Nils SchmidSPD - Aktuelle Stunde: Ukraine-Wiederaufbaukonferenz
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viele von uns – ich jedenfalls – sind noch unter dem Eindruck dieser sehr bewegenden Rede von Präsident Selenskyj gestern Nachmittag in diesem Hohen Hause. Ich glaube, alle, die da waren, kommen nicht umhin, nicht nur den Mut der ukrainischen Bevölkerung und der ukrainischen Führung, die diesem furchtbaren Angriffskrieg Russlands seit mehr als zwei Jahren widerstanden haben, anzuerkennen; sie müssen auch konstatieren, dass die ukrainische Regierung den Respekt verdient, der einer demokratisch gewählten Führung zusteht. Nicht umsonst hat eine aus vielen Parteien besetzte Parlamentarierdelegation Herrn Selenskyj begleitet und auch an der Wiederaufbaukonferenz teilgenommen.
(Johannes Schraps [SPD]: Sehr richtig! – Derya Türk-Nachbaur [SPD]: Genau!)
Und es gilt, sich in Erinnerung zu rufen, dass Präsident Selenskyj die ganze Bandbreite an Unterstützung aus Deutschland, aus Europa und aus anderen Ländern der Welt gelobt und ausdrücklich dafür gedankt hat. Sie umfasst Militärhilfe, wirtschaftliche Hilfe, praktische Hilfe bei der Aufnahme von Flüchtlingen und diplomatische Hilfe bei der Vorbereitung von Gesprächsformaten in der Hoffnung, dass es tatsächlich auch zu Friedensgesprächen kommen kann.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jürgen Lenders [FDP])
Ich wage mal, anzumerken, dass in den knapp 20 Minuten, in denen er gesprochen hat, das Wort „Diplomatie“ häufiger gefallen ist als in manchen innerdeutschen Debatten der letzten Monate.
(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Es geht darum, diese drei Dimensionen – Politik bzw. Diplomatie, Militärhilfe und wirtschaftliche Hilfe – zusammenzubringen, damit sie Hand in Hand ineinandergreifen. Wir alle wissen, dass noch nicht der Moment für Verhandlungen gekommen ist. Deshalb sind Militärhilfen notwendig, und sie müssen auch verstetigt werden. Wir müssen die Munitionsfabrikation und die Luftverteidigung ausbauen.
Wir wissen aber ganz genau, dass wir auch während des laufenden Krieges ein wirtschaftliches Hoffnungszeichen setzen müssen,
(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)
dass, wo möglich und nötig, schon während der Kriegshandlungen Wiederaufbau mit Hilfe von uns allen stattfindet – natürlich bei der Wiederinstandsetzung der lebenswichtigen Infrastruktur, wie Energie, Kraftwerke, Stromnetze, Wassernetze usw., und natürlich auch beim Aufbau einer Rüstungsproduktion in der Ukraine. Und selbstverständlich geht es auch um die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen, auch mithilfe von ausländischen Investitionen.
Dies war das wichtige Signal, das von dieser Wiederaufbaukonferenz hier in Berlin ausgegangen ist. Und ich freue mich, dass die Bundesregierung mit Svenja Schulze dieses Signal durch die Zusagen, die sie heute auch noch mal darlegen konnte, deutlich verstärkt hat. Herzlichen Dank dafür!
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Eines ist klar: Dieser Durchhaltewillen, dieser unbedingte Durchhaltewillen des ukrainischen Volkes, er beweist sich selbstverständlich Tag für Tag an der Front und im Hinterland. Er beweist sich aber auch darin, dass viele Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer im Land geblieben sind und versuchen, ihren Mann bzw. ihre Frau an der Arbeitsstelle, in der Fabrik, in der Verwaltung, in den öffentlichen Diensten und in den sozialen Einrichtungen zu stehen. Denn dieses Hoffnungszeichen, dass es weitergeht mit dem Land, dass sich dieses Land im wahrsten Sinne des Wortes nicht zerschießen lässt, das macht doch die Eigenständigkeit und die Größe der ukrainischen Nation aus. Das sollten wir mit allen, auch mit erheblichen finanziellen Mitteln, in diesem Jahr und in den nächsten Jahren weiter unterstützen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Zum Schluss. Ich freue mich über eine Dimension, die auf dieser Wiederaufbaukonferenz von der Bundesregierung zum ersten Mal nach vorne gerückt worden ist – die ukrainischen Abgeordneten, die wir heute im Auswärtigen Ausschuss begrüßen durften, haben das auch noch mal ausdrücklich gewürdigt –: die lokale Dimension der Zusammenarbeit, die bewährten Städtepartnerschaften, aber auch die neuen Solidaritätspartnerschaften, die in allen Teilen Deutschlands entstanden sind und die sich jetzt in praktischer Hilfe in diesen schwersten Zeiten für die Ukraine bewähren.
Ich nenne ein Beispiel aus meinem Landkreis: Die Stadt Esslingen am Neckar hat eine solche Solidaritätspartnerschaft mit Kamjanez-Podilskyj in der westlichen Ukraine geschaffen. Da ging es nicht um große Unterzeichnungszeremonien oder darum, einen Riesenschüleraustausch aufzubauen. Das geht gerade alles gar nicht. Es ging um ganz praktische Dinge: dass Feuerwehrfahrzeuge dorthin geliefert werden, dass man hilft, die Basisinfrastruktur des öffentlichen Lebens auch auf kommunaler Ebene aufrechtzuerhalten.
Genau diese Zeichen tagtäglicher Solidarität bringen Deutsche und Ukrainer in diesen Stunden zusammen. Ich freue mich, dass wir auf eine breite Unterstützung bei diesen Solidaritätsleistungen hier im Hohen Hause zählen können.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Volkmar Klein das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7612312 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 174 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Ukraine-Wiederaufbaukonferenz |