Sonja EichwedeSPD - Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Kinder und Minderjährige sollen Kinder sein dürfen. Sie sollen sich frei zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten entwickeln können. Minderjährigenehen stehen diesem Ziel diametral entgegen. Sie beenden die Kindheit und gehen einher mit Pflichten und Abhängigkeiten. Es ist unsere Aufgabe, die Minderjährigen davor zu schützen. Deshalb sind solche Ehen bei uns in Deutschland auch unwirksam.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Um diesen Schutz aber vollkommen auszugestalten, ist es richtig und wichtig, dass wir als Gesetzgeber auch Folgen unserer Entscheidung regeln. Ebendies hat uns auch das Bundesverfassungsgericht aufgegeben. Mit dem heutigen Gesetz reparieren wir nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom letzten Sommer ein Gesetz der Vorgängerregierung, da Unterhaltsansprüche und Heilungsmöglichkeiten bei Volljährigkeit in dem vormaligen Gesetz fehlten. Diese schaffen wir nun aus sehr, sehr guten Gründen.
Dem Grunde nach haben wir uns dabei für die Beibehaltung der Unwirksamkeitslösung entschieden. Denn nachdem wir uns ganz intensiv mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auseinandergesetzt haben und wir selbstverständlich auch Alternativen wie die Aufhebungslösung diskutiert haben, die rechtsdogmatisch sicherlich die sauberere Lösung gewesen wäre, haben wir uns aber auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezogen, nach dem das Kindeswohl mit einer Aufhebungslösung eben gerade nicht in gleich geeigneter Weise geschützt worden wäre. Denn das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Minderjährigen bei der Aufhebungslösung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung durch die Gerichte ehelich gebunden wären. Und bis zu einer solchen Entscheidung können Jahre vergehen; aber dieser Zustand wäre ja gerade vor dem Hintergrund des Schutzes der Kinder unhaltbar gewesen.
In der Sachverständigenanhörung wurde zudem auch deutlich, dass ein dann notwendiger Prozess für viele Mädchen eine große Belastung dargestellt hätte, da sie sich in diesem öffentlich gegen die Ehe und auch gegen die Entscheidung der Familie hätten bekennen müssen.
Die Unwirksamkeit ist darum der geeignetere Weg. Darin haben uns auch die Jugendämter, Beratungseinrichtungen und Kinderschutzverbände, die mit den Kindern selbst arbeiten, bestärkt. Von daher ist es, denke ich, ein sehr guter Gesetzesvorschlag, den wir hier heute diskutieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Abschließend möchte ich aber noch mal auf mehrere Punkte aus der Anhörung und auch auf Punkte, die Frau Hierl gerade angesprochen hat, eingehen. Es ist nämlich mitnichten so, dass wir uns nicht intensiv damit auseinandergesetzt hätten.
Zum einen wurde eine Beratung vor der neuen Eheschließung sehr intensiv gefordert, um über die Folgen einer Ehe aufzuklären. Dies wäre aber auch vor dem Hintergrund schwierig, dass es bei anderen Eheschließungen in Deutschland keine entsprechende Beratungspflicht gibt und es hier quasi einen Neuschluss der Ehe gäbe. Eine entsprechende Beratungspflicht wäre wahrscheinlich mit Artikel 6 des Grundgesetzes kaum zu vereinbaren. Vielmehr ist aber bei jeder Eheschließung, gerade auch bei einer Heilung der Minderjährigenehe, eine Überprüfung notwendig, ob eine Zwangssituation vorliegt. Dabei können die Standesbeamten auch getrennte Befragungen der Verlobten durchführen. Das wird hier sicherlich auch dann entsprechend notwendig sein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zudem werden die Minderjährigen auch über die unwirksame Ehe aufgeklärt; denn unbegleitete Minderjährige werden nach Einreise von den Jugendämtern in Obhut genommen. Ein Vormund wird bestellt. Dann wird auch die Situation besprochen, es werden Beratungsmöglichkeiten und Wege aus der Situation aufgezeigt.
Intensiv diskutiert haben wir auch abstammungsrechtliche Regelungen. Diese lassen sich jedoch über eine Anerkennung oder eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft erreichen. Wenn wir hier eine Gleichsetzung mit der Ehe hätten, hätten wir auch eine Gleichsetzung mit dem automatischen Sorgerecht des rechtlichen Vaters – den wir ja von vornherein nicht anerkennen – mit allen inhärenten Rechten, und damit gäbe es weniger Minderjährigenschutz. Von daher haben wir uns auch hier dagegen entschieden.
Ebenso ist es beim Erbrecht. Mit Fragen wie der einseitigen Unwirksamkeit und dem Kollisionsrecht haben wir uns intensiv auseinandergesetzt. Wir haben die Erörterung und Erwägungen alle in den Ausschussbericht mit aufgenommen, um den Willen des Gesetzgebers zu dokumentieren. Die Evaluationsklausel – sie wurde angesprochen – haben wir mit aufgenommen, um zu gucken, ob die damit verbundenen Regelungen auch tatsächlich dem Kindeswohl genügen. Sonst müssen wir hier –
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
– selbstverständlich nachbessern. Ich werbe um Zustimmung für diesen wichtigen, guten, ausgewogenen Gesetzentwurf.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin Eichwede. – Nächster Redner ist der Kollege Gereon Bollmann, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7612224 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen |