26.06.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 177 / Tagesordnungspunkt 4

Marc HenrichmannCDU/CSU - Bericht Datenschutz und Informationsfreiheit 2023

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Zeitenwende“, das Wort dieser Tage. Wir haben große Herausforderungen, und wir müssen uns ihnen stellen, ob wir wollen oder nicht. Eine dieser Herausforderungen im technologischen Bereich ist die künstliche Intelligenz, die KI. Sie birgt Chancen, und sie birgt Risiken. Aber sie ist da, und wir können sie nicht wegdiskutieren. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um? Wir sind der Meinung: Wir müssen gestalten, anstatt Bedenken zu schüren. Gerade vor dem Hintergrund, dass eine Mehrheit von über 90 Prozent der Menschen mittlerweile sagt: „Datenschutz verhindert Innovation“, müssen wir vielleicht noch viel mehr positiv werben.

Da fällt zunächst einmal schon im Vorwort dieses Datenschutzberichtes auf, dass zwar der Bundesdatenschutzbeauftragte Professor Kelber sagt, die DSGVO sei ein Erfolgsmodell, der erste Satz danach aber dann gleich lautet: „Hierzu trägt … bei, dass wir … die Leitlinien zur Bußgeldzumessung in Europa beschlossen … haben.“ Er spricht von der KI als Chance im Wirtschafts- und Verwaltungsbereich – zu Recht –, sagt dann aber im nächsten Halbsatz, dass es unendliche Möglichkeiten für Missbrauch und für Diskriminierung bis hin zur Fälschung durch KI gebe. Ist das Zeitenwende, eine Zeitenwende, die Angst macht? Ich glaube, wir müssen das viel positiver angehen, und das hätte ich mir auch in diesem Bericht gewünscht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn man durch die Lande geht und über Digitalisierung spricht, dann fällt immer irgendwann der Begriff „Estland“, ein kleines Land, das sicherlich Vorreiter bei Digitalisierungsprojekten ist. Und man hört immer den Satz: Es gibt dort eine hohe Bereitschaft, Daten zu teilen. – Es gibt eine digitale Agenda 2030, die den Fokus zu Recht auf den Datenschutz legt, aber auch auf die Datenqualität und die Verwendbarkeit von Daten – und alle machen mit. Warum tun sie das? Weil sie den Nutzen sehen. Das betrifft auch Gesundheits- und Sozialdaten, beispielsweise bei dem Projekt e-Ambulance, das Notrufe innerhalb von 30 Sekunden erkennt. Es findet den nächsten freien Rettungswagen. Die Sanitäter werden sofort über die Blutgruppe, die Allergien, Rezepte, letzte Behandlungen oder Schwangerschaften informiert. So überwiegt das Positive. Das ist Estland.

Dieser Tage kontaktiert mich ein Hospiz aus dem Wahlkreis und sagt: Bei uns melden sich sterbenskranke Menschen, und wir wollen die Krankenkasse um Kostendeckung bitten. Da im Zuge der Digitalisierung das Faxgerät abgeschafft worden ist, läuft das folgendermaßen: Sie schreiben einen Brief an den Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Der Medizinische Dienst schreibt einen Brief, bestellt den Patienten ein bzw. besorgt sich die notwendigen Daten. Bis die Bewilligung erteilt wird, ist der Patient im Zweifel verstorben. Es ist langwierig, es ist kein Vorteil.

Kann der Bundesdatenschutzbeauftragte etwas dafür? Nein, wahrscheinlich nicht. Aber wenn ich in seinem Bericht die Herangehensweise sehe, dass Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter bei Verwaltungsdienstleistungen in abgestuften Verfahren prüfen sollen, ob eine Leistung ohne Nutzerkonto angeboten werden kann, ob eine Basisregistrierung ausreicht oder ob eine Registrierung am Ende notwendig ist, dann frage ich mich: Denkt eigentlich auch jemand mal an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden selbst? Wir haben einen Fachkräftemangel, und vielschichtige Prüfungen im Zuge von Digitalisierungsprojekten werden am Ende dazu führen – das ist die Lehre aus dem Registermodernisierungsgesetz der letzten Wahlperiode –, dass die Menschen, die damit arbeiten müssen, sagen: Dann lasse ich mir lieber ein Formular ausfüllen und erhebe die Daten zweimal. – Das ist der falsche Ansatz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will nur kurz zwei Beispiele bringen.

Erstens: das GTAZ, das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum. In diesen Zeiten ist der Austausch der 40 daran beteiligten Behörden wichtiger denn je. Ich kann nur davor warnen, das GTAZ durch Projekte, durch Gesetzgebung an die Kette zu legen.

Zweitens fordert Herr Kelber bei dem Projekt „Videokonferenzen in Zivilverfahren“, dass dabei nach der Frage abgeschichtet werden muss, welche Daten getauscht werden. Ich würde mir vielmehr wünschen, dass es nicht darum geht, welche Daten getauscht werden, sondern um die Frage: Wie machen wir diese Konferenzsysteme so sicher, dass auch sensible Daten über diesen Weg ausgetauscht werden können? Das habe ich vermisst.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich wünsche Herrn Kelber für die Zukunft menschlich wie persönlich alles Gute und Frau Professorin Specht-Riemenschneider einen guten Amtsantritt. Die ersten Impulse stimmen durchaus positiv.

Estland hat damals die Digitalisierung genutzt, weil es 1991 pleite war. Es hatte einen Haushalt in Höhe von 130 Millionen Euro. Vielleicht ist das die Brücke: Wenn wir die Haushaltsberatungen der Ampel in diesen Tagen sehen, dann sehen wir eine fast ähnlich desolate finanzielle Situation in diesem Land.

(Heiterkeit des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])

Vielleicht nutzen auch wir diese desolate Situation und die Chancen, die sich daraus ergeben, für mehr Digitalisierung und Mut bei der Datenschutzpolitik in diesem Land. Wir brauchen auch eine datenschutzpolitische Zeitenwende.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat die Kollegin Khan für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7613204
Wahlperiode 20
Sitzung 177
Tagesordnungspunkt Bericht Datenschutz und Informationsfreiheit 2023
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