Christian SchreiderSPD - Fußball-EM 2024
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebes Publikum! Ein ewiges Gesetz des Journalismus lautet: „Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern.“ Das haben Sie mit Ihrem Antrag, den wir hier debattieren, mal eben komplett ignoriert – wahrscheinlich deshalb, weil die Union unter Merz sich auch immer mehr wie von gestern geriert.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich erinnere mich noch gut an einen Artikel der sonst so treffsicheren „Süddeutschen Zeitung“ von Ende Mai 2006, kurz vor dem Sommermärchen; Titel und Tenor: „Keine WM-Stimmung im Land“ – eine der wohl größten Fehleinschätzungen des Sportjournalismus. Ähnlich daneben liegen Sie. Denn nicht von gestern, nicht von letzter Woche, nein, von sage und schreibe Anfang Oktober letzten Jahres stammt der Zeitungsartikel, auf den Sie Ihren Asbach-Uralt-Antrag stützen. Ihren Antrag braucht Deutschland so wenig wie das Genöle von Jens Spahn gegen die tolle Fanmeile hier draußen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Wo ist denn Ihr Antrag?)
– Wir brauchen keinen.
Ihr Antrag war schon beim Schreiben überholt. Trotzdem jagen Sie ihn seit Monaten durchs Parlament, wie von gestern und wie von Sinnen. Sie fordern Dinge, die nach fundierter Vorbereitung selbst da schon längst erledigt waren, als wir Ihr komisches Papier im Februar das erste Mal hier debattiert haben: zum Beispiel ein Mobilitätskonzept, vorgestellt am 18. Januar, oder ein Kulturprogramm, präsentiert am 29. Januar.
Und das sind richtig gute Konzepte: 300 Kulturaktionen in 45 Städten wie das „Stadion der Träume“, finanziert mit 13 Millionen Euro vom Bund. Bahnen und Busse sind rund um die Spielorte am Spieltag kostenlos. Die Bahn bietet Fernverkehrstickets für 29 Euro – ein echt fairer Preis, wie ich gerade als Bahnberichterstatter finde. Vielen Dank an die Bundesregierung, ihre Partner und die Deutsche Bahn für diese tollen Angebote.
Vor allem möchte ich ganz besonders den Menschen danken, die auch während der EM immer für uns da sein werden: der ganzen Blaulichtfamilie, allen voran der Polizei, ob im Hintergrund, in Hundertschaften oder hoch zu Ross als Reiterstaffel; den Rettungskräften und Sanitätern, die – hoffentlich meist nur im Hintergrund – als Hilfe da sind; genauso den vielen, vielen Volunteers. Es sind so viele, die dafür meist ehrenamtlich ihre Freizeit opfern – dafür, dass wir alle einen tollen Fußballsommer feiern dürfen.
(Beifall bei der SPD)
All diese Menschen, die auch hier ein paar Meter weiter die Fanmeile organisieren, haben vor allem eines nicht verdient: dass CDUler wie Jens Spahn hier überhebliche Kritik an diesem Geschenk für uns alle üben. Die – ich zitiere Herrn Spahn – „Arbeitsfähigkeit des Parlaments“ sei wegen der Straßensperrungen eingeschränkt.
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Aber Meinungsfreiheit haben wir schon noch, oder? – Gegenruf der Abg. Marianne Schieder [SPD])
Echt jetzt? Also, meine Arbeitsfähigkeit, unsere Arbeitsfähigkeit ist beim besten Willen nicht eingeschränkt. Aber vielleicht ist Herr Spahn ja auch nur besonders empfindlich.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nur, weil der Mann nicht schnell genug in den Tiergarten oder wo auch immer hinkommt, soll die Fanmeile nach draußen, aufs Tempelhofer Feld? Geht’s noch? Der Mann ist bei Ihnen verantwortlich für Wirtschaft und Tourismus! So viel zur Wirtschaftskompetenz der Union. Vielleicht solltest du, Johannes, den Job übernehmen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Nein, die EM wird ein Fest für Deutschland, für die Wirtschaft, aber vor allem für die Menschen, für den Kontinent. Wie man richtig Stimmung macht, hat vor Kurzem auch der 1. FC Kaiserslautern hier in Berlin gezeigt.
(Daniel Rinkert [SPD]: Und Bayer Leverkusen!)
– Auch ein bisschen, ja. – Alle Ticketkontingente sind extrem gefragt. Ganz Europa hat sich angesagt, Menschen aus 206 Ländern. Lasst uns deshalb mit der EM ein Zeichen setzen: „Vereint als Fußballfans und als Menschen“, um mal den genialen Thomas Müller hier zu zitieren. Die Deutschen und ihre Millionen Gäste freuen sich riesig auf die Europameisterschaft. Keiner von ihnen braucht ernsthaft einen sinnfreien Unionsantrag oder öde Spahn-Kritik, auch Julian Nagelsmann nicht. Er verdient Vertrauen, weil er auch Fehler eingestanden hat. Er hat eingesehen, dass er nicht elf Einzelspieler in ein System pressen darf.
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Da könnte sich die Bundesregierung eine Scheibe abschneiden!)
Es geht um die richtige Mischung. Geholfen dabei hat auch die Rückkehr von Toni Kroos – eine taktische Anregung übrigens aus den Reihen unseres FC Bundestag, und kurz darauf schon umgesetzt. Nagelsmann wird jedenfalls die beste Elf finden.
Wir haben ein Team mit großartigen Talenten, wie Florian Wirtz, Maxi Beier oder Jamal Musiala – eine Mannschaft, die auf tolle Charaktere zählt, die für viel Fleiß und Aufstieg steht, wie unser Kapitän İlkay Gündoğan, der einst in Bochum parallel zum Fußball sein Abitur gebaut hat. Nicht nur Axel Schäfer ist stolz auf ihn. Wir alle können jetzt stolz auf diese Truppe sein; denn eines gilt unabhängig vom Ergebnis: Das sind alles unsere Jungs.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Marianne Schieder [SPD]: Oder unsere Buben!)
Das sind alles unsere Jungs, die für ein starkes Deutschland stehen, die vorne immer für ein Tor gut sind, die im Mittelfeld kreativ die Strippen ziehen, und hinten gilt – gerade heute –: Macht die Schotten dicht!
In diesem Sinne: Viel Spaß bei einer tollen EM!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Die Aussage von Thomas Müller war das einzig Richtige an der Rede!)
Dr. André Hahn für die Gruppe Die Linke hat nun das Wort.
(Beifall bei der Linken)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7612994 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 176 |
Tagesordnungspunkt | Fußball-EM 2024 |