Jan DierenSPD - Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete in den demokratischen Fraktionen und Gruppen! Liebe Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben und Unternehmen! Das Gesetz, das wir hier heute endlich beschließen wollen, macht eigentlich nicht viel. Es sorgt bloß für rechtliche Klarheit bei der Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder. Das ist nicht viel, aber es ist sehr wichtig.
Die Arbeit im Betriebsrat ist ein Ehrenamt. Zigtausende Kolleginnen und Kollegen in den Betriebsräten in ganz Deutschland helfen bei Konflikten am Arbeitsplatz, sorgen dafür, dass Einstellungen, Versetzungen und Eingruppierungen fair ablaufen. Sie achten darauf, dass Arbeits- und Gesundheitsschutz eingehalten werden, nicht zu viele Überstunden gemacht werden, Unternehmen familienfreundlicher werden. All das machen sie ehrenamtlich und häufig sogar in ihrer Freizeit.
In Betrieben ab 200 Beschäftigten wird ein Betriebsratsmitglied freigestellt, da die Tätigkeit der Betriebsratsmitglieder so umfangreich ist, dass sie neben der eigentlichen Arbeit nicht mehr zu bewältigen ist. Freigestellte Betriebsratsmitglieder bekommen dafür keine Extravergütung, sondern ihren bisherigen Lohn einfach fortgezahlt.
Bislang gab es dazu eine sehr klare Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – von der haben wir jetzt schon häufiger gehört –, die besagte, dass sich die Löhne von freigestellten Betriebsratsmitgliedern so weiterentwickeln sollen wie die vergleichbarer Kolleginnen und Kollegen im Durchschnitt oder entsprechend dem, wie sich die Karriere des Betriebsratsmitglieds entwickelt hätte, wenn es nicht in den Betriebsrat gewählt und freigestellt worden wäre. Diesen Grundsatz hat nun der Bundesgerichtshof durch ein Urteil im letzten Jahr infrage gestellt und damit einen Widerspruch zwischen zwei höchsten deutschen Gerichten ausgelöst.
Diesen Widerspruch lösen wir jetzt mit diesem Gesetz auf und stellen klar: Die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern soll sich an der Lohnentwicklung vergleichbarer Beschäftigter orientieren, und wenn sich Unternehmensleitung und Betriebsrat auf Grundsätze dafür einigen und sie transparent in Betriebsvereinbarungen festhalten, dann ist das rechtmäßig. Das sorgt für rechtliche Klarheit, für Betriebsräte, aber auch – der Minister hat es erwähnt – für die Unternehmensleitung.
Das ist also keine große Gesetzesänderung. Sie steht aber für viel mehr; denn sie gibt denen Sicherheit, die sich entscheiden, ihren Arbeitsplatz mitzugestalten, die sich nicht damit zufriedengeben, die Dinge zu lassen, wie sie sind.
Viele Menschen erleben häufig auf der Arbeit, dass dort Entscheidungen getroffen werden, auf die sie keinen Einfluss haben: Investitionen, Arbeitsplatzabbau, Produktionsverlagerungen, Umschulungen. Gibt es Homeoffice oder nicht? – Das sind Entscheidungen, die für die Beschäftigten mal gut, mal schlecht sind, häufig weitreichende Folgen haben. In einer Zeit, die ohnehin von viel Unsicherheit geprägt ist, von Kriegen, Krisen, Inflation, kann es zu weiterer Verunsicherung beitragen, wenn Menschen dann auch noch am Arbeitsplatz erleben, dass dort Entscheidungen über ihren Kopf hinweg getroffen werden.
Dieser Verunsicherung wirkt Mitbestimmung entgegen. Über die Mitbestimmung haben die Kolleginnen und Kollegen in den Betriebsräten nämlich Einfluss auf Entscheidungen, die sie in ihrer Arbeit, in ihrem Leben betreffen. Je mehr dieser Entscheidungen von der Mitbestimmung geprägt sind, umso mehr Sicherheit gibt ihnen das.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Demokratie heißt ja, dass wir Menschen es nicht anderen, nicht Einzelnen überlassen, über unser Leben, über unsere Arbeit zu bestimmen, sondern das selbst machen, selbst darüber entscheiden, wie wir unser Leben und unsere Arbeit gestalten. Hubertus Heil, der Arbeitsminister, hat es gerade gesagt: Das passiert nicht nur in den Parlamenten – im Bundestag, in den Landtagen, in den Stadträten und Gemeinderäten in diesem Land –, sondern wir können überall Entscheidungen demokratisch organisieren, natürlich auch da, wo die Menschen die meiste Zeit ihres Lebens verbringen: am Arbeitsplatz.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und dafür sind Betriebsräte ein entscheidender Hebel. Betriebsräte sind unverzichtbar, um den Wandel der Arbeitswelt im Sinne der Menschen zu gestalten. Deshalb brauchen sie zeitgemäße Rechte, um zum Beispiel mit der Digitalisierung, mit künstlicher Intelligenz angemessen umgehen zu können, um diesen gesellschaftlichen Wandel selbst zu gestalten und Menschen darin Sicherheit zu geben,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
es ihnen also zu überlassen, sich Sicherheit selbst demokratisch zu organisieren. So sorgen Betriebsräte auch für mehr Demokratie am Arbeitsplatz, für mehr Demokratie in unserer Gesellschaft, und dabei wollen wir sie unterstützen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Als Nächste hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Beate Müller-Gemmeke.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7613551 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 179 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes |