Brian NickholzSPD - Nationaler Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit 2024
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Breilmann und ich kommen ja aus dem Wahlkreis Recklinghausen. Ich finde auch, NRW ist schon seit vielen Jahren Vorreiter. Wenn man in der Historie zurückblickt, weiß man, auf wen das zurückgeht. Wir sind dankbar, dass das durch die CDU nie zurückgenommen wurde. Das eint uns auf jeden Fall.
Mit dem letzten Satz haben Sie noch mal deutlich gemacht, was man an dieser Debatte vermisst. Wir sind viel zu sehr aufs Bauen fixiert – insbesondere über baupolitische Aspekte diskutieren wir –, obwohl es hier um wohnungs- und obdachlose Menschen geht, deren Belange – das haben Sie deutlich gemacht – komplex sind. Deswegen hätte ich mir einen stärkeren Fokus darauf gewünscht.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich danke vor allem der Ministerin, dass sie in ihrem Haus das Thema zur Chefinnensache gemacht hat. Das ist nicht selbstverständlich; das ist eine neue Prioritätensetzung, die es erst seit dieser Bundesregierung gibt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wohnungslosigkeit braucht mehr Aufmerksamkeit. Wohnungslose und obdachlose Menschen brauchen mehr Aufmerksamkeit, ihre Themen brauchen mehr Aufmerksamkeit, nicht nur in der Regierung, sondern auch hier im Parlament. Deswegen bin ich froh und dankbar, dass wir nach langer Zeit in der Lage sind, hier das Thema zu diskutieren.
Es wurde eingangs schon vieles dazu gesagt, warum der Nationale Aktionsplan wichtig ist. Natürlich enthält er einiges, was wir schon kennen. Wir fangen ja nicht bei null an. Wir haben extra alle Gruppen mitgenommen: die Wohnungswirtschaft, die Wohnungslosenhilfe, die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen, alle föderalen Ebenen von der Bundesregierung über die Länder bis zu den Kommunen, weil wir da alle an einem Strang ziehen müssen. Das ist so wichtig an dem Nationalen Aktionsplan. Es ist die erste bundesweite Strategie, die wir gemeinsam hier vereinbaren. Das ist weltweit auch gar nicht so verbreitet, wie man meinen könnte. Deswegen ist das ein wichtiger Meilenstein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der ganze Prozess war beteiligungsorientiert und umfasste eine Auftaktkonferenz, die Einbindung all der genannten Akteure, viele Schritte dazwischen, den Kabinettsbeschluss und das Nationale Forum letzte Woche, das eben deutlich gemacht hat: Ja, wir wollen dort zusammenarbeiten, ja, alle Ebenen wollen sich besser koordinieren; auch das ist ein wichtiger Fortschritt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Alle Themen sind in der nationalen Strategie enthalten: das Thema der Migration, das Thema der Wohnraumversorgung, aber auch soziale Aspekte; auch die Prävention ist klar adressiert. Ich wünschte mir, all diese Themen wären auch von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern in der Debatte deutlicher zur Sprache gebracht worden. Dazu gehört, wie die Kollegin Steinmüller sagte, die Gesundheitsversorgung, wo wir als Bund natürlich Kompetenzen haben, ob es um die Krankenkassenbeitragsschulden oder um den Zugang zur Gesundheitsversorgung geht. Oder gucken wir aufs Mietrecht: Wer, wenn nicht der Bund, ist verantwortlich, zu schauen, dass Prävention im Mietrecht stärker berücksichtigt wird?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Da geht es nicht darum, letzte Mittel wegzunehmen; da geht es um Menschenverstand, weil wir doch wissen, dass es ökonomisch viel mehr Aufwand bedeutet, jemanden wieder in eine Wohnung zu bringen, wenn er länger keine Wohnung mehr hatte, als ihn in dieser Wohnung zu halten. Wir müssen gemeinsam mit Vermieterinnen und Vermietern, nicht gegen sie, Möglichkeiten suchen. Sie können uns da auch nicht auseinanderdividieren. Wir haben extra darauf geachtet, dass wir mit Vermieterinnen und Vermietern an einem Tisch sitzen, weil wir sie als Teil der Lösung betrachten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ein anderer Punkt, den ich auch sehr wichtig finde und der in der Debatte leider oft nicht betrachtet wird, ist: Knapp 10 Prozent der von Wohnungslosigkeit betroffenen Männer verlieren durch einen Haftantritt ihre Wohnung. Auch dort haben wir eine Ungleichbehandlung. Wir haben ein Strafmaß, das durch unsere Rechtsprechung festgelegt ist, eine gerechte Rechtsprechung, die unterscheidet, ob ich vermögend bin und meine Wohnung in der Zwischenzeit halten und nach Verbüßung der Haftstrafe in diese Wohnung zurückkehren kann, oder ob ich, wenn ich dieses Vermögen nicht habe, im Nichts aufwache. Es gibt Hilfen, die aber oft nicht bekannt sind und nicht genutzt werden. Es gibt aber auch kein proaktives Handeln, um auf diese Menschen zuzugehen. Das ist eine soziale Ungerechtigkeit, die wir lösen müssen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist schade, dass niemand von der AfD mit nach Finnland gereist ist; dann hätte man merken können, wie wichtig ein großer nationaler Konsens ist: dass wir uns über die Ursache von Wohnungslosigkeit einig sind, dass sie kein Phänomen ist, das nur individuell verschuldet ist, sondern jeden von uns treffen kann. Deswegen ist es wichtig, dass wir als Gemeinschaft genau hinsehen und lösungsorientiert sind, wenn es darum geht, Menschen aus der Wohnungslosigkeit herauszuführen oder sie präventiv gar nicht erst in die Situation kommen zu lassen – egal woher sie kommen und wohin sie gehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Woran scheitert dieser Konsens aktuell? Er scheitert daran, dass wir keine Einigkeit darüber haben, was die Gründe für Wohnungslosigkeit sind. Und er scheitert leider daran, dass wir es nicht als gemeinsame Aufgabe begreifen. Es geht hier nicht um Oppositions- oder Koalitionslogik.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Es müssen alle Ebenen zusammenarbeiten, wo wir alle Verantwortung tragen. Für die Menschen sollten wir gemeinsam stärker in der Sache zusammenarbeiten –
Lieber Herr Nickholz, Ihre Redezeit ist vorbei.
– und nicht gegeneinander.
Vielen Dank, auch für das Verständnis. Schönes Wochenende.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Rainer Semet [FDP])
Caren Lay für die Gruppe Die Linke ist die nächste Rednerin.
(Beifall bei der Linken – Carolin Bachmann [AfD]: Klatschaffen!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7612982 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 176 |
Tagesordnungspunkt | Nationaler Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit 2024 |