07.06.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 173 / Zusatzpunkt 8

Stephan ThomaeFDP - Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen

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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In Deutschland darf eine Ehe nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden, in Ausnahmefällen schon ab 16 Jahren – so steht § 1303 BGB –, und das ist auch richtig und gut so. Denn Kinderehen stellen einen massiven Eingriff in ein selbstbestimmtes Leben dar, gehen oft einher mit sexualisierter Gewalt, mit Unterdrückung, Chancenlosigkeit und Abhängigkeit, ganz zu schweigen von dem teilweisen Verlust der Kindheit. Auch besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Schule nicht ordentlich abgeschlossen wird oder dass Mädchen schwanger werden. Eine Schwangerschaft ist übrigens die häufigste Todesursache bei Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren. Deswegen hat Bundesjustizminister Dr. Buschmann bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfes klargestellt, dass Kinderehen mit unserer Werteordnung nicht vereinbar sind.

Nun hat im Jahr 2016 in einer vielbeachteten Entscheidung das OLG Bamberg eine Ehe zwischen einer Minderjährigen und einem Volljährigen anerkannt, weil die Ehe in Syrien nach dortigem Recht geschlossen worden war. In dieser Gemengelage hat die damalige Große Koalition damals das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen beschlossen. Nach diesem Gesetz sollten im Ausland geschlossene Ehen automatisch unwirksam sein, wenn einer der Partner zum Zeitpunkt der Eheschließung noch unter 16 gewesen ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 1. Februar 2023 dieses Gesetz für verfassungswidrig erklärt und festgestellt, dass der Gesetzgeber zwar befugt sei, die inländische Wirksamkeit von im Ausland geschlossenen Ehen von einem Mindestalter der Beteiligten abhängig zu machen, aber es brauche in diesem Fall Regelungen über die Folgen der Unwirksamkeit – vor allem Unterhaltsansprüche –, weil ansonsten, wenn eine solche Ehe als unwirksam angesehen werde, der minderjährige Ehepartner auch Schutzansprüche verliere, etwa unterhaltsrechtlicher Art. Und zum Zweiten, so das Gericht, müsse den Beteiligten eine Möglichkeit offenstehen, dass nach Erreichen der Volljährigkeit auch nach deutschem Recht die Ehe als wirksam fortgeführt werden könne. Dazu hat das Gericht dem Gesetzgeber aufgetragen, bis zum 30. Juni 2024, also bis Ende dieses Monats, eine Neuregelung zu treffen. Und diesen Auftrag erfüllen wir heute.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Axel Müller [CDU/CSU]: Gerade so!)

Der Bundesjustizminister hat dem Parlament innerhalb der Frist eine sehr gute Lösung präsentiert, mit der wir Rechtssicherheit und Rechtsklarheit schaffen. Die mit unserer gemeinsamen Überzeugung verbundene Haltung, dass Kinderehen, die im Ausland nach dortigem Recht gültig geschlossen worden sind, unserer Wertvorstellung in eklatanter Weise widersprechen, bleibt im Gesetz erhalten. Eine Ehe, bei der eine Person bei Eheschließung noch minderjährig ist, also unter 16 Jahren, ist auch weiterhin unwirksam. In diesem Fall allerdings soll dann die betroffene Person künftig Unterhaltsansprüche nach unserem Reglement erhalten. Und: Eine Ehe Minderjähriger, die bei Eheschließung mindestens 16 Jahre alt waren – also über dieser Schwelle –, bleibt nach deutschem Recht wirksam, kann aber auch aufgehoben werden. Insofern bleibt alles bei der aktuellen Rechtslage.

Nun wird die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Möglichkeit neu geschaffen, dass eine unwirksame Minderjährigenehe geheilt wird, wenn beide Personen das wollen und die Volljährigkeit erreicht haben. Das heißt, es muss eine selbstbestimmte Entscheidung der beiden vorliegen, die mittlerweile volljährig geworden sind. Diese Fortsetzung müssen sie gegenüber dem Standesamt erklären.

Meine Damen und Herren, damit haben wir die Auflagen und Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts erfüllt. Wir sind fristgerecht dem Auftrag nachgekommen. Wir haben ein ausgewogenes, ausgeglichenes Gesetz geschaffen, das Rechtssicherheit und Rechtsklarheit herstellt, aber auch klarstellt, dass Kinderehen unseren Wertvorstellungen nicht entsprechen.

Ich werbe heute um Zustimmung zu diesem sehr guten Gesetz.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Thomae. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Susanne Hierl, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7612222
Wahlperiode 20
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen
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