14.06.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 176 / Tagesordnungspunkt 19

Thomas JarzombekCDU/CSU - Berufsbildungsvalidierungs- und Digitalisierungsgesetz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich vor einigen Monaten einen Betriebsbesuch bei einem Unternehmen der Bahnindustrie gemacht habe, erzählte mir die Unternehmerin von einem langjährigen Mitarbeiter, den sie traf, der, wie es dann heißt, am Gleis stand, und dass sie ihn fragte: Sag mal, was kannst du denn eigentlich? Und dann sagte er zu ihr: Ich kann nichts, ich bin nur Hilfsarbeiter. Dann sagte sie: Aber schau mal, dieses Gleis, auf dem der ICE jetzt fährt, das hast du doch gebaut. Du kannst doch was. Und er hat gesagt: Ich bin nur Hilfsarbeiter.

Mich hat das persönlich angefasst, weil wir an dem Beispiel sehen, dass es Menschen gibt – Lebenswege und berufliche Herangehensweisen sind unterschiedlich –, die nicht alle in denselben standardisierten Lebenslauf passen, den man sich vielleicht wünschen würde, die aber trotzdem was aus ihrem Leben machen, die was können und die auch eine Stütze für so ein Unternehmen sind. So jemand, der am Ende sein Leben lang bei so einer Firma gearbeitet, gute Arbeit geleistet hat, hat das Problem, dass er sich eigentlich kaum woandershin bewerben kann, weil eben dieser formale Abschluss fehlt.

Deshalb ist es gut und richtig, dass wir denjenigen, die keinen Abschluss haben, aber was können, die Möglichkeit geben, das auch zertifizieren zu lassen, und das ist das, was wir hier heute tun. Dieses Gesetz, das BVaDiG, das Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz, baut auf dem Programm „ValiKom“ aus unserer Regierungszeit auf, in dem wir in einem sehr anspruchsvollen Verfahren Menschen, die langjährige Berufserfahrung und wirkliche Kompetenzen und Qualitäten haben, das entsprechend zertifizieren, damit sie auch die Chance haben, zu wechseln und sich weiterzuentwickeln.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Takis Mehmet Ali [SPD])

Der Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf – mein Wahlkreis –, Andreas Ehlert, sagt immer: „Es kommt nicht darauf an, wo jemand herkommt, sondern, wo er hinwill“, und meint damit, was für eine Anstrengung man unternimmt, was zu können, was zu lernen und Leistung zu zeigen.

(Zuruf des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb treten wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion sehr dafür ein, dass wir die berufliche Bildung in Deutschland stärken. Wir müssen die duale berufliche Ausbildung, die ein absoluter Faktor für unseren wirtschaftlichen Erfolg, für unsere industrielle Qualität ist, stärken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Anja Reinalter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir sehen mit Sorge, dass gerade bei jüngeren Menschen nicht mehr alle selbstverständlich in die berufliche Ausbildung gehen.

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Ja!)

Wir haben eine hohe Zahl von jungen Menschen, die am Ende weder zur Schule gehen noch eine Ausbildung machen noch im Beruf sind. Und da müssen wir herangehen und überlegen: Was sind die richtigen Mechanismen, um junge Menschen davon zu überzeugen: „Investiere erst einmal in deine Ausbildung, bevor du ans Geldverdienen denkst!“?

Wir sehen auch, dass es eine Menge junge Menschen gibt, denen tatsächlich die Ausbildungsfähigkeit fehlt. Deshalb ist es für uns ein so wichtiges Thema in unserem Grundsatzprogramm – wir setzen das jetzt auch in den Bundesländern um, in denen wir die Schulminister stellen –, dass wir deutlich stärker schon im vorschulischen Bereich Basiskompetenzen – Lesen, Schreiben, Rechnen – vermitteln.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Denn das ist es, was wir am Ende aus der IQB-Studie und vielen anderen Untersuchungen lernen: Wenn in der Grundschule ein Viertel der Kinder nicht richtig lesen und schreiben kann, dann ist es am Ende auf den weiterführenden Schulen kaum noch möglich, diese Defizite wieder zu heilen. Und jemand, der sich für eine berufliche Ausbildung bewirbt und am Ende nicht einmal eine korrekte Bewerbung schreiben kann, hat natürlich ein ziemliches Problem. Ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung – meine Firma war Ausbildungsbetrieb –, dass man sich natürlich überlegt: Kann ich mit so einem jungen Menschen jetzt durch drei Jahre gehen? Können wir das? Kann er das?

Aus diesem Grunde ist es so wichtig, dass wir früher anfangen; denn wir sehen: Die Defizite entstehen eigentlich vor der Grundschule. Wir müssen gucken, dass kein Kind mehr ohne die Basiskompetenzen eingeschult wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist die entscheidende bildungspolitische Aufgabe, die sich hier in den nächsten Jahren stellt.

Natürlich ist das Thema Zuwanderung etwas, was diese Herausforderung größer macht. Wir sehen auch Familien von sogenannten Biodeutschen, bei denen zu Hause offenbar zu wenig gesprochen wird. Aber wir sehen natürlich auch viele Zugewanderte, die am Ende in die Schule kommen und die Sprache nicht richtig beherrschen, und da müssen wir ran.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir haben mit den Kammern gesprochen. Die Altersgrenze von mindestens 25 Jahren für dieses Verfahren, die unsere Bedingung dafür war, hier mitzugehen, wird eingehalten. Deshalb: Wir finden das ein gutes Vorhaben. Wir dürfen aber unseren bildungspolitischen Auftrag darüber nicht vergessen. Wir müssen etwas tun für die jungen Menschen in unserem Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Friedhelm Boginski [FDP])

Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Martin Rabanus.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7612918
Wahlperiode 20
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Berufsbildungsvalidierungs- und Digitalisierungsgesetz
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