07.06.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 173 / Zusatzpunkt 7

Markus TönsSPD - Handels- und Außenwirtschaftsbeziehungen der EU

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, lieber Kollege Spahn, lassen Sie mich zunächst einmal etwas Positives sagen. Dass Sie einen Gesetzentwurf geschrieben haben, der sich damit beschäftigt und beschreibt, dass die Verhandlungskompetenz auf der europäischen Ebene liegt, ist ja schon ein Fortschritt gegenüber den Anträgen, die wir in den letzten Monaten hier behandelt haben, bei denen Sie immer vergessen hatten, zu erwähnen, dass eigentlich nur die Europäische Union über Handelsverträge verhandelt

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Europa fällt vom Himmel, oder was? – Jens Spahn [CDU/CSU]: Genau! Deswegen ratifizieren wir die hier!)

und das nicht Aufgabe des Bundestages ist. Die Aufgabe des Bundestages ist die Ratifizierung; da haben Sie recht. Aber Sie sind lernfähig; das ist schon mal ganz gut.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Damit kann man arbeiten; das will ich an der Stelle auch sagen.

Aber ich will noch einen Hinweis geben, weil Sie sich fast drei Viertel Ihrer Redezeit nicht mit Ihrem Gesetzentwurf beschäftigt haben, sondern eher damit, zu beschreiben, wie schlecht diese Ampel sei und alles das, was sie macht.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja, das ist ja auch notwendig! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Deshalb machen wir den Gesetzentwurf!)

Das ist das, was Sie immer machen: Sie lamentieren, reden dieses Land schlecht und haben keine Lösungsansätze.

(Beifall bei der SPD)

Und dieser Gesetzentwurf ist nun wirklich kein Lösungsansatz; das will ich mal sagen.

Die alte Leier von Mercosur kann ja mittlerweile hier auch schon keiner mehr hören.

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wenn Sie über Mercosur schon als „alte Leier“ reden, dann sagt das ja alles! Es sagt alles!)

– Das gefällt Ihnen jetzt nicht, aber das muss ich Ihnen leider mal sagen, Herr Spahn. – Es ist, wie es ist: Mercosur ist noch nicht zu Ende verhandelt. Das macht nicht die Bundesrepublik Deutschland,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Es wäre gut, wenn sie es machte!)

das macht nicht der Bundeswirtschaftsminister, sondern das macht die Europäische Union.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie machen Deutschland so klein wie Luxemburg!)

Die Verhandlungspartner aufseiten von Mercosur – Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay – haben auch Eigeninteressen, über die wir reden müssen. Wenn wir wirklich guten Klimaschutz erreichen wollen – das ist auch das Ziel von Handelsverträgen –, dann heißt es auch hier: Ordentlichkeit und Gründlichkeit gehen vor Schnelligkeit. Das muss man auch mal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist erfreulich, dass Sie Handelsabkommen schnell voranbringen wollen. Das wollen wir auch. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat gesagt, dass er sich mehr und schnellere Abschlüsse wünscht. Ich glaube, das ist auch richtig. Beschleunigung darf aber nicht auf Kosten der Gründlichkeit gehen. Das muss man an dieser Stelle auch mal sagen.

Ich finde, was in Ihrem Gesetzentwurf ein bisschen fehlt, ist der Anspruch von Transparenz. Wir brauchen Transparenz in diesen Verfahren gerade deshalb, weil wir ja erlebt haben, wie Abkommen teilweise auch verhetzt werden können.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja, von wem denn?)

Wir haben doch bei der CETA-Debatte erlebt, was auf den Straßen los war. Menschen haben dagegen demonstriert.

(Jens Spahn [CDU/CSU: Ja, wer denn?)

Man musste sehr genau aufklären, was in diesem Vertrag steht und was nicht drinsteht. Deshalb ist es wichtig, wenn man so etwas macht, dass man es auch ordentlich macht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es allerdings eigenartig – das muss ich Ihnen jetzt an dieser Stelle auch mal sagen –, dass Sie bei diesem Gesetzentwurf das Omnibusverfahren angewendet haben. Das muss man vielleicht ein bisschen erklären. Wer es jetzt noch nicht mitbekommen hat: Es ist ein Gesetzentwurf, in dem gleichzeitig sechs verschiedene Abkommen durch die Bundesrepublik Deutschland ratifiziert werden sollen. Das ist schon ein ziemlich eigenartiges Verfahren, muss ich sagen. Da geht es um unterschiedliche Regionen und auch um unterschiedliche Verträge, die man sich erst mal sehr genau angucken muss

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Deswegen hat die Bundesregierung die Dinge auch zusammengefasst!)

und bei denen man auch sehr differenziert vorgehen muss. Ich finde, das muss man deutlich machen, und dem muss man auch Rechnung tragen; denn es gibt Hindernisse in den verschiedenen Abkommen, die noch nicht aus dem Weg geräumt sind. Beispiel Vietnam: Das Land hat bestimmte ILO-Kernarbeitsnormen noch nicht ratifiziert, obwohl das mit ihm vereinbart ist. Wir sollten tunlichst schauen, dass das passiert. Andere Bereiche wie der Kfz-Sektor sind ebenfalls noch nicht abschließend geregelt.

Jetzt kommen wir mal zu Ihrem Gesetzentwurf. Sie haben, wie ich finde, sehr fleißig einen umfassenden Gesetzentwurf geschrieben, in dem Sie sechs Handelsverträge behandeln. Was Sie dabei in Artikel 1 Ihres Gesetzentwurfs ein bisschen vergessen haben – das hätten Sie mit aufnehmen sollen; es ist aber nur eine kleine Fleißarbeit –, ist, dass das Abkommen mit der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika im Oktober 2016 vorläufig in Kraft getreten ist. Übrigens: Vorläufiges Inkrafttreten ist völkerrechtlich ganz normal. Das gibt es seit dem Westfälischen Frieden, falls die Frage aufkommt. Der ist schon ein paar Jahrhunderte her, aber weiterhin in Kraft. Das genannte Abkommen ist übrigens nicht nur von Deutschland bisher nicht ratifiziert worden, sondern auch von Belgien, Bulgarien, Dänemark, Irland, Italien, Frankreich, Zypern, Malta, den Niederlanden, Österreich, Polen, Slowenien, der Slowakei und Schweden nicht. – Das ist nur ein Beispiel.

In Artikel 2 wird die Vertragspartei Zentralafrika genannt. Das ist wirklich spannend. Das ist ein interessantes Abkommen. Bisher gibt es nur mit Kamerun eine vorläufige Anwendung des Abkommens seit 2014. Gabun, Kongo, die Zentralafrikanische Republik, die Demokratische Republik Kongo, São Tomé und Príncipe sowie Äquatorialguinea haben noch nicht mal unterzeichnet. Solange das nicht unterzeichnet ist, können wir hier doch gar nichts ratifizieren. Ich meine, man muss doch mal über die Rahmenbedingungen reden.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Genau!)

Wir wollen das ratifizieren, aber derzeit ist es nicht möglich.

Dann gibt es ein Interims-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Ghana, das seit 2016 vorläufig angewendet wird und in Artikel 3 Ihres Gesetzentwurfs genannt wird. Auch da haben wir das Problem: Seit Juli 2021 beginnt Ghana mit der Liberalisierung des Zugangs zu seinem Markt für 80 Prozent des Gesamtvolumens der EU-Exporte. Ratifiziert hat es bisher so gut wie kein europäisches Land, weil es auch hier gilt, Probleme auszuräumen.

Ich habe die vielen, vielen Abkommen jetzt erwähnt; ich könnte noch weitermachen. Es macht keinen Sinn, sie in einem Gesetzentwurf zu ratifizieren. Es macht schlichtweg keinen Sinn.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das schlägt doch die Bundesregierung selbst vor!)

Wir sind dafür, die Abkommen zu ratifizieren. Das werden wir auch machen. Im Übrigen ist es uns in der Ampel gelungen, CETA zu ratifizieren. Das ist in der Großen Koalition mit Ihnen ja auch nicht möglich gewesen; das darf man an dieser Stelle, glaube ich, auch sagen.

Jetzt kommen wir zu einem anderen Punkt. Ich bin der Überzeugung, diese Abkommen sollten nicht miteinander vermengt werden. Wir sollten uns das sehr genau angucken, und wir werden das ordentlich machen. Außerdem müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Bürger und die NGOs ausreichend informiert werden. Das muss bei einigen Abkommen noch passieren. Da sind wir wieder beim Punkt Transparenz. Ich weiß gar nicht, warum es Sie stört, dass wir das in dieser Koalition nacheinander abarbeiten. Ich kann Ihnen garantieren, dass das alles völkerrechtlich unbedenkliche Abkommen sind. Eine vorläufige Anwendung bedeutet: Das Abkommen wird angewendet, es geht nichts verloren.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Es geht nichts voran! Das ist das Problem!)

Kamerun zum Beispiel beginnt schon, den Zugang zum Markt für EU-Produkte zu liberalisieren.

Ich will noch etwas sagen: Am Ende des Tages wird diese Koalition auch weitere Abkommen ratifizieren, wenn sie denn ordentlich unterzeichnet und zu Ende verhandelt sind. Da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Dann werden wir auch bei Mercosur zu einem Erfolg kommen. Ich glaube, Ende des Jahres werden wir da ein Verhandlungsergebnis haben.

Vielen Dank. Glück auf!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Dr. Malte Kaufmann.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7612169
Wahlperiode 20
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Handels- und Außenwirtschaftsbeziehungen der EU
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