Jörg NürnbergerSPD - Regierungserklärung: Europäischer Rat u. NATO-Gipfel
Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste auf den Tribünen! In der letzten Woche habe ich die sitzungsfreie Zeit genutzt und an einer Reise des Verteidigungsausschusses ins Baltikum teilgenommen. Wir haben in vier Tagen die drei baltischen Länder besucht.
Das Baltikum ist ein Brennpunkt der gegenwärtigen Lage in Europa, und das sowohl aus der Sicht der EU wie auch der NATO. Unsere Reise zeigte erneut die Bedeutung unseres Engagements in dieser Region. Die Besuche der Ämari Air Base in Estland, des Luftwaffenstützpunktes Lielvārde in Lettland und des Stützpunktes im litauischen Rukla zeigen die großen Anstrengungen und die Fortschritte, die wir gemeinsam mit unseren baltischen Partnern machen.
Vor Ort waren die positiven Reaktionen auf unseren Besuch und die Leistungen der Bundeswehr mit Händen zu greifen. Die baltischen Staaten fühlen sich aus historischen und aktuellen Gründen als Frontstaaten und sehen in der expansiven Ideologie und Kriegspolitik von Herrn Putin keine theoretische, sondern eine ganz reale Gefahr. Das führt dazu, dass sowohl bei der Bevölkerung wie auch bei Parteien und Regierungen die Eindämmung dieser Bedrohung zum Maßstab aller ihrer Entscheidungen gemacht wird.
(Johannes Schraps [SPD]: So ist es!)
Gleichzeitig sehen sie trotz der Bedrohung ihre Zukunft zuversichtlich, und das auch dank der EU.
Unsere Präsenz wird als entscheidend angesehen, und die Dankbarkeit für die Unterstützung ist groß. Mit der Verstetigung unseres Engagements und – Kollegin Völlers hat es bereits erwähnt – mit der Schaffung der deutschen Brigade 45 gehen wir im Rahmen der NATO voran und leisten einen wichtigen Beitrag zur Abschreckung vor einem Angriff Russlands auf NATO-Territorium.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das steht übrigens, liebe Unionsfraktion, im Widerspruch zu der dauernden und nörglerischen Kritik aus Ihren Reihen, die zu Hause ständig vorgebracht wird. Vor Ort sieht man das alles völlig anders. Die Menschen im Baltikum sind für unsere Dienste sehr dankbar. Wertschätzung wird immer geäußert. Kritik an Deutschland gibt es kaum noch.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner heutigen Rede deutlich gemacht, dass die Sicherheit in Europa eines der wichtigsten Themen beim bevorstehenden Europäischen Rat sein wird. Sicherheit hat dabei neben den Fragen der Verteidigung nach außen auch Aspekte des inneren Zusammenhalts und der Fähigkeit, der russischen Aggression mit Freisetzung unserer eigenen wirtschaftlichen Potenziale und industrieller Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich zu begegnen.
Damit die deutsche und im Endeffekt auch die europäische Sicherheits- und Verteidigungsindustrie langfristig stark und angesichts der Bedrohungen widerstandsfähiger werden, muss sich die Bundesregierung auch um die Industriepolitik aktiv kümmern. Und allgemein gilt, dass – sofern möglich, verfügbar und finanziell vertretbar – in Deutschland und Europa Rüstungsgüter beschafft werden sollten. Dazu muss auch die EU die Rahmenbedingungen verbessern. Auch das ist ein Ziel, das von unserer Regierung verfolgt wird. Ein entscheidendes Kriterium sind dabei die in der NATO gültigen und weiterzuentwickelnden Standards für Rüstungsgüter, um sie gemeinsam in der EU herstellen und verwenden zu können.
Um unsere Souveränität zu sichern, muss gleichzeitig die Abhängigkeit von in Staaten außerhalb der EU hergestellten Systemen und Bauteilen verringert werden.
Darüber hinaus setzen wir uns weiter dafür ein, dass die Rüstungsindustrie aber auch durch ein vernünftiges nationales Rüstungsexportkontrollgesetz reguliert wird. Und langfristig brauchen wir auf diesem Gebiet eine EU-weite Harmonisierung der Rüstungsexportkontrolle – ganz im Sinne einer europäischen Souveränität.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Nur im Rahmen der EU und der NATO können wir unsere Fähigkeiten ausbauen, die Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit unserer Wirtschaft sichern und damit auch unsere Souveränität stärken und die Unterstützung der Ukraine langfristig aufrechterhalten. Meine Damen und Herren, 500 Millionen Menschen in der EU sollten mit ihren Fähigkeiten, ihren Ideen, ihrer Kreativität, ihrer Vielfalt doch gemeinsam in der Lage sein, der russischen Aggression zu widerstehen. Wir haben das Potenzial, wir müssen es nur nutzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Zu Beginn meiner Rede habe ich von meiner Reise ins Baltikum und unserem erfolgreichen Engagement dort berichtet und davon, wie dieses von den Menschen vor Ort aufgenommen und unterstützt wird. Das Baltikum und unser Engagement in diesen Ländern können als Modell für eine neue Sicherheitsarchitektur gelten, die im gleichen Maße auch für die Beitrittskandidaten Ukraine und Moldau und perspektivisch vielleicht auch für Georgien von existenzieller Bedeutung ist. Unsere gemeinsamen Anstrengungen und die enge Kooperation im Rahmen der EU und NATO sind entscheidend für die Sicherheit und Stabilität in Europa. Wir stehen fest an der Seite unserer Partner und Freunde im Baltikum und in der Ukraine.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die Stärkung unserer Verteidigungsfähigkeit und die Unterstützung unserer Partner sind von entscheidender Bedeutung für die Abschreckung von Aggressoren – egal woher sie kommen – und für die Wiederherstellung und die Wahrung des Friedens in Europa. Die Bundesregierung ist hier auf dem richtigen Weg. Sie hat dabei unsere Unterstützung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7613166 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 177 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung: Europäischer Rat u. NATO-Gipfel |