14.06.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 176 / Zusatzpunkt 15

Judith SkudelnyFDP - Aktuelle Stunde: Deutsche Autofahrer schützen - Mutmaßlichen Klimabetrug in China beenden

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 28. Mai hat die Sendung „Frontal“ einen Beitrag ausgestrahlt, der nahelegt, dass im großen Stil mit Klimaschutzmaßnahmen im Kraftstoffbereich betrogen wird. Im Einzelnen geht es um die Verpflichtung der Mineralölindustrie, bei ihren Kraftstoffen Treibhausgasemissionen einzusparen.

Um dieses Ziel zu erreichen, haben die Mineralölkonzerne unterschiedliche Wege. Sie können ihre erdölbasierten Treibstoffe durch biobasierte Kraftstoffe oder durch E-Fuels ersetzen. Sie können aber auch seit 2018 – liebe Union, mit eurer Unterstützung – bei der Herstellung der Kraftstoffe entstehende Emissionen reduzieren, beispielsweise indem sie das bei der Erdölförderung entstehende Gas, anstatt es abzufackeln, einsammeln und dann auf andere Weise nutzen. Diese Art der Emissionseinsparung nennt man Upstream Emission Reduction, UER. Dabei werden vorgelagerte Emissionen eingespart und beim Klimaschutz angerechnet.

Genau bei dieser UER wird nun systematischer Betrug vermutet. Dieser Betrug wird durch drei Punkte begünstigt:

Erstens. Europa und Deutschland sind lukrative Märkte für Klimaschutzmaßnahmen jeglicher Art. Wir haben hohe, ambitionierte Ziele, und wir sind bereit, viel Geld in die Hand zu nehmen, um diese Ziele zu erreichen. Daher ist es natürlich auch für Betrüger in hohem Maße interessant, in diesen Markt reinzukommen.

Zweitens. Die UER-Maßnahmen müssen dort stattfinden, wo Erdöl gefördert wird, im Regelfall weder in Deutschland noch in Europa. Das macht die Kontrolle ein bisschen schwieriger.

Drittens. Die Förderstandards vor Ort müssen, ich sage jetzt mal, unterdurchschnittlich sein, damit man durch diese zusätzlichen Maßnahmen mehr Klimaschutz erreichen kann. Diese Bedingungen werden im Wesentlichen in China vorgefunden.

Mögliche Missbräuche hat der Fernsehbeitrag aufgezeigt. Mithilfe von zwei – übrigens deutschen – Zertifizierungsunternehmen wurden Projekte auf den Klimaschutz angerechnet, die möglicherweise gar nicht existiert haben. Hierfür liegen nicht nur begründete, sondern auch naheliegende Verdachtsmomente vor. Allerdings – Achtung, das ist jetzt ganz wichtig für manche Teile des Hauses –: Deutschland ist – im Gegensatz zu anderen Ländern – ein Rechtsstaat.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und allein auf Grundlage von Vermutungen und Verdachtsmomenten darf ein Rechtsstaat eine rechtskräftige Genehmigung nicht entziehen. Vielmehr muss jeder Sachverhalt geprüft werden, müssen die Betroffenen Gelegenheit haben, sich zu äußern und auch sich zu erklären.

Wie genau man dabei hinschauen muss, zeigt schon eine kritische Prüfung des Fernsehbeitrags. In diesem Beitrag werden zwei Beispiele gezeigt. In einem Beispiel hat man entsprechende Geodaten, ist dorthin gefahren, und im Fernsehbeitrag wird gesagt: Das ist ein leerstehendes Gebäude. – Ob das jetzt ein Hühnerstall war oder nicht – meine Hühner würden dort nicht wohnen –, sei mal dahingestellt; aber es war keine Industrieanlage. D"accord! Wenn der Projektträger das nicht erklären kann, liegt ein Betrug schon sehr nahe.

Am zweiten Standort allerdings wurde eine Anlage gezeigt, die vorne ein Schild hat, auf dem steht: Errichtet und in Betrieb genommen 2014. – Der Projektträger hat den Antrag 2020 gestellt. Allein aus der Differenz – die Anlage gab es schon 2014, und der Antrag ist von 2020 – hat der Fernsehsender einen Skandal gemacht und hat gesagt: Das kann ja gar keine echte UER-Maßnahme sein. – Das stimmt leider nicht, weil UER-Maßnahmen sich insbesondere auf Nachrüstungen beziehen. Durchaus kann man eine Anlage, die 2014 erstellt worden ist, 2020 nachrüsten und verbessern. Das bedeutet nicht, dass dort kein Betrug war. Das bedeutet nur, dass man deutlich genauer hinschauen muss, nicht nur auf das Eingangsschild einer Industrieanlage.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Aufklärung der Betrugstatbestände ist eine elende Sisyphosarbeit. Diese Sisyphosarbeit wird gerade vom Umweltbundesamt, von der Staatsanwaltschaft und von der Polizei geleistet. Dazu hat es übrigens keinen Fernsehbeitrag gebraucht. Bei den Verantwortlichen in der Politik ist dieses Thema längst angekommen. Die anonymisierte Aussage in dem Beitrag wurde längst in einem parteiübergreifenden Parlamentskreis besprochen.

Es ist also kein Geheimnis, dass wir hier Herausforderungen haben. Daher wurden bereits im Februar die ersten Konsequenzen gezogen: Die Möglichkeit der Upstream Emission Reduction wird zum Jahresende beendet. Die Projekte werden allesamt – ich habe es gesagt – in Drittstaaten realisiert. Das wichtigste Land ist China, und es ist genau das Land, das die Vor-Ort-Überprüfung der Projekte erschwert bis verhindert. Hier ist also ein großer Vertrauensschaden entstanden. Der Ausstieg aus der UER war daher notwendig.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass es reguläre und legale und gewollte Projekte gab und gibt. Die berechtigten Interessen gerade der ehrlichen Projektbetreiber muss man eben auch mit in die Waagschale legen. Deswegen ist es richtig, dass diese Projekte abgeschlossen werden und wir eben erst zum Jahresende aussteigen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wichtig ist: Das ist nicht das Ende der politischen Leistungen. Wir haben Biokraftstoffe, Rezyklate und grünen Wasserstoff. Auch hier werden Betrugstatbestände vermutet.

Kollegin!

Wir sind hier auf Europa angewiesen. Und es ist die Aufgabe unserer deutschen Bundesregierung, in Europa Druck zu machen, damit unsere Märkte und unsere Bürger geschützt werden.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Thomas Ehrhorn für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7613017
Wahlperiode 20
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Deutsche Autofahrer schützen - Mutmaßlichen Klimabetrug in China beenden
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