Sebastian RoloffSPD - Handels- und Außenwirtschaftsbeziehungen der EU
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir widmen uns hier ja mit großer Freude jede Woche den Vorlagen der Union,
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das nennt sich parlamentarische Arbeit!)
die immer mal wieder schlecht zusammengeschludert sind. So oft, wie wir hier gemeinsam diskutieren, habe ich nicht das Gefühl, dass wir uns nicht Ihren Argumenten widmen.
Ich muss schon sagen, Frau Klöckner – bei aller persönlichen Wertschätzung –: Das Thema Handelspolitik ist zu wichtig,
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: … als dass es ins Parlament kommt!)
als hier diesen Gesetzentwurf hinzurotzen,
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: „Rotzen“? Sagen Sie, wie reden Sie denn?)
muss man fast sagen, und solche Parolen abzulassen. Es könnte ein bisschen seriöser sein – dafür wäre ich wirklich dankbar; dann können wir gerne über die Details der Handelsabkommen streiten –, aber nicht so, wie Sie das hier machen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Reinhard Houben [FDP])
Billig punkten seitens der Opposition, das kann man gerne machen, aber nicht so.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ihr seid echt auf dem Weg zu 5 Prozent in Sachsen mit dieser Haltung! Wer so abkackt, sollte vielleicht mal nachdenken! 14 Prozent am Sonntag!)
Handel ist ein integraler Bestandteil unserer globalisierten Welt. Wir haben auch schon gehört, warum es besonders für Deutschland als Exportnation wichtig ist, dass wir stabile Beziehungen haben. Handel schafft Wohlstand, fördert Innovationen, stärkt die Beziehungen zwischen den Nationen. Wir müssen aber natürlich auch sicherstellen, dass die Vorteile des Handels gerecht verteilt sind. Die Nationen werden nicht mehr einfach nur glücklich sein, dass sie mit uns handeln dürfen. Man lässt sich nicht mehr ausbeuten. Die Zeiten ändern sich. Sie sehen ökologische Standards, soziale Standards, Partnerschaften auf Augenhöhe offensichtlich als Hemmnisse;
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Wo steht das denn?)
aber das ist nicht mehr realistisch. Die Welt hat sich geändert. Dem muss man Rechnung tragen. Deswegen muss man sauber verhandeln und ein Abkommen sauber ins Ziel bringen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bestes Beispiel dafür ist CETA. Ja, das war vor einigen Jahren noch nicht abschlussfähig. Diese Bundesregierung hat die Bedenken berücksichtigt und es hinbekommen. Es gab einen wichtigen und langen Austausch mit allen Stakeholdern,
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ihr habt etwas verhandelt, was bis heute nicht in Kraft ist!)
und dann war das Abkommen für alle Beteiligten mehrheitsfähig. Wir haben es ins Ziel gebracht.
Sie müssten auch zur Kenntnis nehmen – noch mal: Ich gönne Ihnen Ihre billigen Punkte –, dass sich bei Mercosur die politische Situation sowohl in Südamerika als auch teilweise in der EU im Rahmen des Diskussionsprozesses deutlich verändert hat. Darauf muss man sich einstellen. Man muss konkret bis zum Abschluss verhandeln und darf nicht einfach sagen: Wir ratifizieren jetzt alles blind. Dann wird alles gut.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mit Blick auf diese zwei Abkommen müssen wir sagen: Es ist klar, dass auch die Bevölkerung vom Wert von Handelsabkommen überzeugt werden muss. Sie kennen die Bedenken bei TTIP, sie kannten die Bedenken bei CETA. Das war in der Vergangenheit nicht immer so bei diesen Abkommen. Dementsprechend bin ich auch sehr froh, dass die Ampelregierung im Koalitionsvertrag ausdrücklich festgehalten hat, dass sie die Mercosur-Ratifizierung vornimmt, wenn sichergestellt ist, dass wir umsetzbare und überprüfbare, rechtlich verbindliche Verpflichtungen zum Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsschutz haben und insbesondere praktisch durchsetzbare Zusatzvereinbarungen zum Schutz und Erhalt bestehender Waldflächen. Das sind große Sorgen der Menschen, sowohl hier als auch in Südamerika. So geht „Handelspolitik mit Werten“. Da wird nicht einfach hingeklatscht, und dann wird es schon irgendwie funktionieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: 20 Jahre!)
Die Ampel hat diese Strategie
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Strategie?)
schon im November 2022 mit den Eckpunkten für die Weiterentwicklung der Handelsagenda, kurz nach dem Abkommen des Abschlusses mit Neuseeland zum Beispiel, deutlich gemacht. Der Bundeskanzler – das ist schon gesagt worden – widmet sich insbesondere einer Region, die die ehemalige Bundeskanzlerin, die ja in Ihren Reihen zu verorten ist, eher vernachlässigt hat. Er war allein in den ersten beiden Jahren der Kanzlerschaft dreimal in Afrika zu Gesprächen; Herr Kollege Töns hat das schon erwähnt.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Werden Sie jetzt dem Abkommen zustimmen oder nicht?)
Da ging es auch um eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen und um Kooperationen im Energiebereich. Es kann ja niemand ernsthaft bestreiten, dass das in dem Bereich nicht besonders wertvoll ist. Die Bundesregierung und die Fraktionen tragen das. Wir wollen die Beziehungen zu den Ländern des afrikanischen Kontinents stärken und die wirtschaftlichen Bemühungen ausbauen. Auch deswegen gab es den Compact-with-Africa-Gipfel im Kanzleramt auf G-20-Basis. Dort wurden schon konkrete Punkte beschlossen.
Das heißt, mit grundsätzlichen Ankündigungen kommt man nicht so weit. Man muss auch konkret vorangehen, wie wir es zum Beispiel durch die Erleichterung von privaten Investitionen durch günstige Garantiekonditionen oder eine bessere Start-up-Förderung getan haben. Das hilft der Wirtschaft und auch der Diversifizierung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege, wollen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Spahn zulassen?
Sehr gerne.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Dann kommt ein bisschen Niveau rein!)
Herr Kollege Roloff, vielen Dank. – Ich habe eine ganz einfache Frage, weil ich aus den Reden seitens der Koalition bisher nicht schlau geworden bin.
(Christian Petry [SPD]: Es gibt zwei Möglichkeiten, warum!)
Das Kabinett hat tatsächlich am 15. Mai vorgeschlagen, mehrere Handelsabkommen in Bundestag und Bundesrat zu ratifizieren. Ganz einfache Frage: Werden die Ampelfraktionen zu diesen Abkommen hier im Deutschen Bundestag zügig Ja sagen? Das kann man ganz einfach beantworten: Ja oder nein.
Wenn die Voraussetzungen, die ich gerade genannt habe, erfüllt sind, ja.
(Lachen der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])
Also, das Bundeskabinett hat das beschlossen, und Sie werden jetzt noch ein Aber dranmachen und hier nicht zügig Ja oder Nein sagen. Habe ich das richtig verstanden?
Ich helfe Ihnen gerne noch einmal. Wir müssen uns das schon anschauen und ratifizieren nicht einfach mit Copy-and-paste alles – „rubber-stamp“, wie man in UK sagt. Wir schauen uns das konkret an, haben aber den festen Willen, das gemäß den Standards, die ich gerade genannt habe, abzuschließen.
Das waren jetzt schon zwei Zwischenfragen
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aber sehr erhellend! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Aber sehr erhellend! Wir sind dankbar!)
und ein kleiner Dialog, der nicht zulässig ist. – Jetzt geht es in der Rede weiter.
Ich freue mich. Ich helfe immer gerne. – Danke schön, Frau Präsidentin. – Beim Thema Rohstoffe haben wir besonders schmerzhaft festgestellt, dass gerade die Diversifizierung von Lieferketten relevant ist, weil es sonst zu großen Abhängigkeiten und damit zu großen Schwierigkeiten führen kann. Daher ist es wichtig, dass die Bundesregierung darauf einen Schwerpunkt setzt, gerade auch in der Handelspolitik.
Es ist aber auch klar, dass sich die Länder nicht einfach – das ist ein sehr plastisches Beispiel – ausrauben lassen, sondern selber von ihren Bodenschätzen, von ihrem Rohstoffreichtum profitieren wollen und zum Beispiel die erste Verarbeitung vor Ort vornehmen wollen. Damit können sie dann Arbeitsplätze und Wohlstand in der Region schaffen. Das ist sinnvoll, geht aber eben nicht, indem man hier einfach etwas hinklatscht, sondern man muss es machen. Dann kann es eine wirklich klassische Win-win-Situation werden, wie im schon genannten Energiebereich, zum Beispiel beim Thema Wasserstoff. Deswegen sind wir sehr dankbar, dass die Bundesregierung die EU-Afrika-Initiative für grüne Energie bis 2030 mit 4 Milliarden Euro unterstützt. Das ist beispielgebend; so muss es weitergehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Für uns ist immer klar, dass ohne freien Handel Fairness nicht zu erreichen ist, wir aber auch Standards, entsprechende Wettbewerbsbedingungen und Werte und die Unterstützung durch die Bevölkerungen brauchen. Deswegen kann man nicht pauschal sagen: „Jawohl, wir machen das; es ist ein Zweck an sich“, sondern müssen es so machen, dass wirklich alle Beteiligten dabei sind und es eine qualitativ gute Regelung ist.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ich dachte, die EU ist zuständig! Warum seid ihr denn da schlauer? Eins von beiden kann ja nur richtig sein! – Gegenruf des Abg. Markus Töns [SPD]: Schlauer sind wir immer!)
Das ist der Unterschied. Deshalb ist es gut, dass wir regieren und nicht Sie.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort für Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt Dr. Sandra Detzer.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Jetzt erfahren wir, ob es Zustimmung gibt!)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Electoral Period | 20 |
Session | 173 |
Agenda Item | Handels- und Außenwirtschaftsbeziehungen der EU |