Sonja EichwedeSPD - Digitalisierung der Justiz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!
(Stephan Brandner [AfD]: Deutsche demokratische Altfraktionen!)
Wir leben in einer digitalen Welt. Alle von uns bewegen sich im digitalen Raum. Dies bringt Freiheiten, es eröffnet neue Räume und neue Welten; es birgt ebenso Risiken und Gefahren. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir auch für den digitalen Raum Regeln haben, dass wir unseren Rechtsstaat, unsere Prozesse in der digitalen Welt in der digitalen Zeit verankern. Und das wird auch höchste Zeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Mit diesem Gesetz bringen wir unsere Verfahrensordnungen ins digitale Zeitalter. Wir machen unseren Rechtsstaat moderner, schlanker, effizienter. Das ist ein wichtiger Baustein bei all den Digitalisierungsvorhaben dieser Koalition in der Rechtspolitik. Dadurch erleichtern wir auch den Zugang zum Recht. Wir bauen Hürden sowohl für die Rechtsuchenden als auch für die Justiz ab. Das ist gut für unsere Bürgerinnen und Bürger, das ist gut für unseren Rechtsstaat, und das ist gut für die Demokratie in unserem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Konkret möchte ich auf zwei Punkte besonders eingehen.
In Zukunft können Strafanträge leichter gestellt werden. Zurzeit müssen Strafanträge, zum Beispiel wegen Sachbeschädigung oder Hausfriedensbruch, schriftlich und mit eigenhändiger Unterschrift gestellt werden. Das stellt im digitalen Zeitalter eine Barriere dar. Noch offensichtlicher wird dies bei Straftaten im Internet. Gerade in einer Zeit, in der viele Straftaten durch Hassrede, also durch digitale Gewalt, verübt werden, sollten wir für die Antragstellung kein Papier mehr verlangen. Zum einen ist das unzumutbar für die Personen, die diesen Straftaten ausgesetzt sind. Zum anderen schadet es unserem gesellschaftlichen Zusammenhalt, wenn die Verfolgung von Hasskriminalität im Internet nicht funktioniert. Denn Hasskriminalität ist ein Werkzeug der Ausgrenzung. Sie hat oft frauenfeindliche, rassistische und fast immer menschenverachtende Motive.
Dagegen müssen wir vorgehen. Hier dürfen wir die Betroffenen nicht alleine lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Deshalb streichen wir bei Strafanträgen das Erfordernis der Schriftform nach § 158 Absatz 2 StPO. Voraussetzung wird nunmehr, dass die Identität und der Verfolgungswille der antragstellenden Person aus der Erklärung und den Umständen ihrer Angaben deutlich ersichtlich wird. In Zukunft können Strafanträge demnach per E-Mail oder über ein Onlineportal gestellt werden. Wir halten es für den richtigen Weg, hierbei kein bestimmtes Formerfordernis vorzuschreiben; denn wir wollen verschiedene Wege der Antragstellung ermöglichen: von Videoaufzeichnungen in der Vernehmung bis hin zu Onlineportalen. Wir haben uns die Kritik und die Bedenken auch des Deutschen Richterbundes zu Gemüte geführt und darüber nachgedacht. Aber gerade in einer Zeit – ich sagte es bereits – mit mehr Hasskriminalität im digitalen Raum ist es wichtig, dass der Rechtsstaat hier ein Zeichen setzt und die Barrieren für die Betroffenen abbaut, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Katrin Helling-Plahr [FDP])
Lassen Sie mich von dieser Stelle aus eine Botschaft an alle betroffenen Personen senden: Lassen Sie diese digitale Gewalt, diesen Hass nicht über sich ergehen! Das sind Straftaten, die dort verübt werden. Sie sollten diese anzeigen; hiergegen kann vorgegangen werden. Organisationen wie zum Beispiel HateAid können Ihnen dabei helfen. Das brauchen wir für Sie als Betroffene, aber auch für den Zusammenhalt in unserem Land.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Katrin Helling-Plahr [FDP])
Ganz wichtig ist aber, dass wir bei der Bekämpfung von digitaler Gewalt in dieser Koalition nicht am Ende sind. Wir werden auch ein Gesetz gegen digitale Gewalt auf den Weg bringen und warten hier auf gute Vorschläge aus dem Justizministerium.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch auf einen zweiten Punkt eingehen. Wir haben immer betont, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist und dass wir als Gesetzgeber immer auch im Blick haben müssen, dass, wenn wir unsere Rechtsordnung anpassen, auch die Hinweis- und Schutzfunktionen bestimmter Erklärungen, vor allem empfangsbedürftiger Willenserklärungen, gewahrt sein müssen. Das ist zum Beispiel bei den sogenannten Schriftsatzkündigungen der Fall.
Am besten kann man das an einem Beispiel aus dem Arbeitsrecht erläutern: Eine Kündigung bedarf der Schriftform, und das ist auch richtig und wichtig so. Innerhalb von Arbeitsgerichtsprozessen, in denen sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber anwaltlich vertreten sind, ist eine Kündigung auch innerhalb eines Schriftsatzes möglich. Das ist auch richtig, da zum Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens der Arbeitnehmer vermutlich nicht mehr damit rechnet, dass sich der Arbeitgeber persönlich an ihn wenden wird. Von daher ist es richtig, dass der Anwalt mit dieser Kündigung kontaktiert wird, der auch schneller und sachgerechter darauf reagieren kann.
Da Anwälte mit dem Gericht aber schon seit einigen Jahren über das besondere elektronische Anwaltspostfach digital kommunizieren müssen, ist es gut, dass wir für den Fall einer Schriftsatzkündigung nun auch die Form angleichen, eben zu dem entsprechenden digitalen Schriftsatz. Um Arbeitnehmer/-innen jedoch vor einer Überraschung in einem Schriftsatz, der auch gut mal über 100 Seiten umfassen kann, zu schützen und hier einem möglichen Streit, wie es ihn früher gab, vorzubeugen, haben wir im parlamentarischen Verfahren entschieden, dass wir die Regelungen des § 130a ZPO und des § 46h Arbeitsgerichtsgesetz klarstellen und sagen, dass Kündigungen und auch andere Willenserklärungen in Schriftsätzen klar erkennbar sein müssen, um wirksam zuzugehen.
In der Gesetzesbegründung stellen wir zudem klar, dass dies der Fall ist, wenn es am Anfang des Schriftsatzes einen Hinweis gibt oder wenn das entsprechend fettgedruckt oder eingerückt ist; da gibt es viele Möglichkeiten. Aber in jedem Fall haben wir mit dieser Regelung mehr Rechtssicherheit für alle Parteien und mehr Erkennbarkeit für die Verfahrensbeteiligten und für die Justiz bei wesentlichen Erklärungen geschaffen. Das trägt zu einem fairen Verfahren bei und ist von daher eine wichtige Ergänzung dieses guten Gesetzes. Es ist ein bunter Strauß an Regelungen, für die ich um Zustimmung bitte, um unseren Rechtsstaat und unsere Verfahren erfolgreich weiter zu digitalisieren.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank. – Der nächste Redner ist Stephan Brandner für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7612955 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 176 |
Tagesordnungspunkt | Digitalisierung der Justiz |