26.06.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 177 / Tagesordnungspunkt 6

Carl-Julius CronenbergFDP - Ausnahme beim Mindestlohn ausländischer Erntehelfer

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anträge der AfD-Fraktion sind meist ohne Substanz und daher kaum eine Bereicherung der parlamentarischen Debatten.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])

Aber sie bieten mitunter den Vorteil, dass man erkennt, wes Geistes Kind Sie sind und wie widersprüchlich Ihre Positionen sind,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Man merkt, mit wem Sie koalieren! Hat schon abgefärbt!)

so auch der vorliegende Antrag. Deshalb eines vorab: Wenn die AfD glaubt, unsere Bauern

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das sind nicht Ihre Bauern!)

könnten den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Betriebe auf das Unterlaufen von Mindeststandards bei Lohn- oder Arbeitsbedingungen gründen, dann ist sie aber mächtig auf dem Holzweg.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Solche kruden Rettungsfantasien der AfD braucht kein Mensch.

Im Übrigen steht im AfD-Grundsatzprogramm, der gesetzliche Mindestlohn schütze Niedriglohnempfänger vor Lohndruck durch Migration. Oha!

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Thomae [FDP], an die AfD gewandt: Das steht bei euch drin?)

Dass ausländische Arbeitskräfte in der Vorstellungswelt der AfD minderwertig sein mögen und deshalb schlechter bezahlt werden dürfen,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Nee, die haben einen anderen Rechtsstatus!)

war erwartbar. Aber wie passt das, also Mindestlohn als Schutz vor Lohndruck durch Migration, bitte schön zum vorliegenden Antrag?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Die FDP jetzt als Anwalt der kleinen Leute! Ich lach mich schlapp! Die Ausbeuterpartei!)

Sie wollen also lieber einen Ausländer richtig schlecht bezahlen als Studenten, Rentner oder Bürgergeldempfänger zum Mindestlohn, also ausländische und inländische Beschäftigte aufgrund des Wohnorts unterschiedlich bezahlen? Was ist das für ein Menschenbild? Vor diesen Karren lassen sich unsere Landwirte jedenfalls nicht spannen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [Die Linke] – Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])

Interessant war auch die Mindestlohndebatte im letzten November. Da wird von der AfD in der gleichen Debatte – in der gleichen Debatte! – erst die Erhöhung des Mindestlohns durch Verzicht auf Anrechnung von Zulagen gefordert,

(Stephan Thomae [FDP]: Aha!)

dann der Antrag auf 14 Euro Mindestlohn abgelehnt und schließlich festgestellt, dass eine starke Mindestlohnerhöhung den Mittelstand überfordert. Ja, was denn nun? Sind Sie für eine Erhöhung, gegen eine Erhöhung

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen die nicht! – Stephan Thomae [FDP]: Typisch AfD!)

oder für eine Erhöhung, aber nicht für alle?

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Einfach nach dem Mund reden!)

Ihre Mindestlohnkakophonie offenbart in Wahrheit eines: Der AfD ist keine These zu steil, um Beschäftigte und Betriebe zu verunsichern. Das schadet diesem Land, das die AfD angeblich retten will.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Machen Sie doch mal einen konkreten Vorschlag jetzt! Genug AfD-Bashing! Mal zur Sache!)

Verlassen wir die steilen Thesen der AfD und blicken auf die Betriebe mit Sonderkulturen!

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Aha!)

Bei Obst sind die Ernten seit fünf Jahren auf gleichem Niveau und die Marktanteile der inländischen Erzeuger stabil.

(Frank Rinck [AfD]: Die Produktion wird aber immer teurer!)

Beim Spargel ist der Absatz in der Saison 2022 um 8 Prozent gesunken – in der Spargelsaison, also vor der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns. Wein leidet unter krassem Überangebot; gleichzeitig sinkt der Konsum. Niedrige Gewinne sind ungünstiger Marktentwicklung geschuldet. Der Hopfenanbau leidet unter zwei historisch schlechten Ernten – wohl kaum wegen des Mindestlohns.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, vielleicht doch! – Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ja, es gibt Betriebe, die die kräftige Mindestlohnerhöhung im Oktober 2022 vor große Herausforderungen gestellt hat. Aber solche Betriebe gibt es auch in der Gastronomie oder im Reinigungsgewerbe; auch da werden ausländische Saisonkräfte eingesetzt. Wer bekommt jetzt Ausnahmen, wer nicht?

Der AfD-Ansatz, am Mindestlohn herumzufuhrwerken, taugt nicht. Was landwirtschaftlichen Betrieben, und zwar allen – nicht nur denen mit Sonderkulturen –, wirklich hilft, ist Entlastung von Bürokratie und zu hohen Steuern.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Wilfried Oellers [CDU/CSU] – Zuruf von der AfD: Ja, dann machen Sie doch mal!)

Deshalb hat die Koalition diese Woche ein Agrarpaket mit weitreichenden Entlastungen auf den Weg gebracht:

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Axel Knoerig [CDU/CSU]: Aber was für eins!)

Erstens. Pflicht zur Stilllegung von 4 Prozent der Ackerfläche: wird abgeschafft.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Bei Weitem keine Kompensation der Mehrbelastungen!)

Zweitens. Genehmigungsverfahren bei Grünlandumwandlung: wird abgeschafft.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD] – Stephan Thomae [FDP]: Wir korrigieren die Belastungen der Union!)

Drittens. Steuersenkung durch Gewinnglättung: wird umgesetzt. Schwankende Ernten führen nicht mehr zu überhöhten Steuern.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Nicht klatschen! Machen!)

Auch davor haben wir schon viel für die Landwirte gemacht, lieber Kollege Oellers. Wir haben beispielsweise die Buchführungspflicht für kleinere Betriebe abgeschafft. Wir haben das Glyphosatverbot zurückgenommen.

(Beifall bei der FDP – Frank Rinck [AfD]: Lächerlich, was Sie da reden!)

Und wir haben das Baurecht bei Stallumbauten entschlackt

(Konrad Stockmeier [FDP]: So geht Entbürokratisierung!)

und Hürden beim Ausbau der Erneuerbaren gesenkt; ich will gar nicht davon anfangen. Alles das sind die Maßnahmen, die wirklich helfen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und wir sind noch lange nicht fertig damit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Thomae [FDP]: Wer hat’s gemacht? – Dr. Götz Frömming [AfD]: Ich sehe die Bauern schon jubeln! Deshalb waren die auch alle auf der Straße: weil das alles so toll ist! – Zuruf des Abg. Frank Rinck [AfD])

Wer hingegen die Debatte um die richtigen Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft auf Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn verengt, der hat doch ganz offensichtlich die wahre Dimension der Herausforderungen in der Landwirtschaft noch gar nicht begriffen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [Die Linke] – Stephan Thomae [FDP]: Das war auch nicht zu erwarten!)

Strukturwandel ist anstrengend. Aber ich weiß aus meiner Heimat im Sauerland, dass die Landwirte dazu bereit sind – unter einer Bedingung: dass Politik den Bäuerinnen und Bauern das Freiheitsvertrauen entgegenbringt, das sie verdienen.

(Frank Rinck [AfD]: Das ist unfassbar!)

Was gut für Vieh und Äcker ist, wissen die Landwirte selbst und Brüsseler Bürokraten nicht.

(Beifall bei der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: Die können auch in Freiheit sterben! – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Die Ampel auch nicht!)

Frank Rinck hat das Wort für die AfD.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7613238
Wahlperiode 20
Sitzung 177
Tagesordnungspunkt Ausnahme beim Mindestlohn ausländischer Erntehelfer
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta