ist. Und er hat recht gehabt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])
Deshalb können wir, wenn wir zurückschauen, stolz sein auf das, was seitdem passiert ist, was wir seitdem erreicht haben – mit Millionen von Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland und in ganz Europa, mit klugen Entscheidungen aller Bundesregierungen, mit klugen proeuropäischen Entscheidungen aller Bundesregierungen seit 1949. Sonst würden wir nicht da stehen, wo wir jetzt sind. Eins will ich in diesem Hause klar sagen: Das, was wir erreicht haben, lassen wir uns nicht zerstören – nicht unsere Demokratie, nicht unsere Freiheit, nicht unser Europa, nicht von ganz links und schon gar nicht von ganz rechts, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Rainer Rothfuß [AfD]: Das entscheidet der Wähler!)
Deshalb sollten wir über diese großen Fragen reden:
Erster großer Punkt: Frieden und Sicherheit. Europa, die Europäische Union, Deutschland, wir müssen mehr tun für unsere eigene Sicherheit, völlig unabhängig davon, wie die Wahlen in den USA ausgehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen mehr tun zur Stärkung unserer eigenen Verteidigungsfähigkeit, und wir sollten das tun im Zusammenhang mit einer umfassenden Sicherheit. Ja, wir brauchen mehr Handelsverträge; völlig klar. Aber wir brauchen auch Entwicklungszusammenarbeit. Da muss ich mich schon sehr wundern, was ich hier in den letzten Tagen und Wochen so hören musste.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir brauchen die Zusammenarbeit mit dem Globalen Süden. Anders geht es doch gar nicht.
Zweiter großer Punkt: Wir brauchen mehr Dynamik. Ja, wir haben viel erreicht mit dem Binnenmarkt – sehr viel. Wir brauchen so etwas wie einen Jacques-Delors-Plan 2.0; denn wir brauchen neue Dynamik, mehr Investitionen, mehr Innovationen, mehr Infrastruktur. Wir brauchen auch eine starke, proaktive Wirtschafts- und Industriepolitik. Denn eins ist doch völlig klar: Die Konkurrenz schläft nicht. Wir können doch den Chinesen und den Amerikanern nicht vorwerfen, dass sie an ihre Interessen denken. Wir in Deutschland und Europa müssen an unsere Interessen denken. Deshalb ist es gut, dass wir hier diese Debatte haben an diesem Tag, zwei Tage vor den Wahlen zum Europaparlament.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Jörn König [AfD])
Dritter großer Punkt: unsere Demokratie und der soziale Zusammenhalt. Es ist uns doch wohl völlig klar: Wenn wir besseren und nachhaltigen Klimaschutz und neue wirtschaftliche Dynamik organisieren wollen, dann geht das nur mit den Bürgerinnen und Bürgern, dann geht das nur mit starken Betrieben und Betriebsräten, dann geht das nur mit allen demokratischen Parteien. Das ist für mich völlig klar.
In den nächsten 48 Stunden wirbt natürlich jede Partei und jede Fraktion für sich selbst; das liegt in der Natur der Sache. Ich hoffe, dass am Wahltag die demokratischen Parteien und die demokratischen Abgeordneten in Mehrheit in das Europäische Parlament Einzug halten. Ich hoffe, dass nach dem Wahltag die demokratischen Parteien und die demokratischen Abgeordneten strukturiert zusammenarbeiten. Denn eins kann ich für meine Fraktion, für die deutsche Sozialdemokratie klipp und klar erklären: Mit Rechtsradikalen, Rechtsextremisten und Faschisten werden wir niemals zusammenarbeiten.
(Enrico Komning [AfD]: Wir auch nicht!)
Das machen wir seit 161 Jahren nicht. Das wird in den nächsten 161 Jahren auch nicht passieren.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Also, zusammengefasst: Mit allem Selbstbewusstsein und aller Zuversicht – unser Europa wird frei und demokratisch bleiben.
(Zuruf des Abg. Enrico Komning [AfD])
– Da können Sie rufen, was Sie wollen. Dass Sie gegen Europa sind
(Enrico Komning [AfD]: Wir sind gegen die EU, nicht gegen Europa!)
und dass Sie gegen den Euro sind, das wissen wir seit Langem. Sie nehmen lieber Rubel.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Tino Chrupalla.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7612144 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zur aktuellen Europapolitik |