Oliver KaczmarekSPD - Aktuelle Stunde: Meinungsfreiheit b. Veranstaltungen an Hochschulen
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will etwas grundsätzlicher beginnen. Hochschulen sind Orte der Diskussion und des Austausches.
(Beatrix von Storch [AfD]: Gewesen! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Aber Hass ist keine Meinung!)
Das gehört schon zum Gründungsmythos der europäischen Universität, an der sich Gelehrte mit ihren Schülerinnen und Schülern ausgetauscht haben über ihre Erkenntnisse und über die daraus zu folgernden Schlussfolgerungen für die Entwicklung von Gesellschaften und Staaten. Das ist auch das, was uns heute an den Hochschulen umtreiben sollte, nämlich auf der Basis von Erkenntnissen über Veränderungen der Gesellschaft zu diskutieren.
Nicht selten sind auch von den Hochschulen sehr wichtige gesellschaftliche Veränderungen angestoßen worden. Erinnern wir uns an die Bewegung der 60er-Jahre. Nicht alles war da unterstützenswert und auch nicht alles, was dabei rausgekommen ist. Aber wo wären wir ohne die dort begonnene gesellschaftliche Öffnung, ohne die Loslösung von den in der Zeit leider teilweise noch bestehenden Traditionen aus der NS-Zeit? Wo wären wir ohne die Diskurse an den Hochschulen über Klimaveränderung, über Frieden? Das hat unsere Gesellschaft weitergebracht. Deswegen hat die Hochschule als Ort des Diskurses einen großen Wert für die Gesellschaft. Und deswegen sollten wir uns alle dafür einsetzen – das ist erhaltenswert –, dass es zu einer Meinungsvielfalt und zu einem Austausch und zu gesellschaftlichen Anstößen an der Hochschule kommt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Und was ist mit Hass?)
Ja, es ist richtig: Hochschulen müssen auch schwierige Diskussionen aushalten,
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ja!)
vielleicht auch ein gewisses Maß an Aktivismus; aber Hochschulen dürfen auch nicht alles dulden.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ah!)
Das ist heute auch deutlich geworden in dem Gespräch mit den Vertretern von Hochschulen über Antisemitismus an Bildungseinrichtungen.
Hochschulen dürfen nicht alles dulden. Es gelten die gleichen Regeln wie überall: keine Gewalt, keine Sachbeschädigung, keine gruppenbezogene Diskriminierung, sich ausreden lassen. In dem Sinne hätte ich es mir natürlich gewünscht, dass die Kollegin Wulf, auch wenn ich ihre Ansicht vielleicht nicht teile, ihre Meinung an der Hochschule in der kritischen Diskussion zum Ausdruck hätte bringen können. Das wäre gerechtfertigt gewesen.
Hochschulen dürfen nicht alles dulden. Sie bewegen sich aber in einem konkreten Spannungsfeld – das halten Hochschulleitungen oft aus –, nämlich auf der einen Seite den offenen Diskurs ermöglichen, auf der anderen Seite Grenzen einhalten. Deswegen möchte ich an dieser Stelle einmal Verständnis für das Spannungsfeld äußern und klare Unterstützung für alle diejenigen äußern, die sich jeden Tag Mühe geben, um das an den Hochschulen zu ermöglichen.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Was ist denn das für eine komische Rede? Die passt ja gar nicht!)
Denn die übergroße Anzahl der Veranstaltungen an Hochschulen gelingt. Und dass das gelingt, hat damit zu tun, dass dort verantwortliche Personen in führenden Positionen ihren Job machen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Natürlich ist das, was wir heute im Ausschuss besprochen haben, besorgniserregend, nämlich die Zahl der Vorfälle an Hochschulen mit antisemitischem Hintergrund. Wir haben darüber heute eine, wie ich finde, sehr bedeutende Anhörung durchgeführt. Bewusst sind damit nicht alle Veranstaltungen gemeint. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass es eben auch zu Übergriffen und zu Gewaltandrohungen mit antisemitischem Hintergrund kommt.
(Beatrix von Storch [AfD]: Ja, woher kommt der wohl?)
Deutschland ist in dieser Frage in besonderer historischer Verantwortung – sie wird von manchen leider geleugnet – für jüdisches Leben und für den Staat Israel; das gilt nicht nur an Hochschulen, aber dort besonders. Und dieser Verantwortung müssen wir natürlich gerecht werden.
(Beatrix von Storch [AfD]: „Müssen“, „sollen“, „wollen“, „können“!)
Vorweg: Die übergroße Mehrheit der Studierenden – das belegen Umfragen – ist für Vielfalt und gegen Antisemitismus und positioniert sich da klar. Das drückt sich auch aus in ganz vielen Veranstaltungen, die in diesem Kontext stattfinden.
(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist doch dummes Zeug!)
Die übergroße Zahl der Menschen an Hochschulen duldet keinen Antisemitismus und ist für Vielfalt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Stephan Seiter [FDP])
Für uns ist klar: Antisemitismus ist keine legitime Meinung, sondern oft der Startpunkt für weitere Diskriminierung und nicht selten für Straftaten.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Mal runter von der Metaebene, Herr Kollege!)
Wir müssen dazu einen Beitrag leisten, dass Antisemitismus an Hochschulen erkannt und ihm wirksam entgegengetreten wird. Wir begrüßen an dieser Stelle die klare Haltung der Bundesregierung.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wir erkennen doch, was hier läuft! Wirklich peinlich! Sagen Sie doch mal, es tut Ihnen leid!)
– Ich weiß gar nicht, warum es hier solche Zurufe gibt. Aber es ist egal.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wirklich ein Geeiere!)
Wir begrüßen die klare Haltung der Bundesregierung zu Antisemitismus; der Bundeskanzler hat das hier vom Rednerpult aus an vielen Stellen klargestellt. Und wir begrüßen auch, dass die Bundesministerin für Bildung und Forschung in dieser Frage, auch wenn wir nicht jede Äußerung teilen, eine ganz klare Haltung in Bezug auf das Wissenschaftssystem ausgegeben hat.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Welche klare Haltung?)
Dabei darf es nicht bleiben; das ist ganz klar. Wir müssen auch konkret handeln. Kampf gegen Antisemitismus erschöpft sich nicht in öffentlichen Schlagzeilen, sondern muss sich auch in politischem Handeln niederschlagen, in geistes- und sozialwissenschaftlicher Forschung, in der Unterstützung der entsprechenden Förderlinien und in Präventionsmaßnahmen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Was ist denn das Problem? Sprechen Sie das Problem doch mal an! Woher kommt der Antisemitismus? Der Elefant im Raum! – Gegenruf von der SPD: Hören Sie auf, rumzuschreien!)
Das ist dann ein politisch belegbarer Kampf gegen Antisemitismus.
Es ist wichtig, dass wir uns erinnern, was die zentralen Aufgaben sind: Hochschule als offenen Diskursraum sicherstellen und weiterhin beibehalten, aber gleichzeitig die Grenzen ganz klar benennen und einhalten, diejenigen stärken, die dafür sorgen, dass an den Hochschulen jeden Tag diese Grenzen eingehalten werden, und die Wissenschaftsfreiheit verteidigen. Denn das ist die zentrale Voraussetzung für gesellschaftlichen Fortschritt und Wohlstand in diesem Land.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Setzen, sechs! Das war ja die totale Themaverfehlung! So eine Themaverfehlung habe ich ja selten erlebt!)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Götz Frömming für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD – Zurufe von der CDU/CSU)
Ich bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, ruhig zu sein! Jetzt hat Herr Dr. Frömming das Wort, und das sollte dann auch überwiegend hier zu hören sein.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7613187 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 177 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Meinungsfreiheit b. Veranstaltungen an Hochschulen |