Nils SchmidSPD - Bundeswehreinsatz "United Nations Interim Force in Lebanon" (UNIFIL)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die UNIFIL-Mission existiert seit 1978 und wurde 2006 aufgrund der Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrates auf ein robustes Mandat erweitert. Die schiere Dauer des UNIFIL-Einsatzes zeigt ja schon an, in welch schwieriger Lage sich der Libanon nicht erst seit wenigen Jahren, sondern schon länger befindet: mittendrin in einer von Instabilität gekennzeichneten Region, häufig auch Spielball externer Akteure – ich erinnere an die langjährige Besatzung des Landes durch Syrien –, Opfer, aber auch Gestalter, Ausgangspunkt eines jahrzehntelangen Bürgerkrieges und eben auch Zielpunkt für Millionen von Flüchtlingen aus Palästina und seit mehr als zehn Jahren auch aus Syrien.
Es ist ein Land, das keine handlungsfähige Regierung hat, keinen Präsidenten. Ein Land, das kein Gewaltmonopol bei Polizei und staatlicher Armee hat, sondern häufig von Milizen beherrscht wird. In der jetzigen Lage ist das Land vom Zerfall bedroht; die meisten aktiven Kräfte, die auch wirtschaftlich viel beitragen können, haben das Land verlassen. Ein Land, in dem eine hochkorrupte Politikerkaste scheinbar nicht aus den Sesseln der Macht entfernt werden kann. Ein Land, das jetzt in dieser Situation besonders anfällig, besonders gefährdet ist.
Gleichzeitig ist es ein Land, von dem Bedrohungen für Israel ausgehen; nicht durch die staatlichen Stellen, aber durch die Hisbollah, die seit dem 7. Oktober deutlich verstärkt die Konfrontation mit Israel sucht, was zu Opfern unter der israelischen Zivilbevölkerung und zu vielen Zehntausenden Binnenvertriebenen geführt hat.
In dieser Situation gilt zweierlei: Selbstverständlich muss sich Israel, muss die israelische Regierung ihr Gebiet, ihre Bevölkerung gegen den Beschuss, gegen die Angriffe der Hisbollah verteidigen können, und da stehen wir an der Seite Israels, genauso wie gegen die Terrorattacken der Hamas. Gleichzeitig hat die Bundesregierung zusammen mit den Partnern in Europa und den USA sich von Anfang an dafür eingesetzt, dass es nicht zu einem regionalen Flächenbrand kommt.
Ich begrüße noch mal ausdrücklich die jüngste Reise unserer Bundesaußenministerin Baerbock in die Region. In Gesprächen im Libanon und in Israel haben Sie, Frau Baerbock, noch mal zu Recht darauf hingewiesen, dass in dieser Situation äußerste Zurückhaltung von allen Seiten erforderlich ist. Denn Pläne für die Eröffnung einer zweiten Front, eines zweiten Krieges würden nicht nur die Region gefährden, sondern auch die Staatlichkeit des Libanon insgesamt infrage stellen. Das wissen alle, die den Konflikt beobachten; das wissen auch unsere israelischen Freunde ganz genau.
Deshalb ist mehr denn je Diplomatie gefordert, und zwar mit dem klaren Ziel, dass die internationale Staatengemeinschaft die Zielvorgabe der UN-Resolution 1701 endlich auch konsequent unterstützt und verfolgt. Denn wenn die libanesischen Streitkräfte die komplette Kontrolle über das Staatsgebiet ausüben können, dann würde es zu diesen Angriffen auf Israel nicht mehr kommen können. Deshalb ist der Schlüssel, um diese Angriffe zu unterbinden, die Durchsetzung dieser UN-Resolution.
Wir müssen selbstkritisch sagen, dass ähnlich wie bei dem Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis die internationale Gemeinschaft sich lange damit begnügt hat, der Konfliktlage zuzusehen. Natürlich hat sie immer wieder darauf hingewiesen. Aber der Libanon braucht gerade in dieser Situation die internationale Aufmerksamkeit, die Unterstützung, um einen solchen regionalen Flächenbrand, die Möglichkeit eines Staatszerfalls oder eines Rückfalls in innerlibanesische Auseinandersetzungen und möglicherweise entsprechende Flüchtlingsbewegungen zu verhindern.
Deshalb ist es gut, dass Deutschland sich in der Region engagiert. Deshalb ist es gut, dass wir konkret UNIFIL jetzt erneut verlängern. Denn wie schon mehrfach darauf hingewiesen wurde: Es ist ein wichtiges Instrument nicht nur zur Beruhigung der Lage, sondern auch zur Ermöglichung von Gesprächen zwischen Israel und Libanon. Das Gute ist ja, dass es positive Ansätze bei der Demarkierung der Seegrenze gibt, und wir müssen das natürlich auf die Landgrenze ausdehnen. Das ist ein Teil der diplomatischen Unterstützung, die wir dort leisten können.
In diesem Sinne bettet sich der Einsatz unserer Bundeswehr ein in ein Konzept zur Stabilisierung der Region, zum Schutze Israels und zur Stabilisierung eines Schlüsselstaates im Nahen Osten. Deshalb: Vielen Dank an unsere Soldatinnen und Soldaten, die diesen gefährlichen Einsatz bestreiten! Ich bitte um Zustimmung zu diesem Mandat.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Als Nächstes erhält das Wort Hannes Gnauck für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Guter Mann! – Gegenruf der Abg. Deborah Düring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sicherlich nicht! – Weiterer Gegenruf des Abg. Philip Krämer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der darf ja nicht mal mehr Uniform tragen als Soldat!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7613419 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 178 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz "United Nations Interim Force in Lebanon" (UNIFIL) |