27.06.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 178 / Tagesordnungspunkt 11

Josip JuratovicSPD - Bundeswehreinsatz EUFOR ALTHEA

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Kolleginnen und Kollegen! Heute geht es um den deutschen Beitrag der Bundeswehr in der europäischen Friedensoperation EUFOR Althea in Bosnien-Herzegowina. EUFOR Althea ist das älteste Mandat der Vereinten Nationen, an dem deutsche Streitkräfte teilnehmen. Seit zwei Jahren und nach zehnjähriger Pause beteiligt sich unsere Bundeswehr wieder an der europäischen Friedensmission.

Gerade im Hinblick auf die geopolitische Lage, aber auch auf die Lage im Land selbst gibt es gute Gründe, das Mandat zu verlängern. In diesem Jahr gab die Europäische Union – auch dank dem Hohen Repräsentanten Christian Schmidt und der internationalen Gemeinschaft – ihr grünes Licht zur Eröffnung der EU-Beitrittsgespräche mit dem Land. Ein funktionierendes Bosnien-Herzegowina mit demokratischen Institutionen ist das große, überragende Ziel. Und dieses Ziel ist in Gefahr – gefährdet einerseits durch Kräfte von außen, die das Land sowie die ganze Region des westlichen Balkans zum Spielball globaler Mächte machen, und andererseits durch deren nationalistische Helfershelfer, die die Völker des Westbalkans seit drei Jahrzehnten geißeln.

Aus diesem Grund will ich mich auch im Namen des Hauses bei unseren Soldatinnen und Soldaten für ihren unermüdlichen Einsatz für die Sicherheit der Menschen in Bosnien-Herzegowina und für unsere eigene Sicherheit bedanken, verbunden mit dem Wunsch, dass sie bald gesund nach Hause zurückkehren können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Um langfristig Stabilität und Sicherheit zu schaffen, ist es allerdings unabkömmlich, die Demokratie vor Ort mit ihren Befürwortern zu stärken. Deshalb müssen wir von den Ländern des westlichen Balkans die Einhaltung demokratischer Werte fordern und das Spielbrett der Nationalisten endgültig verlassen. Kolleginnen und Kollegen, die Verfassung von Bosnien-Herzegowina beruht auf der Grundlage der antifaschistischen Bewegung. Damals wurde in der Verfassung Bosnien-Herzegowina als ein Staat der Kroaten, Serben und Muslime, die sich heute Bosniaken nennen, festgelegt, ein Staat der freien und gleichberechtigten Völker und Bürgerinnen und Bürger. Schon allein aufgrund dieser Tatsache dürfen wir uns auf keinen Fall auf das Spiel der Rollenaufteilung der Nationalisten einlassen. So zum Beispiel herrscht teilweise auch in unserem Haus das völlig verallgemeinerte Bild, dass die Bosniaken generell die Einzigen sind, die den Staat Bosnien-Herzegowina erhalten wollen. Die Serben hingegen werden generell als diejenigen bezeichnet, die diesen Staat aufspalten, während die Kroaten den Staat im Staat aufbauen wollen. Kolleginnen und Kollegen, diese Rollenverteilung spaltet das Land und muss bei uns endgültig aufgebrochen werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Zaklin Nastic [BSW])

Die große Mehrheit der Menschen in Bosnien-Herzegowina – unabhängig von nationaler und konfessioneller Zugehörigkeit – will Frieden und eine gemeinsame Zukunft bauen. Diese Menschen müssen wir unterstützen, damit sie gemeinsam institutionell ihren Staat aufbauen, der ihnen das ermöglicht. Wir müssen daher jeglichem Geschichtsrevisionismus eine klare Absage erteilen und einer neuen Generation eine faire Chance geben, ein gemeinsames Leben aufzubauen.

Dazu gehört vor allem, dass die Lehrpläne in den Schulen eine gemeinsame Geschichte beinhalten, statt dass die rechtmäßig verurteilten Kriegsverbrecher der jeweiligen Volksgruppen als Helden verehrt werden.

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist unabdingbar, dass die Aufteilung der Schulen nach Konfessionen und nationaler Zugehörigkeit beendet wird. Denn genau darin besteht die Gefahr, dass eine neue, von Nationalisten erzogene Generation hasserfüllt wieder bereit ist, gegeneinander Krieg zu führen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das robuste Mandat verhindert also nicht nur die Gefahr von außen, sondern auch die von innen, die wir in unserem Umgang mit Bosnien-Herzegowina beeinflussen und verhindern können. Kolleginnen und Kollegen, aus diesem Grund habe ich in Bezug auf den westlichen Balkan zwei Bitten:

Erstens. Stellen wir den politischen Akteuren des westlichen Balkans, denen wir hier teilweise den roten Teppich ausrollen, eine Frage: Wenn sie die Feinde in den anderen Volksgruppen sehen, wer sind dort dann ihre Freunde, mit denen wir dann gemeinsam eine Zukunft in Frieden und Sicherheit bauen wollen?

Und zweitens. Bei allem Verständnis für geopolitische Fragen dürfen wir nicht die Demokraten im Stich lassen wie im Fall Serbiens. Denn die Frage von Frieden und Stabilität sowie alle Fragen, die uns so wichtig erscheinen – wie beispielsweise die Kosovo-Frage oder die Androhung von Sezession in Bosnien-Herzegowina –, werden nur durch Demokraten gelöst werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie sind die Einzigen, die im Unterschied zu den Nationalisten dialog- und kompromissfähig sind.

Aus diesem Grund bitte ich Sie um erneute Zustimmung zum Mandat und um eine politische Kursänderung auf dem Westbalkan, damit wir über eine zukünftige Verlängerung dieses Mandats eines Tages nicht mehr zu sprechen brauchen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Wort hat der Abgeordnete Rüdiger Lucassen für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7613362
Wahlperiode 20
Sitzung 178
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz EUFOR ALTHEA
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