Gabriela HeinrichSPD - Regierungserklärung: Europäischer Rat u. NATO-Gipfel
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die NATO ist das bedeutendste sicherheitspolitische Bündnis der Welt. 1991 meinten viele, der Hauptgrund für die Existenz dieses Bündnisses habe sich erledigt. Die wenigsten rechneten damit, dass 30 Jahre später ein russischer Präsident Putin neue imperiale Träume verwirklichen will.
Weniger weit in der Vergangenheit war es um Ruf und Bedeutung des Bündnisses nicht gut bestellt. Beim Jubiläumsgipfel 2019 freute man sich darüber, dass es überhaupt gelang, eine Abschlusserklärung zu erreichen. Präsident Macron sprach vom „Hirntod der NATO“, die Türkei hatte sich mit russischen Waffen eingedeckt, der Schlingerkurs eines Donald Trump verunsicherte viele Bündnispartner.
Von solchen Zweifeln ist die NATO aktuell, an ihrem 75. Geburtstag, weit entfernt. Der Kanzler hat es gesagt, und auch viele andere hier haben auf die Bedeutung des Washingtoner Gipfels hingewiesen, nicht nur, weil es einen neuen NATO-Generalsekretär Mark Rutte geben wird. Vielmehr wird der Jubiläumsgipfel zeigen, dass die NATO wichtiger ist denn je, auch und gerade für die Sicherheit in Deutschland und in Europa.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Jedoch: Die Allianz muss sich – auch das haben viele gesagt, auch Kollege Link – weiterentwickeln. Angesichts der zahlreichen auch hybriden Bedrohungen, denen die NATO-Länder gegenüberstehen, müssen politische Weichen gestellt werden. Und auf der Tagesordnung in Washington müssen und werden unter anderem der Schutz der Ukraine, der Schutz der Ostflanke und eine faire und gerechte Lastenverteilung unter den Bündnispartnern stehen.
Olaf Scholz hat in der Zeitenwende-Debatte immer wieder klargemacht: Deutschland nimmt seine Bündnisverpflichtungen ernst. – Wir haben, wie Sie alle wissen, mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr viel Geld in die Hand genommen, um sie zu ertüchtigen. Wir stärken den europäischen Pfeiler der NATO, etwa durch die europäische Luftverteidigungsinitiative European Sky Shield. Und wir übernehmen Verantwortung, unter anderem mit der dauerhaften Stationierung einer Brigade in Litauen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ebenso wenig wie die EU nur Wirtschaftsgemeinschaft ist, ist die NATO ein reines Militärbündnis.
(Michael Georg Link [Heilbronn] [FDP]: Richtig!)
Sie ist auch ein Wertebündnis.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind die Grundpfeiler, auf denen unsere Allianz aufgebaut ist. Ja, sie setzt auf militärische Abschreckung. Sie setzt aber auch auf die friedliche Beilegung von Konflikten, wofür Diplomatie und Dialog notwendig sind, die, so haben wir gelernt, nur aus einer Position der Stärke heraus erfolgreich sein können.
Eines darf man nicht vergessen, auch wenn das einige hier im Hohen Haus nicht wahrhaben wollen: Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis; sie handelt defensiv.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Christian Dürr [FDP])
Das Bündnis wird größer, weil sich Länder freiwillig anschließen. Der Beitritt Schwedens und Finnlands ist eine Konsequenz aus der Bedrohung durch den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine. Er zeigt, wie stark sich die Sicherheitslage verändert hat. Der russische Angriff hat die NATO nicht geschwächt oder gespalten, er hat sie größer und stärker gemacht.
Alle demokratischen Fraktionen sind aufgerufen, weiter zusammenzuarbeiten, um die NATO zu stärken und in unser Bündnis zu investieren. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie das tun werden. Verteidigungsminister Pistorius hat bekräftigt: Die NATO ist dazu aufgestellt, jeden Quadratzentimeter ihres Territoriums notfalls verteidigen zu können.
Meine Damen und Herren, der barbarische Überfall Russlands auf die Ukraine hat unsere europäische Friedensarchitektur in ihren Grundfesten erschüttert. Präsident Putin ist noch nicht aus seinen imperialen Träumen erwacht. Lassen Sie uns gemeinsam weiter daran arbeiten, dass es nicht dazu kommt, dass je ein Bündnisfall ausgerufen werden muss!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Ann-Veruschka Jurisch [FDP])
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Sahra Wagenknecht aus der Gruppe BSW.
(Beifall beim BSW)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7613158 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 177 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung: Europäischer Rat u. NATO-Gipfel |