Christian HirteCDU/CSU - Aktuelle Stunde: Deutsche Autofahrer schützen - Mutmaßlichen Klimabetrug in China beenden
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Rede des Herrn Kollegen Rinkert wurde gerade deutlich, dass die Dramatik dessen, worüber hier wir reden, offenbar noch nicht erkannt ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aus gutem Grund weist die Branche darauf hin,
(Judith Skudelny [FDP]: Die Biokraftstoffbranche! Die Konkurrenten!)
dass wir möglicherweise einen Schaden im Milliardenbereich haben. Ich weise in diesem Zusammenhang nur darauf hin, dass eines der Biokraftstoffunternehmen, Verbio, einen Verlust des Börsenwertes von etwa 1 Milliarde Euro hatte, was unter anderem daran lag, dass die Quotenpreise dramatisch gefallen sind, um etwa 75 Prozent,
(Daniel Rinkert [SPD]: Das hat verschiedene Gründe! Das wissen Sie doch!)
und damit einfach kein vernünftiges Geschäft mehr für diejenigen zu machen war, die seriös in diesem Bereich unterwegs waren.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Ja! Genau!)
Wir haben auf jeden Fall einen Skandal,
(Beifall bei der CDU/CSU)
weil in großer Dreistigkeit offenbar Projektträger in China die sogenannten UER-Zertifikate gefakt, gefälscht haben, diese bestätigt und hier in den Markt gebracht wurden, wo sie diesen großen Schaden verursacht haben.
Ich glaube aber, ein zweiter Skandal in diesem Zusammenhang ist das Handeln der deutschen Behörden. Anders als Herr Rinkert es gerade schilderte, ist unser Eindruck, dass sowohl im Umweltbundesamt unter Leitung von Präsident Messner als auch im Umweltministerium unter Leitung von Ministerin Lemke eben nicht hinreichend reagiert und gehandelt wurde. Herr Rinkert, um Sie zu zitieren: Sie haben gerade gesagt, wir würden „blind und ohne Rücksicht“ agieren. Ich glaube, den Schuh müssen Sie sich selbst anziehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Man könnte ja froh darüber sein, dass aus der Branche und sogar von Whistleblowern im Jahr 2023
(Judith Skudelny [FDP]: Von chinesischen Whistleblowern!)
Hinweise an das Umweltbundesamt und offenkundig auch an das Bundesumweltministerium erfolgt sind. Und was passierte? Nichts. Keine Reaktion trotz der dramatischen Umstände, über die wir heute diskutieren. Schäden – ich sage es noch mal – wahrscheinlich im Milliardenbereich.
Es wurden Anträge zu Projekten eingereicht, bei denen man schon beim Googeln der Geodaten hätte merken können, dass dort nur eine Wüste oder vielleicht ein Hühnerstall ist.
(Judith Skudelny [FDP]: Googeln ist nicht strafrechtlich belastbar! – Gegenruf der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Also, Frau Skudelny, da sitzen Sie wirklich im Glashaus, wenn Sie das verteidigen wollen! – Gegenruf der Abg. Judith Skudelny [FDP]: Ich bin Juristin! Ich weiß, wie man strafrechtlich was verfolgt!)
Diese Projekte wurden – so scheint es sich zu bestätigen – von Prüfern zertifiziert und bestätigt, die keine hinreichende Akkreditierung für die Tätigkeit der Zertifizierung von UER-Projekte in China hatten. Auch das wäre etwas gewesen, was die Prüfstelle, das UBA, hätte kontrollieren können und müssen.
Wir haben dazu einige Fragen an das Bundesumweltministerium gestellt, und wir sind schon ganz gespannt auf die Antworten, die wir von dort bekommen, insbesondere auch, wann – Herr Dr. Gesenhues, ich habe Sie in dieser Woche schon einmal gefragt – das Umweltministerium tatsächlich über diese Umstände informiert wurde.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Ganz genau! – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Genau! Das ist der Punkt!)
Ich bin sehr gespannt, was Sie uns dann schriftlich nachlesbar auf diese Frage antworten und ob das das Gleiche ist, was Sie uns in dieser Woche im Ausschuss gesagt haben.
Es bleibt dabei: Erst mit der medialen Berichterstattung Anfang Mai ist das Umweltbundesamt tätig geworden. Wir haben darauf hingewiesen, dass es nicht reichte, die UERV zu ändern. Auch nach dieser Änderung war es noch möglich, gefälschte Zertifikate in den Markt zu bringen, und zwar bis zu dieser Woche, in der das von uns schon seit Langem geforderte Moratorium endlich auf den Weg gebracht wurde. Das zeigt doch, dass Herr Präsident Messner jetzt offenkundig erkannt hat, dass es sich um ein riesiges Problem handelt. Der sogenannte Gamechanger-Moment, von dem er gesprochen hat, lag wahrscheinlich weniger in den objektiven Umständen und den Whistleblower-Hinweisen, sondern eher in der medialen Berichterstattung und möglichen Gefahr für den Präsidenten und das Umweltministerium mit Blick auf notwendige Konsequenzen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der dritte Skandal ist, dass Sie trotz der Dreistigkeit des Betrugs und des Nichthandelns in den letzten Monaten immer noch nicht die notwendigen Konsequenzen ziehen, um den Schaden für das Klima zu korrigieren. Es wurde für diese Fake-Zertifikate, bei denen tatsächlich nichts erfolgt ist, Geld ausgegeben, weil es für die Mineralölhändler in Deutschland billiger war, gefakte Zertifikate zu kaufen. Das bisschen Papier ist ja billiger als echte Klimaschutzprojekte.
(Judith Skudelny [FDP]: Na ja! So günstig war das wahrscheinlich trotzdem nicht!)
Auch hier ist die Forderung von uns: Sie müssen endlich handeln. Es gibt auch die Möglichkeit, begünstigende Verwaltungsakte zurückzunehmen.
(Judith Skudelny [FDP]: Aber auf welcher Basis?)
Ihr Ministerium ist in der Pflicht, endlich zu handeln, weil am Ende viel auf dem Spiel steht. Wir reden hier über die Spitze des Eisberges, wenn wir über internationalen Klimaschutz reden, wenn wir über Lieferketten reden, wenn wir über CBAM und mehr reden. Das Vertrauen in unsere Institutionen ist gefährdet, auch in die Funktion des Emissionshandels und der Kontrollinstanzen und in einen verlässlichen Klimaschutz. Es liegt jetzt an Ihnen, dieses Vertrauen wiederherzustellen und aufzuklären.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Tessa Ganserer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7613015 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 176 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Deutsche Autofahrer schützen - Mutmaßlichen Klimabetrug in China beenden |