28.06.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 179 / Zusatzpunkt 7

Susanne MittagSPD - Land- und Forstwirtschaftspolitik

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Da war ja mal wieder ordentlich Aufregung dabei, oder?

(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Zu Recht!)

Heute kommt die Landwirtschaft ein ganzes Stück voran, auch wenn es schwerfällt, das nachzuvollziehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gestern gab es einen Oppositionsantrag von Ihnen zur angeblichen Entlastung mit vielen unkonkreten Forderungen, die alles und nichts umfassen, mit der Maßgabe: Bloß nicht fachlich werden; denn dann kann man darauf festgenagelt werden.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Bleiben Sie mal bei Ihrer Geschichte! – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Wir beraten heute Ihren Antrag!)

Gerade gestern hat der wiedergewählte Präsident des Deutschen Bauernverbands in Cottbus festgestellt: Es ist ein massiver Strukturbruch in der Landwirtschaft. – Ja, das kann man sagen; dem stimme ich zu. – Seither besteht Unsicherheit. – Ja, das kann man auch noch bestätigen. – Seit über zehn Jahren sind erforderliche Maßnahmen nicht durchgeführt worden, hat er gesagt. Jawohl, da gibt es von uns richtig große Zustimmung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben im Koalitionsvertrag, aber auch zu Jahresanfang Maßnahmen zur Verbesserung der Struktur und der Zukunft der Landwirtschaft festgeschrieben, die wir schon umgesetzt haben und weiterhin umsetzen werden. Wir haben die Zukunftskommission Landwirtschaft, die ZKL, gebeten, dazu Vorschläge zu machen. Es macht wenig Sinn, wenn uns Verbände Hunderte von Vorschlägen vor die Füße werfen nach dem Motto „Macht das Beste draus!“ Dann sind am Ende alle unzufrieden. Das ist ein bisschen schwierig. Das ist auch kein fachlicher Austausch. So kommt kein tragfähiger Kompromiss zustande.

Leider wurden von der ZKL die Termine Mai und Juni, wo erste Ergebnisse geliefert werden sollten, gerissen. Wir hätten sie gerne jetzt schon aufgenommen, weil das oft sehr gute Vorschläge sind. Jetzt kommen sie erst im September. Aber ich bin optimistisch, dass wir sie übernehmen werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das zeigt doch, wie schwierig es ist, gute Lösungen für alle Beteiligten zu finden, selbst auf fachlicher Ebene. Oder muss ich mir da Sorgen machen? Spielt da vielleicht schon wieder politisches Handeln eine Rolle? Das wäre schade.

Wir ändern jetzt agrarrechtliche Vorschriften mit dem Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz. Es werden alle Lieferanten von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen vor unlauteren Praktiken noch besser geschützt. Ganz besonders Erzeuger von Milch, Obst und Gemüse hatten unter den bisherigen Bedingungen schwer zu leiden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind nun den Einzelhandelsverbänden nicht mehr derart ausgeliefert. Das war eine wichtige und richtige Forderung der Landwirtschaft.

Des Weiteren gibt es steuerliche Verbesserungen wie zum Beispiel die degressive AfA bei beweglichen Wirtschaftsgütern und die Anhebung der Sonderabschreibungsmöglichkeiten. Die Stromsteuerentlastungen sind auch in der Landwirtschaft angekommen.

Hinzu kommt jetzt die Tarifglättung. Alle Gewinne werden steuerlich auf drei Jahre verteilt. Die letzte Tarifglättung lief 2022 geplant aus. Nun folgt die von 2023 bis 2025. Dann folgt die von 2026 bis 2028. Es geht nur in Drei-Jahres-Abständen und auch immer nur im Nachgang, weil man ja nicht weiß, welche Gewinne erzielt werden. Das reicht. Der Beschluss ist also fristgerecht. Circa 500 000 Betriebe werden davon profitieren: pro Jahr 50 Millionen Euro weniger Steuern. Die Kosten teilen sich Bund, Länder und Kommunen.

Kurzfristig und einigermaßen überraschend wurden auf EU-Ebene mehrere Standards geändert und Anforderungen gesenkt oder gestrichen, sei es im Bereich Ackerstatus, Fruchtfolgen, Brachen oder sei es die Freistellung von Kontrollen und Sanktionen bei Betrieben unter 10 Hektar. Dies wurde eins zu eins umgesetzt, was kritisiert wurde. Und zur Kritik, dass das zu spät für die Agrarplanung sei: Ja, das wissen wir auch. Aber das war wohl dem Europawahlkampf geschuldet und geschah nicht mit dem Fokus auf eine realistische Agrarplanung.

Und was mich als Niedersächsin natürlich ganz besonders freut: Die Lage der bislang von der GAP unverhältnismäßig benachteiligten Milchviehhalter unter dem Aspekt Weidegang wird endlich von uns nachhaltig verbessert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das hätte schon in der letzten Legislatur erledigt werden können im Rahmen der neu aufgestellten GAP, genauso wie der oft sehr emotional geprägte Bereich Bürokratieabbau. Jeder versteht etwas anderes darunter. Gerne wird verallgemeinert. Aber jetzt wird es endlich konkret, sei es bei den Vorgaben der GAP, bei der Form und Größe von Blühstreifen, bei den Ohrmarken, bei der Wiederverwendung vorhandener Nachweise, bei der Abschaffung von Stichtagen, bei den Vereinfachungen zu Mindestbreiten, bei den Vereinfachungen zu Melde- und Dokumentationspflichten oder – ganz aktuell für die Länder; denn dort befinden sich die meisten Daten der Landwirte – beim Einstieg in die Tiergesundheitsdatenbank. Alles das und noch viel mehr erleichtert die Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte vor Ort; das wird wohl niemand negieren. Vieles aus diesen Bereichen hätte auch in der letzten Legislaturperiode stattfinden können; aber Sie waren nicht willens oder in der Lage.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Es ist doch an Ihnen gescheitert!)

Deswegen können Sie sich entsprechende Forderungen schenken oder endlich mal selber konkrete Vorschläge machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Damit endet unsere Vorhabenliste aber noch nicht. Wir haben auch Anpassungen im Bereich Biogas gemacht; zuständig sind hier die für Wirtschaft und Energie verantwortlichen Stellen. Förderungen von alternativen Antriebstechnologien haben wir auch noch auf dem Zettel – das gehört zum Verkehrsbereich –, und ein großes Thema ist der Umbau der Tierhaltung; hier sind wir schon auf einem gutem Weg bei den Themen Schwein und Außer-Haus-Verkauf. Und die Zeit drängt noch bei Rind/Milch und Eier/Geflügel.

Die Landwirte haben sehr wohl ein sehr hohes Interesse, daran teilzunehmen, und es wäre auch hilfreich, wenn die einen oder anderen Verbände ihre Landwirtinnen und Landwirte auch mal realitätsgetreu informierten, welche Möglichkeiten es gibt, und sich nicht auf einmal vom Konzept der Borchert-Kommission distanzierten, an dem sie selbst mitgearbeitet haben. Dann wären wir ein Stück vorangekommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Maximilian Mordhorst [FDP]: So ist es! Sehr richtig, was Sie sagen!)

Noch nicht endverhandelt ist die komplette Finanzierung. 1 Milliarde Euro ist vorhanden, und das ist wohl keine Kleinigkeit.

(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Wir brauchen 3 Milliarden!)

Interessant ist in diesem Zusammenhang der Vorschlag des Deutschen Bauernverbandes, zur Finanzierung die Mehrwertsteuer nur ein kleines bisschen anzuheben. Das geht nämlich laut EU-Recht. Da könnten wir uns tatsächlich einig werden. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung und wäre die Aktualisierung eines Finanzierungsvorschlages, der im Ergebnisbericht der Borchert-Kommission aufgeführt ist. Wir sind also immer noch in der Umsetzung des Berichtes der Borchert-Kommission und auf einem guten Weg.

Die Verhandlungen bis hierhin waren nicht einfach. Es gab den Willen zur Vereinfachung, die die Landwirte natürlich wollen, und das Bedürfnis nach Festschreibungen, die Bund, Länder, Ministerien und auch die Kommunen gerne hätten. Hinzu kommen noch Anforderungen der EU, aber auch die der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Ich bin sehr froh, wie gut alle zusammenarbeiten und dass bereits weitere Maßnahmen zum Bürokratieabbau beschlossen worden sind. Gerade diese Woche wurde per Umlaufbeschluss ein weiteres Vereinfachungspaket sozusagen in die Umlaufbahn gegeben, und das lässt für die Landwirtschaft wirklich hoffen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: In die Umlaufbahn?)

Frau Kollegin, Sie kommen zum Ende, bitte.

Es ist nicht im Sinne der Landwirtinnen und Landwirte, populistisch Allgemeinplätze – –

Frau Kollegin.

Bitte?

Die Redezeit ist zu Ende. Vielleicht haben Sie das Signal mit Ihrem Manuskript überdeckt.

Entschuldigung. Da ich einmal in Schwung war, habe ich das nicht gemerkt. Das tut mir leid.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Auch für prophetische Reden ist irgendwann die Redezeit beendet!)

Auf alle Fälle haben wir jede Menge gemacht, und wir sind noch nicht fertig.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Anke Hennig [SPD]: Sehr gute Rede!)

Für die AfD spricht Peter Felser.

(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Thomas Seitz [fraktionslos])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7613652
Wahlperiode 20
Sitzung 179
Tagesordnungspunkt Land- und Forstwirtschaftspolitik
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