Johannes SchrapsSPD - Regierungserklärung: Europäischer Rat u. NATO-Gipfel
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurück zu den Themen des Europäischen Rates. Da konnten wir gestern schon davon reden – der Kanzler hat es vorhin beschrieben, und er hat ja auch gemeinsam mit Pedro Sánchez als Verhandler für die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten viel dazu beigetragen –, dass sich die europäischen Parteienfamilien auf ein Personaltableau für die EU-Spitzenpositionen verständigt haben. Das ist aus zwei Gründen sehr zu begrüßen.
Zum Ersten ist diese Einigung jetzt vor dem Europäischen Rat zunächst einmal eine ganz wichtige Voraussetzung, dass es ab morgen beim Europäischen Rat dann nicht mehr maßgeblich um Personalfragen gehen muss, sondern dass es um die vielen dringenden inhaltlichen Themen gehen kann, die sich da auf der Tagesordnung finden.
Zum Zweiten halte ich es für ganz wichtig, dass wir nun auch noch vor Beginn der ungarischen Ratspräsidentschaft, die leider in einigen Tagen beginnt, darüber Klarheit haben, wer in den kommenden Jahren auf der EU-Ebene Verantwortung trägt, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Von den Themen, die auf der Tagesordnung des Rates stehen, sind bereits einige im Verlauf der Debatte genannt worden. Ich möchte auf die Staaten zu sprechen kommen, deren Vertreter dieser Tage vollkommen zu Recht von einer historischen Woche für ihre Länder gesprochen haben: auf die Ukraine und die Republik Moldau. Die weitere Unterstützung beider Länder steht auch auf der Tagesordnung dieses Europäischen Rates.
Ein wichtiger Schritt wurde aber bereits gestern im Vorfeld der eigentlichen Ratstagung getan; denn mit den ersten Regierungskonferenzen mit Vertretern beider Länder hat die Europäische Union ganz formal die EU-Beitrittsverhandlungen dieser Länder eröffnet. Mit breiter Unterstützung hatten wir uns auch hier im Bundestag dafür ausgesprochen, und wir können deshalb gemeinsam beiden Ländern heute auch herzlich zu diesem wichtigen Schritt gratulieren, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mit der feierlichen Übergabe der Leitlinien für die Beitrittsgespräche ist ein erster, ganz wichtiger Schritt getan. Damit beginnt nun natürlich eine Phase sehr intensiver und – da darf man sich aus meiner Sicht auch keine Illusionen machen – wahrscheinlich auch langwieriger Beitrittsgespräche.
Beide Länder haben seit den Beitrittsanträgen im Frühjahr 2022 allerdings auch schon erhebliche Reformanstrengungen unternommen, um an diesen heutigen Punkt überhaupt erst einmal zu gelangen. Die Fortschritte, die in diesen beiden Ländern schon geschafft wurden, zeigen uns, dass der Prozess der europäischen Integration nach wie vor ein starkes und extrem attraktives Projekt ist, übrigens ebenso wie Gabriela Heinrich das eben völlig richtig für die NATO-Integration einiger Länder beschrieben hat.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Sosehr die EU von manchem kritisiert wird: Irgendetwas muss diese Gemeinschaft ja haben.
(Dr. Harald Weyel [AfD]: Es geht ums Geld!)
Und ganz so schlecht, wie sie manchmal gemacht wird, kann sie ja gar nicht sein, wenn weiterhin Staaten Anträge auf Beitritt zur Europäischen Union stellen und Teil dieses gemeinsamen Klubs sein wollen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Der Weg der Republik Moldau und der Ukraine in die Europäische Union ist auch in zweierlei Hinsicht von entscheidender Bedeutung: Zum einen zeigt er, dass die EU-Mitgliedstaaten trotz mancher Diskussionen eng zusammenhalten und dass sie – anders als von Putin erwartet; das ist mehrfach beschrieben worden – auch ihren Partnern ganz eng zur Seite stehen. Er ist damit im Prinzip auch ein Symbol der europäischen Einheit.
Zum anderen ist der Weg der Ukraine und der Republik Moldau gleichzeitig ein Zeichen, dass Russland in Osteuropa einen zunehmend schwindenden Einfluss hat. Russland wird von vielen Ländern im Osten Europas als Gefahr und überhaupt nicht als Partner wahrgenommen. Einzig militärischer Druck hält die einen oder anderen Staaten davon ab, sich von Russland zu entfernen. Aber wer kann, der wendet sich von diesem neoimperialistischen Gehabe Putins ab.
Während Putins Russland Allianzen mit Staaten wie Nordkorea schmiedet, konnten sich die EU-Staaten immer wieder auf starke gemeinsame Unterstützung für Kiew, aber auch für Chișinău einigen: durch militärische Hilfe, durch finanzielle Hilfe und durch die Ausweitung von Sanktionen gegen Russland, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Beim EU-Gipfel wird es deshalb richtigerweise übrigens nicht nur um Integrationsschritte der Beitrittskandidaten gehen, sondern auch um die Planung der Reformen, die innerhalb der EU notwendig sind, um in der Zukunft neue Länder in die Europäische Union aufzunehmen. Die EU-Annäherung bietet den beitrittswilligen Ländern große Chancen hinsichtlich ihrer weiteren Entwicklung in Richtung demokratischer Regierungsführung, wirtschaftlichen Wohlstands und der Stärkung rechtsstaatlicher Grundlagen, und aus meiner Sicht ist die Motivation dafür hoch. Beeindruckend ist vor allem, zu sehen, wie das Land Ukraine trotz des brutalen russischen Angriffskriegs eine unerschütterliche Entschlossenheit und Solidarität ausstrahlt, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Aber auch in der Republik Moldau – davon konnten wir uns in der vergangenen Woche mit dem Europaausschuss vor Ort überzeugen – arbeitet man intensiv für eine weitere EU-Annäherung, obwohl Moskau seit Monaten seine hybride Kriegsführung vorantreibt.
Wir werden beide Länder in den nächsten Schritten weiterhin intensiv begleiten müssen, im Interesse der beiden Länder, aber auch in unserem europäischen Interesse.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.
Für den Moment gratuliere ich den Bürgerinnen und Bürgern der Ukraine –
Herr Kollege, bitte!
– und der Republik Moldau deshalb von ganzem Herzen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Schraps. – Ich erteile das Wort nunmehr dem fraktionslosen Abgeordneten Thomas Seitz.
(Beifall des Abg. Johannes Huber [fraktionslos])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7613162 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 177 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung: Europäischer Rat u. NATO-Gipfel |