05.07.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 182 / Tagesordnungspunkt 27

Sebastian FiedlerSPD - Abschöpfung von kriminell erlangten Vermögen

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Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hauer, ich führe Sie ein bisschen weiter in die Vergangenheit zurück, weil ich glaube, dass ich hier derjenige bin, der sich am längsten mit der Geldwäschebekämpfung beschäftigt, nämlich seit 2010, wenn auch in anderer Rolle. Sie haben ja gerade diese tolle Berufsorganisation genannt, den Bund Deutscher Kriminalbeamter,

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Die kritisiert Sie ordentlich!)

die sich immer fachlich dazu einbringt.

Ich möchte meine Rede mit einem relativ ernsten Teil beginnen. 2010, als ich begann, mich mit dieser Thematik zu beschäftigen, hatten wir auch ein fürchterlich schlechtes Zeugnis von der Financial Action Task Force ausgestellt bekommen. Damals gab es einen Sachverständigen des Deutschen Bundestags, der sich national und international einen guten Ruf erarbeitet hatte. Das war der Diplom-Kaufmann Andreas Frank, dem auch der Bundestag viel Expertise zu verdanken hat. Er hat seinen Sachverstand in Bundesregierungen, Landesregierungen und Parlamente getragen. Er ist in diesen Tagen verstorben. Ich möchte deswegen die Gelegenheit nutzen, am Anfang meiner Rede an ihn zu erinnern.

Ich möchte Sie alle auch deswegen in die Jahre ab 2010 mit zurücknehmen, damit die Rede von Herrn Hauer in ein kompletteres Licht gerückt wird. Ich kann mich wirklich sehr, sehr gut daran erinnern, wie es in diesen Jahren gewesen ist, und ich muss Ihnen leider sagen, Herr Hauer: Soweit ich mich erinnere und auch all diejenigen, die da mitgestritten haben, hat sich die Union in all diesen Jahren – ich rede von den Jahren ab 2010 – echt nicht mit Ruhm bekleckert, und das ist sehr vorsichtig formuliert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])

Die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner damals im Deutschen Bundestag waren insbesondere zwei Parlamentarier. Es waren Gerhard Schick und Martin Gerster, mit denen wir es damals zu tun hatten. Ich erinnere mich noch gut, dass es das Ansinnen des damaligen Bundesfinanzministers war, ein Steuerabkommen mit der Schweiz abzuschließen und im Ergebnis auch die kriminell erworbenen Vermögen von Schwerstkriminellen zu amnestieren. Das ist Gott sei Dank am Engagement des Bundesrates, unter anderem an Norbert Walter-Borjans, gescheitert. Wir können froh sein, dass es nicht zu dieser staatlich organisierten Geldwäsche kam.

Ich erinnere daran, dass 2017 zwei Dinge stattgefunden haben. Auch daran habe ich eine gute Erinnerung; ich war damals selbst Sachverständiger im Bundestag. Thomas de Maizière, von dem ich sehr viel hielt und halte, hat da, glaube ich, einen seiner größten Fehler begangen. Er hat nämlich mit Wolfgang Schäuble verabredet, die Financial Intelligence Unit zum Zoll zu verlagern.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Das wollte auch die FATF so!)

Ich habe noch mal meinen eigenen Satz aus dem Ausschussprotokoll nachgeguckt: Lassen Sie davon ab, das ist ein großes Sicherheitsrisiko. – Und die Suppe löffeln wir heute noch aus.

Zudem haben sich 2017 – ebenfalls unter Thomas de Maizière; jetzt wieder was Gutes, zusammen mit Heiko Maas – die Vorschriften zur Vermögensabschöpfung verbessert. § 76a Absatz 4 StGB ist da entstanden und später von Christine Lambrecht verbessert worden. Das war wirklich ganz gut.

Die Genese ging etwas weiter zurück. Aber jetzt komme ich auf die Glaubwürdigkeit Ihres Antrages zu sprechen. Im März 2022 hat sich die Arbeitsgruppe „Kriminalpolitik“ der SPD-Fraktion wegen Putins Angriffskrieg damit befasst, dass wir in Deutschland keine nationale Sanktionsdurchsetzungsstelle hatten. Wie Sie wissen, haben wir die jetzt.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Die SPD hat da immer auf der Bremse gestanden, bei den Sanktionen!)

Wir haben uns in der Arbeitsgruppe mit deren Befugnissen befasst. Wie Sie wissen, gibt es die jetzt.

Der zweite Teil ist der gewesen – jetzt kommen wir zu Ihrem Antrag –: Wir haben uns ganz zu Beginn mit Professor Kilian Wegner zusammengesetzt, der nämlich die Idee hatte, ein neues Vermögenseinziehungsrecht zu schaffen. Mehrere Sitzungen in der Arbeitsgruppe haben dazu geführt, dass zwei Dinge passiert sind: Erstens. Schon seit November 2022 gibt es einen Gesetzentwurf, den er mit den Professoren El-Ghazi und Zimmermann veröffentlicht hat. Zweitens. Auch im November 2022 hat die Bundesinnenministerin bei der BKA-Herbsttagung die „Suspicious Wealth Order“ als Teil ihrer OK-Strategie vorgestellt. Also, man kann jedenfalls eins sagen: An der SPD-Bundestagsfraktion hat es hier nicht gelegen.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: An wem denn?)

Was passiert ist, ist, dass Sie ein Plagiat geschrieben haben und gedacht haben: Okay, da hat die SPD ganz gute Vorschläge unterbreitet. Jetzt machen wir einen Unionsantrag daraus.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Das ist doch abwegig! Dann müssten Sie ja zustimmen!)

Das können Sie machen. Sie müssen das nur transparent machen, damit die Leute wissen, wo Ihre Ideen herkommen; das gehört dazu.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Paralleluniversum!)

Um das Ganze noch auf die Spitze zu treiben: Sie haben ja jetzt nur Teile davon erzählt. Ich habe Ihnen das schon mal gesagt – und ich wundere mich wirklich –: Sie schlagen hier nicht mehr und nicht weniger vor – sagen Sie das den Leuten! – als eine riesengroße Föderalismusreform. Haben Sie Ihren Antrag eigentlich gelesen, Herr Hauer? Sie wollen – ich zitiere – „die bisher über Polizei- und Zollbehörden zerstreuten polizeilichen Kontroll-, Fahndungs- und Ermittlungsdienste im Bereich der Finanzkriminalität … einer … schlagkräftigen Zollpolizei“ unter dem Ressort des Bundesfinanzministeriums zuweisen.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Wir wollen die bestehenden Strukturen stärken!)

Ich habe viele Jahre im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen Wirtschaftskriminalität bearbeitet. Ich war verantwortlich für die Aus- und Fortbildung der Wirtschaftskriminalisten in Nordrhein-Westfalen. Ihr Antrag bedeutet: In allen kriminalpolizeilichen Dienststellen der Länder werden keine Finanzdelikte mehr verfolgt. Sprechen Sie das aus! Sie fordern mit Ihrem Antrag eine riesengroße Föderalismusreform,

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Das ist Quatsch!)

und Sie wollen den kriminalpolizeilichen Dienststellen der Länder sagen, sie würden das alles nicht richtig hinkriegen.

Ich sage Ihnen: Das Gegenteil ist der Fall. Das ist ein ziemlich irrer Antrag, was das angeht. Ich kann kaum glauben, dass Sie das ernst meinen. Ich weiß auch gar nicht, ob Sie mit Ihren Innenpolitikern kommunizieren. Tun Sie das doch mal, und fragen Sie, ob sie das auch vorschlagen wollen. Fragen Sie doch mal Herbert Reul, ob er findet, dass die Kripo in Nordrhein-Westfalen künftig keine Finanzdelikte mehr verfolgen soll! Wissen Sie eigentlich, was dann in Nordrhein-Westfalen passiert? Also, es tut mir wirklich fürchterlich leid: So funktioniert das nicht.

Was wir fordern – und das ist an die Bundesregierung gerichtet; wir tragen unsere Positionen seit über zwei Jahren vor uns her –: Wir haben die Erwartungshaltung, dass dieser Gesetzentwurf, der den Bundestag ja noch nicht erblickt hat, erheblich besser wird; das will ich Ihnen sagen. Ich bin der Auffassung – das verbindet uns wahrscheinlich –, dass wir außerhalb des Strafrechtes die Möglichkeit schaffen müssen, kriminell erworbenes Vermögen abzuschöpfen,

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Das schafft Ihr Referentenentwurf auch nicht!)

weil zwei Dinge gelten: Erstens. Mit der Unschuldsvermutung hat das alles gar nichts zu tun; das hat das Verfassungsgericht schon vor vielen Jahren gesagt. Und zweitens. Die Eigentumsgarantie – und das ist der wesentliche Punkt – aus dem Grundgesetz gilt nicht für kriminell erworbene Vermögen. Die 100 Milliarden Euro, die jedes Jahr erworben werden, das ist die größte Ungerechtigkeit aus finanzpolitischer Sicht. Sie gehört noch vor allen Steuerfragen diskutiert, und das können die Leute von uns erwarten.

Deswegen die klare Aufforderung an Bundesfinanz- und -justizministerium: Legen Sie einen schlagkräftigen Entwurf vor! Die SPD ist an Ihrer Seite.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Maximilian Mordhorst [FDP]: Und das Innenministerium?)

Das Wort hat der Abgeordnete Kay Gottschalk für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Thomas Seitz [fraktionslos])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7614269
Wahlperiode 20
Sitzung 182
Tagesordnungspunkt Abschöpfung von kriminell erlangten Vermögen
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