Stephan SeiterFDP - Aktuelle Stunde: Meinungsfreiheit b. Veranstaltungen an Hochschulen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zuerst etwas um Fassung ringen. Wenn es ein Beispiel dafür braucht, was das Problem unserer Debattenkultur hier in Deutschland ist, dann ist es die Rede, die wir gerade eben erlebt haben.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist genau diese Vorgehensweise, die wir in verschiedenen Institutionen erleben, dass Fakten nicht berücksichtigt werden, dass Fakten übergangen werden.
Ich erinnere an das Gespräch heute Morgen im Ausschuss. Ich danke der Frau Ministerin, dass sie noch da ist; sie ist eigentlich auf dem Weg zum Flughafen, um nach Israel zu fliegen, um genau über diese Themen zu sprechen. Aber angesichts dessen, was wir gerade gehört haben – und hier oben sitzen viele junge Leute, die etwas über die Demokratie erfahren wollen –, muss ich Ihnen eins sagen, Frau Wissler: Es tut es mir echt leid, dass die jungen Leute gerade jetzt hier waren. Aber sie haben gesehen, was schiefläuft.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Es ist gut, dass sie das gehört haben!)
Die nächste Vorbemerkung. Liebe Frau Wulf, das, was Ihnen passiert ist, darf nicht passieren. Ich selber, wie wir alle wissen, habe lange an der Hochschule gearbeitet, war dort auch in Führungsverantwortung tätig. Wenn so etwas an einer Hochschule passiert, dann ist das für alle eine unangenehme Situation. Dann muss man überlegen, wie man damit umgeht. Dann hofft man auch, dass man jemanden hinter sich hat, der einen unterstützt. Aber eines ist ganz klar: Die Person, um die es geht, hat ein subjektives Empfinden, und das sollten Sie sich merken: Diese Person, die vorne steht, empfindet eine Bedrohung. Wenn 200 Leute Sie niederbrüllen, dann haben Sie ein Angstgefühl. So etwas geht nicht.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Janine Wissler [Die Linke])
Wir müssen uns überlegen, was wir dagegen tun können. Was wir dagegen tun können, ist, dass wir mal wieder darüber reflektieren, was Meinungsfreiheit bedeutet. Meinungsfreiheit bedeutet eben nicht, ich alleine kann meine Meinung frei äußern, sondern es gehört dazu, dass ich die Meinung des anderen ertragen muss. Ich muss auch ertragen, dass jemand eine andere Meinung hat. Solange diese Meinung auf dem Grundgesetz basiert, ist es unter Demokratinnen und Demokraten einfach Usus, dass man sich zuhört, dass man sich austauscht. Und das ist genau das, was wir an den Universitäten eigentlich lehren wollen. Im wissenschaftlichen Seminar geht es darum, Positionen vorzustellen und zu diskutieren. Umso erschütternder ist es, zu sehen, in welcher Art und Weise zunehmend Äußerungen getätigt werden: sei es das Niederbrüllen von Politikerinnen und Politikern, sei es das Niederbrüllen von anderen Meinungen, von anderen Wissenschaftlern, sei es, dass einzelne Studierende sich unwohl fühlen, unsicher fühlen, weil sie, auf Neudeutsch, gemobbt werden. Das zeigt: Wir haben ein Problem, und da müssen wir ran.
Das Thema ist aber auch ein gesellschaftliches Thema. Wir müssen es vorleben. Wir selbst müssen das in unserer politischen Debatte vorleben. Wir müssen diese Werte wieder stärker vermitteln. Und wahrscheinlich – und da bin ich mir mit Kollegin Kraft einig – müssen wir alle wieder mal reflektieren und uns Gedanken darüber machen, wie wir argumentieren. Denn eines gilt auch: Nur weil ich meine eigene Meinung für richtig halte, ist nicht automatisch die der anderen falsch.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Beatrix von Storch [AfD]: Es gibt nur zwei Geschlechter!)
Wir sollten uns alle gemeinsam gegen Kräfte wehren, die gerne die Monopolisierung der eigenen Meinung vorantreiben. Das erfahren wir auch von rechts. Auch dort passiert es, dass Meinungsfreiheit massiv eingeschränkt wird, indem man sagt, man akzeptiert diese Meinung nicht und man akzeptiert auch wissenschaftliche Erkenntnisse nicht. Deswegen ist es für uns alle wichtig, dass wir das, was Ihnen, liebe Frau Wulf, und auch vielen anderen in den letzten Jahren passiert ist, zum Anlass nehmen, in den Dialog miteinander einzutreten und uns zu fragen: Was können wir verbessern? Und ganz wichtig ist, dass wir dabei die Hochschulen und die Hochschulleitungen miteinbeziehen; denn auch die brauchen hier Unterstützung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Thomas Jarzombek für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
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Electoral Period | 20 |
Session | 177 |
Agenda Item | Aktuelle Stunde: Meinungsfreiheit b. Veranstaltungen an Hochschulen |