Luiza Licina-BodeSPD - Zurückweisungen von Drittstaatenangehörigen
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Das ist wieder mal ein AfD-Antrag, der Folgendes deutlich macht: „Ahnungslosigkeit für Deutschland“, aber sicher keine Alternative.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Was Sie mit dem Antrag bezwecken, liegt auf der Hand: Populismus und Hetze; aber wirklich dramatisch ist vor allem die Unkenntnis der Rechtslage. Sie kennen offensichtlich nicht mal den Unterschied zwischen dem individuellen Asylgrundrecht nach Artikel 16a unserer Verfassung und dem internationalen Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der sich bei uns im Asylgesetz wiederfindet.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Hat er doch ausgeführt!)
Da Sie in Ihrem Antrag diverse Rücknahmeabkommen auflisten und die Bundesregierung auffordern, diese anzuwenden, möchte ich gern auf zwei Abkommen eingehen; denn offensichtlich haben Sie die nicht mal gelesen. Nur weil das Wort „Rückführung“ in der Überschrift steht, heißt das noch lange nicht, dass all Ihre Träume in dem Zusammenhang wahr werden.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Dass Sie nicht rückführen wollen, wissen wir!)
Diese Schlichtheit des Denkens überrascht mich bei der AfD nicht mehr wirklich.
(Johannes Schraps [SPD]: Nee, uns auch nicht!)
Das bilaterale Abkommen zwischen Polen und Deutschland, auf das Sie hier verweisen, ist in dem von Ihnen geschilderten Kontext völlig sinnfrei; denn es regelt technische Durchführungsbedingungen, die sich aus einem anderen Abkommen ergeben. Dieses Abkommen bezog sich 1993 auf die Änderung unserer Verfassung, als wir das individuelle Asylgrundrecht nach Artikel 16a GG eingeschränkt haben und die Drittstaatenregelung eingeführt haben. Das führt aber dazu, dass Einreisen von Asylsuchenden quasi nur noch auf dem Luftweg möglich sind, um das im Grundgesetz verankerte Asylgrundrecht wahrnehmen zu können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Das ist die Rechtslage! – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
In Ihrem Antrag geht es aber doch um Personen, die auf dem Landweg nach Deutschland kommen und Asyl beantragen. Diese Personen wollen Sie laut Ihrem Antrag gerne mittels dieser Abkommen zurückführen. Nur hat das mit Artikel 16a Grundgesetz wenig zu tun; denn demnach haben sie sowieso gar keinen Anspruch.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Bei diesem Personenkreis greift grundsätzlich die Genfer Flüchtlingskonvention und der internationale Flüchtlingsschutz.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wenn es denn mal Flüchtlinge wären!)
Wenn wir jetzt über die Genfer Flüchtlingskonvention reden, die in unserem Asylgesetz umgesetzt ist – so kann man das ausdrücken –, dann muss ich Sie auch darauf hinweisen, dass das multilaterale Abkommen unter anderem zwischen Deutschland und Belgien, das Sie hier bemühen, am Ende gar nicht anwendbar ist. Sie müssen einfach nur in Artikel 5 des Abkommens schauen, und dann werden Sie lesen, dass das Abkommen die Genfer Flüchtlingskonvention und ebenso EU-Recht unberührt lässt.
Falsch ist weiterhin, dass Asylverfahren nach § 18 Absatz 2 Asylgesetz nicht eröffnet werden müssen, wenn man über diese Abkommen geht. Sie müssen einfach mal genauer im Asylgesetz nachlesen. Es ist nämlich gerade so, dass die Dublin-III-Verordnung im Sinne von § 18 Absatz 4 Nummer 1 eine sogenannte Ausnahme darstellt, von der wir aufgrund des EU-Rechts Gebrauch machen müssen.
Am Ende ignorieren Sie aber auch die Arbeit, die in den letzten zwei Jahren hier im Parlament stattgefunden hat. Ich weiß nicht, ob Sie da überhaupt aufpassen. Die Europäische Union hat jetzt zehn Rechtsakte zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem verabschiedet. Asylsuchende werden zukünftig bereits an den Außengrenzen registriert werden. Es wird einen wirksameren Grenzschutz geben. Mit der neuen Verordnung zum Asyl- und Migrationsmanagement werden wir gerade das Dublin-III-Verfahren,
(Beatrix von Storch [AfD]: Das hat mit Management nichts zu tun!)
das in einigen Punkten kritisch zu sehen und schwer in der Umsetzung war, in einem Punkt erweitern. Wir haben nämlich einen Solidaritätsmechanismus eingeführt, der dazu führt, dass nicht nur die Anrainerstaaten am Mittelmeer die ganze Belastung tragen müssen.
(Zuruf des Abg. Dr. Christian Wirth [AfD])
Vielmehr wird der Migrationsdruck dann auch von den anderen EU-Mitgliedstaaten aufgefangen. Es erfolgt finanzielle Unterstützung, aber auch eine Unterstützung bei der Antragsbearbeitung, und es wird eine gerechtere Verteilung der Asylsuchenden in der Europäischen Union stattfinden.
(Beifall bei der SPD – Dr. Christian Wirth [AfD]: Das wird nie funktionieren! – Zuruf von der SPD: Sehr gut erklärt!)
Sie legen immer einen Schwerpunkt auf Asylsuchende, die geringe Aussicht auf Schutz in der Europäischen Union haben. Diese werden zukünftig ein rechtssicheres Asylverfahren an den Außengrenzen durchlaufen und im Falle einer Ablehnung von dort aus zurückkehren müssen.
Die umfassende Reform des GEAS stellt sicher, dass alle Mitgliedstaaten zum Asylmanagement beitragen und somit eine gerechtere Verteilung innerhalb der Europäischen Union stattfinden kann.
(Dr. Christian Wirth [AfD]: Das sollte heute schon sein! – Dr. Götz Frömming [AfD]: Sind Flüchtlinge eine Belastung, wenn man sie gerecht verteilen muss? Das ist ja auch mal interessant! Ich dachte immer, sie wären eine Bereicherung!)
Die neue Asylverfahrensverordnung wird voraussichtlich in zwei Jahren in Kraft treten. So lange haben die EU-Länder Zeit, diese in nationales Recht umzusetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss auch noch mal auf dieses Wording eingehen: Asyl zu beantragen, ist nicht illegal; das muss man einfach mal feststellen. Wir haben eine historische Verantwortung, weshalb wir das Asylgrundrecht auch in unsere Verfassung im Rahmen von Artikel 16a GG aufgenommen haben. Daher kann man an den Außengrenzen nicht einfach so zurückweisen. Für mich als Sozialdemokratin ist unstrittig, dass wir da unserer historischen Verantwortung gerecht werden müssen.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Nationales Recht! Menschenrecht! Immer gerade das, was einem passt! – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
In diesem Sinne lehnen wir Ihren Antrag natürlich ab. Schauen Sie mal rein in die Abkommen. – Ich wünsche uns allen schon mal ein schönes Wochenende.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Silke Launert, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7612240 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Zurückweisungen von Drittstaatenangehörigen |