04.07.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 181 / Tagesordnungspunkt 6

Roderich KiesewetterCDU/CSU - NATO-Jubiläumsgipfel - "75 Jahre NATO"

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Ausflug ins putineske sicherheitspolitische Nirwana danke ich zunächst allen Rednerinnen und Rednern, die deutlich gemacht haben: Die NATO ist in ihren 75 Jahren zu der sicherheitspolitischen Versicherung von 1 Milliarde Menschen in Nordamerika und in Europa geworden. Das ist das, was heute herausgestellt wurde.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich eine persönliche Anekdote anführen.

(Stephan Brandner [AfD]: Au ja!)

Im Jahr 2007 nahm ich als Oberst von SHAPE aus an der Münchner Sicherheitskonferenz teil und konnte Putin aufs Manuskript schauen.

(Mike Moncsek [AfD]: Nein!)

Diese Rede war die Verabschiedung Russlands aus der regelbasierten Ordnung. Es war die Forderung Putins in München, eine multipolare Ordnung unterschiedlichen Rechts und unterschiedlicher Einflusszonen aufzubauen. Wer es damals wissen wollte, konnte es schon erkennen: 2007 Cyberangriff auf Estland. Obwohl Deutschland und Frankreich den Beitrittsplan der Ukraine und Georgiens für die NATO aus guten Gründen damals verzögert haben: 2008 Angriff auf Georgien mit vielen hundert Toten, Besetzung bis heute und dann 2014 der Beginn des Krieges gegen die Ukraine.

Die NATO steht also seit langer Zeit vor großen Herausforderungen. Drei will ich ansprechen: Die eine ist, dass Russland nicht mehr allein agiert, sondern dass Russland eingebunden ist in eine Allianz der Lastenteilung mit China, Iran und Nordkorea, die sogenannte CRINK-Allianz. Der Begriff geht auf das Halifax International Security Forum zurück, hat sich aber inzwischen in der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik verankert. Wenn wir dies wahrnehmen, heißt das eben auch, dass es nicht nur ein Krieg Russlands gegen die Ukraine ist, sondern auch ein Krieg gegen die regelbasierte Ordnung, der konventionell gegen die Ukraine geführt wird, aber hybrid gegen uns.

Zweitens haben wir zu erwarten, dass von Amerika nach den Wahlen, egal wer Präsident oder Präsidentin sein wird, eine Lastenverschiebung nach Europa ausgeht. Diese Lastenverschiebung bedeutet, dass wir mehr Verantwortung übernehmen müssen, dass auf Deutschland mehr zukommt; ich spreche das gleich noch an.

Und das Dritte ist, dass wir eine Änderung in der Einstellung brauchen, im Mindset, in der strategischen Kultur. Es reicht nicht, aus dem Homeoffice heraus den Krieg zu beobachten und aus der Westentasche die Bundeswehr zu finanzieren. Es muss, meine Damen und Herren, meine Kolleginnen und Kollegen, deutlich werden, dass wir unserer Bevölkerung erklären, warum wir die Ukraine unterstützen; denn sie schützt die NATO, sie gewinnt dafür Zeit. Es geht darum, dass die regelbasierte Ordnung wiederhergestellt wird und sich nicht das Recht des Stärkeren durchsetzt. Deshalb braucht die Ukraine auch glaubwürdige Perspektiven in EU und NATO.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben nächste Woche den NATO-Gipfel. Es ist gut, dass der Bundeskanzler hier war. Schade, dass es dazu keine Regierungserklärung gab! Aber wir sollten unserem Bundeskanzler auch drei Aufgaben für unser Land mitgeben:

Erstens, dass wir uns auf mehr Lastenübernahme vorbereiten.

Zweitens, dass diese Lastenübernahme auch nicht nur in diesem und im nächsten Jahr, sondern nachhaltig finanziert sein muss. Das 2-Prozent-Ziel muss jetzt erreicht werden, und es darf nicht dem nächsten Bundestag überlassen werden, wie es denn ausgestaltet werden muss. Das muss diese Regierung leisten, damit wir glaubwürdig in den USA dastehen und auch glaubwürdig zeigen, dass wir bereit sind, mehr Lasten in Europa zu übernehmen, das immer waghalsiger regiert wird. Deswegen muss es auf den Stabilitätsanker Deutschland ankommen.

Und drittens, dass unser Bundeskanzler die Vorbehalte aufgibt, eine Sicherheitsperspektive für die Ukraine zu schaffen, die mehr ist als nur Sicherheitsgarantien, die sowieso getestet werden. Am Ende muss die Aussicht auf eine NATO-Mitgliedschaft bestehen, sobald die Sicherheitsbedingungen es zulassen. Dafür sollten alle Vorbehalte in Washington aufgegeben werden, auch um die Zukunft der NATO für weitere Jahrzehnte zu festigen. Es ist unsere Rückversicherung. Es ist die Rückversicherung für 1 Milliarde Menschen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7613957
Wahlperiode 20
Sitzung 181
Tagesordnungspunkt NATO-Jubiläumsgipfel - "75 Jahre NATO"
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