27.06.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 178 / Tagesordnungspunkt 8

Lars CastellucciSPD - Begrenzung und Humanität im Asylrecht

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Herzlichen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Grundgesetz feiert den 75. Geburtstag. In meiner Heimatstadt Wiesloch haben engagierte Bürgerinnen und Bürger im Stadtpark ein begehbares Grundgesetz aufgestellt, sodass es erfahrbar und erlebbar wird. Das ist, wie ich finde, eine ganz tolle Aktion. Eine der Tafeln zeigt den Artikel 16a: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Ich danke den Bürgerinnen und Bürgern, dass sie dieses tolle Projekt auf die Beine gestellt haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich danke allen Bürgerinnen und Bürgern, die dabei helfen, diesen Verfassungsartikel tagtäglich umzusetzen: bei der Begleitung von Menschen zu den Behörden oder bei Sprachkursen. Vielen Dank, dass unsere Verfassung nicht nur ein Text ist, sondern jeden Tag gelebt wird.

Wir führen jetzt wieder eine Diskussion über das Asyl, wie jede Woche. Ich möchte an den Anfang stellen, dass ich stolz darauf bin, dass unser Land diesen Verfassungsartikel nach dem Krieg, nach den tiefsten Wirrungen in das Grundgesetz hineingeschrieben hat – übrigens aus der Erfahrung, dass seinerzeit Deutsche an den Grenzen abgewiesen worden sind. Dieser Verfassungsartikel war eine zivilisatorische Errungenschaft. Es war ein Schritt heraus aus der Barbarei. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union, wenn Sie jetzt eine Abschaffung dieses Verfassungsartikels fordern, dann ist das ein Schritt zurück in die Barbarei. Wir sollten unsere Verfassung schützen, gerade in dem Jahr, in dem sie Geburtstag feiert.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Detlef Seif [CDU/CSU]: Das ist doch Blödsinn! – Zuruf von der AfD: Die ist doch schon zigmal geändert worden!)

Wir sind in einer Zeit, die natürlich ihre Belastungen hat; darüber ist hier auch sehr offen gesprochen worden. Die Kommunen bräuchten so etwas wie eine Atempause.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Aha!)

Und darauf reagiert diese Regierung. Es gibt überhaupt gar keine Regierung, die mehr gemacht hätte und erfolgreicher gewesen wäre als diese Bundesregierung.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn, Herr Castellucci! Das glaubt Ihnen kein Mensch!)

Wir haben angefangen, Migrationsabkommen zu verhandeln, und wir haben die ersten bereits verabredet.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Mit wem denn? Nennen Sie doch mal Länder, mit denen Sie verhandeln!)

Wir haben eine Einigung auf europäischer Ebene erzielt. Wir haben Grenzkontrollen eingeführt. Wir bekämpfen die Schleuserkriminalität in internationaler polizeilicher Zusammenarbeit. Wir haben die Asylverfahren beschleunigt. Erklären Sie mir mal, was in der Vergangenheit, noch unter Coronabedingungen, von Herrn Seehofer im Vergleich dazu angepackt worden ist. Der hat einfach eine Coronarendite eingezogen und hat in der Zeit, in der er an der Regierung war, überhaupt nichts verändert. Also, diese Regierung handelt, und sie handelt erfolgreich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Alexander Throm [CDU/CSU]: So ein Käse!)

Mit Ihren Vorschlägen wollen Sie den Leuten Sand in die Augen streuen. Nehmen wir mal Albanien: Über fünf Jahre würde das für 3 000 Geflüchtete, die da hinsollen, geschätzt 1 Milliarde Euro kosten. Das ist nicht praktikabel. Erklären Sie mal, warum ein Kontinent mit 550 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern mit den Geflüchteten nicht zurechtkommt, aber ein Land wie Ruanda mit 12 Millionen Einwohnern alle Flüchtlinge aufnehmen soll. Wir brauchen doch Unterstützung und Freunde in der Welt. Da können wir doch nicht quasi als Gastgeschenk sagen: Da habt ihr unsere Flüchtlinge und unseren Atommüll, den müssen wir auch noch irgendwo unterbringen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Josef Oster [CDU/CSU]: Ungeheuerlich! Menschen mit Atommüll zu vergleichen! Das ist eine Entgleisung erster Güte!)

Und weil Sie, Herr Frei, hier auch wieder das Staatsangehörigkeitsrecht reingerührt haben und weil Ihr Fraktionsvorsitzender gestern geschrieben hat, dass das neue Staatsangehörigkeitsrecht, das heute in Kraft tritt, gegen die Interessen unseres Landes verstoße,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Throm [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

erzähle ich Ihnen jetzt etwas: Mein Vater ist in den 60er-Jahren nach Deutschland gekommen. Er hat, sobald es ging – das hat damals eine Weile gedauert –, die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen. Er hat in diesem Land gearbeitet. Er hat, wenn im Kindergarten ein Fest war, hinter dem Grill gestanden. Er hat, wenn im Betrieb eine Feier war, die Gitarre ausgepackt. Ihre Diskreditierung des Staatsangehörigkeitsrechtes, dieses In-Zweifel-Ziehen der Menschen, die die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen,

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Das ist Populismus!)

ist ein Schlag ins Gesicht von Millionen von Menschen, die sie in der Vergangenheit bereits angenommen haben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das sage ich Ihnen als Sohn eines Vaters, der selbst vor längerer Zeit die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat. Ich weise das in aller Klarheit zurück.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Das ist Spaltung, was Sie da machen, Herr Castellucci! Das ist Spaltung der Gesellschaft! Das ist unter Ihrem Niveau! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir feiern 75 Jahre Grundgesetz.

Herr Kollege Castellucci, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Und das schönste Geschenk, das wir unserem Grundgesetz machen können, ist, wenn wir es schützen und wenn wir es leben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf von der AfD: Das ist Realitätsverweigerung!)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Awet Tesfaiesus, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7613279
Wahlperiode 20
Sitzung 178
Tagesordnungspunkt Begrenzung und Humanität im Asylrecht
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