Christoph HoffmannFDP - Aktuelle Stunde: Ukraine-Wiederaufbaukonferenz
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin Schulze! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fällt schwer, nach so einer geschichtsvergessenen Rede überhaupt wieder zur Sache zu kommen.
(Stephan Brandner [AfD]: Dann lassen Sie es doch einfach! – Johannes Schraps [SPD]: Das stimmt leider!)
„Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein.“ Das ist eine gebräuchliche Umschreibung von Willkür und Terror. Alle glaubten eigentlich, das sei zumindest zwischen den Staaten in Europa überwunden – bis zum 24. Februar 2022, als die Organisierte Kriminalität Russlands beginnt, seinem Brudervolk den Schädel einzuschlagen.
(Zuruf von der SPD: So ist es!)
„Die beste humanitäre Hilfe, die ihr leisten könnt, sind Waffen, Waffen, Waffen“, so formulierte es gestern Ivanna Klympush-Tsintsadze, die Vorsitzende des EU-Ausschusses in der ukrainischen Rada. Das stimmt, Waffen schützen. Viele Kraftwerke, Staudämme, Wasserwerke sind bereits getroffen. Jeden Tag gibt es diese russischen Kriegsverbrechen, nämlich Angriffe auf die Energieinfrastruktur, auf Schulen, Kindergärten, Wohngebäude und Fabriken.
Russland strebt systematisch die Zerstörung von Infrastruktur in der Ukraine an; überall im Land soll die Bevölkerung von Strom, Wasser und einem menschenwürdigen Leben abgeschnitten werden. Ohne zusätzliche Luftabwehr, ohne Artillerie, ohne gepanzerte Fahrzeuge wird es keine Sicherheit für einen dauerhaften Wiederaufbau geben können.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Johannes Schraps [SPD])
Wir haben gestern auf der Konferenz die eindrücklichen Schilderungen von Parlamentariern gehört, die 16 Stunden am Tag ohne Strom leben – kein Licht, kein Aufzug, in ständiger Gefahr, von den täglich 20 russischen Gleitbomben getroffen zu werden. Wenn wir hier nicht schnell und entschieden dagegenhalten, wird das nichts. Nicht zögern! „ All in“ ist das Gebot der Stunde; das müssen wir jetzt tun. Und ich hoffe stark, dass das allen hier im Hause nun klar ist – nehmen wir mal die extremen Linken und die extremen Rechten aus.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es geht zunächst mehr um Reparatur als um den ganz großen Wiederaufbau. Der ganz große Wiederaufbau hat einen Schadensumfang von etwa 450 Milliarden Euro. Ich glaube, der kann sicher erst nach einem Schweigen der Waffen wirklich angegangen werden.
Aber schon jetzt leisten über 200 kommunale Partnerschaften großartige, unbürokratische Arbeit bei der Kältehilfe, bei der Wiederherstellung von Wasser und Strom und beim Aufbau von Spielplätzen und Schulen. Das ist „hands-on“ durch Praktiker, zum Beispiel bei „Freiburg hilft Lwiw“. Deshalb an dieser Stelle ein Riesendankeschön an unsere Kommunen, die hier unbürokratisch helfen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die dritte Ukraine Recovery Conference – diesmal hier in Berlin – mit Tausenden von Teilnehmern aus aller Welt ist ein großer Erfolg und sendet wichtige Impulse. Sie vernetzt deutsche Unternehmen und Investoren mit den KMUs in der Ukraine, und ich glaube, das ist wichtig.
Aber was ist jetzt dringlich? Erstens: die Reparatur der Stromversorgung und gleichzeitig der Aufbau einer dezentralen Infrastruktur, die auch gegen Bombenangriffe viel resistenter ist. Hier hat Deutschland Know-how. Wir können Investitionen in Windkraft, Photovoltaik und Biogas leisten, damit ein russischer Bombenangriff nicht ganze Landstriche in Dunkelheit stürzt und Industrien zusammenbrechen. Mehr Licht in der Dunkelheit des Krieges!
Zweitens. Wir brauchen Finanzgarantien. Wir können den Wiederaufbau und die Reparaturen nicht komplett aus dem Haushalt des BMZ oder dem Bundeshaushalt bezahlen; das wäre eine echte Überforderung. Deshalb müssen wir Garantien ausgeben, damit Finanzen aus privaten Quellen kommen können und ermöglicht werden. Diese Garantien bietet die Bundesregierung bereits. Dafür herzlichen Dank! Doch angesichts des notwendigen Bedarfs ist der Deckungsrahmen noch nicht hoch genug. Hier gilt es, einerseits die europäische Absicherung auszubauen, aber auch den Business Development Fund weiterzuentwickeln
Drittens. Was ist prioritär? Wir müssen viel, viel schneller werden – in allen Entscheidungen, in allen Hilfen; denn dieser Krieg ist auch zu einem Systemwettbewerb geworden. Zeigen wir doch Putin, dass der Westen weit mehr erfinden und schneller sein kann als ein korrumpiertes, mafiöses System!
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir dürfen keine Angst bei Waffenlieferungen und beim Wiederaufbau haben; denn die Freiheit wird siegen. Die Ukraine Recovery Conference war dazu ein guter Auftakt. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass Russland diesen Eroberungsfeldzug nicht gewinnt und die Menschen in der Ukraine in Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung leben können!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Dr. Nils Schmid das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7612309 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 174 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Ukraine-Wiederaufbaukonferenz |