07.06.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 173 / Zusatzpunkt 8

Axel MüllerCDU/CSU - Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen

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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 75 Jahre Grundgesetz sind auch 75 Jahre Schutz für Ehe, Familie und Kinder durch den Artikel 6. Nicht nur die Ehe als Institution, sondern auch das Recht, selbst zu entscheiden, mit wem die Ehe eingegangen wird, sind grundrechtlich geschützt. Das folgt auch aus der Erfahrung mit dem Rassenwahn der Nazis, die es unter anderem verboten hatten, dass Juden Nichtjuden heiraten.

Eheschließungsfreiheit besteht jedoch nur dann, wenn es sich um eine autonome, selbstbestimmte Entscheidung handelt und die Ehe nicht beispielsweise auf Druck der Eltern eines Ehepartners oder beider Ehepartner zustande gekommen ist. Bei Minderjährigen bestehen aufgrund ihrer Entwicklung berechtigte Zweifel an dieser Autonomie. Daher hat der Deutsche Bundestag 2017 beschlossen, dass in Deutschland eine Ehe unwirksam ist, wenn eine der beiden Parteien bei der Eheschließung noch keine 16 Jahre alt war, und zwar auch dann, wenn die Ehe im Ausland nach dort geltendem Recht wirksam geschlossen worden sein sollte.

In einem Rechtsstreit – der ist angesprochen worden – um die Rechtswirkung einer in Syrien geschlossenen Ehe, in der ein Ehepartner minderjährig war, hegte der Bundesgerichtshof jedoch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser von uns getroffenen Regelung und legte die Sache zur Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vor. Im Februar 2023 erklärte dieses, dass die Rechtsgrundlage der Eheunwirksamkeit in Artikel 13 EGBGB unvereinbar sei mit Artikel 6 des Grundgesetzes. Es betonte jedoch ausdrücklich, dass es dem Gesetzgeber freistehe, die Unwirksamkeit solcher Ehen kraft Gesetzes festzustellen – da muss man die Entscheidung schon genau lesen –, insbesondere wegen des in aller Regel bestehenden Machtgefälles zwischen volljährigem und kindlichem Ehepartner, das auch dann gelten würde, wenn man Letzterem die Bürde auferlegen würde, sich an einem anschließenden Eheaufhebungsverfahren im Einzelfallprüfungsverfahren beteiligen zu müssen.

Das Bundesverfassungsgericht war somit nicht der Auffassung, dass all das, was wir da gemacht haben, bar jeder Grundlage im Grundgesetz sei,

(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Habe ich auch so nicht formuliert!)

sondern es hat gesagt, es sei im engeren Sinne ein Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit,

(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verfassungswidrig ist es trotzdem!)

wenn ein gesetzlicher Eingriff in die Autonomie vorgenommen wird, ohne die Auswirkungen insgesamt, „etwa“ den ehelichen Unterhalt betreffend, zu regeln. Und die Frist, bis wann das zu geschehen habe, endet am 30. Juni 2024; das wurde bereits gesagt.

Die Bundesregierung hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, der diese Unterhaltsansprüche regelt. Auf weitere aus dieser Eheunwirksamkeit folgende Rechtsfragen wie beispielsweise das Erbrecht oder das Abstammungsrecht von gemeinsamen Kindern gibt der Gesetzentwurf keinerlei Antworten.

(Zuruf von der SPD: Doch! In der Begründung!)

Die Kollegin Hierl hat auf die rechtlichen Begleiterscheinungen hingewiesen und die möglichen Probleme im weiteren Verfahren umfassend dargestellt; dem schließe ich mich uneingeschränkt an.

Um dem Erfordernis weiterer Rechtsklarheit durch entsprechende, aus unserer und sachverständiger Sicht – die Anhörung ist erwähnt worden – erforderliche Regelungen Rechnung zu tragen, haben wir Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, einen Entschließungsantrag vorgelegt, für den ich werben möchte.

Was uns die Ampelkoalition hier bezüglich der Rechtsfolgen vorlegt, ist eine Minimallösung, die ausschließlich die Regelung des Unterhaltsrechts beinhaltet. Im Rechtsausschuss war auch offensichtlich, Herr Kollege Limburg, dass es nur einen Minimalkonsens in dieser Koalition dafür gibt. Auf mehr konnte man sich auch nach mehr als einjähriger Beratungszeit zwischen den Koalitionspartnern nicht einigen. Da sich das Zeitfenster nun zum Ende des Monats schließt, ergriffen Sie den Strohhalm des Unterhaltsrechts und klammerten sich daran. Das ist nicht falsch, aber eben zu wenig.

Meine Damen und Herren von der Ampel, wir von der Union lassen Sie, wenn es darum geht, heute das rettende zeitliche Ufer zu erreichen, nicht im Stich und stimmen dem zu. Abschließend betone ich jedoch, dass es nach unserer Ansicht mehr bedurft hätte und nach unserer Ansicht mit der Union auch mehr möglich gewesen wäre, um ans wirklich sichere Ufer zu gelangen.

(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War ja offenbar mit der Union nicht möglich in der letzten Wahlperiode!)

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Esther Dilcher, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7612227
Wahlperiode 20
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen
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