Bettina WiesmannCDU/CSU - Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir versuchen das mal mit einer nüchternen Auseinandersetzung.
Die Änderungen, liebe Ampel, die Sie am Schwangerschaftskonfliktgesetz vornehmen wollen, kommen zunächst harmlos daher. Es ist aus unserer Sicht in Ordnung, die Statistik über die Versorgung von Schwangeren in Konfliktsituationen zu verbessern. Es ist notwendig, dass Frauen ungehinderten Zugang zu Beratungsstellen und Abtreibungspraxen haben und auf ihrem schweren Weg nicht beleidigt werden. Und: Beratungsstellen und Arztpraxen, die diese Abbrüche durchführen, dürfen nicht an ihrer Arbeit gehindert werden. Darüber gibt es gar keinen Dissens.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Na, dann können Sie doch zustimmen!)
Aber das, was Sie hier heute als Problem bezeichnen – wir haben es schon ein bisschen gehört –, nämlich eine ständig mögliche Belästigungssituation, die eine Bannmeile erfordern würde, das gibt es so gar nicht.
Wir haben nämlich dazu nachgefragt. Und siehe da: Nach den vom Ministerium am Ende übermittelten Informationen der Länder und ebenso auch nach Angaben großer Träger von Beratungsstellen wurden keine konkreten Fälle von Belästigungen im Sinne des Gesetzentwurfs gemeldet.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Hört! Hört! – Nina Warken [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Eine pauschale Bannmeile wäre deshalb unverhältnismäßig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Was es aber da und dort gibt, sind religiöse Mahnwachen. Sie sind durch Meinungs- und Versammlungsfreiheit geschützt,
(Dr. Christina Baum [AfD]: Richtig! – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und durch dieses Gesetz!)
solange sie den ungehinderten Zugang zu Beratungen und deren Durchführung nicht behindern und niemanden beleidigen.
Im Fall dieser Mahnwachen gilt es deshalb, einen Weg zwischen Meinungsfreiheit und Unantastbarkeit der Personen zu finden. Und da geht es um ganz konkrete Situationen, um bestimmte Orte, Plätze, Straßen. Diese Konflikte wurden und werden vor Ort gelöst. Politik und gegebenenfalls dann Gerichte entscheiden, wie es geht, auf Grundlage von Polizei- und Ordnungsrecht.
(Dr. Christina Baum [AfD]: Sehr richtig!)
Das ist alles durch die Länder geregelt.
(Katja Mast [SPD]: Das stimmt nicht! Das ist falsch!)
Dafür braucht es kein neues Bundesgesetz.
(Beifall bei der CDU/CSU
In Frankfurt, wo ich herkomme, da gab es tatsächlich Mahnwachen vor einer Beratungsstelle, und da haben Gerichte dann alle Versuche der Stadt, einen 100-Meter-Abstand zu erzwingen, für nichtig erklärt.
(Denise Loop [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt also Fälle!)
Denn die räumliche Situation vor Ort erfordert das eben nicht, und so muss es auch sein; so muss es entschieden werden.
(Nina Warken [CDU/CSU]: Ganz genau!)
In der Anhörung am 13. Mai 2024 haben wir einhellige Kritik an zentralen Formulierungen des Gesetzentwurfs gehört. Das hat Sie nun bewogen, in dieser Woche einen Änderungsantrag nachzuschieben, der die kritisierten unbestimmten Rechtsbegriffe aber leider lediglich ändert. Er löst eben auch nicht das Grundproblem
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also gibt es ein Problem!)
der Spannung zwischen den allgemeinen Persönlichkeitsrechten einer ratsuchenden Schwangeren und den Grundrechten von Menschen, die Abtreibung eben falsch finden.
(Katja Mast [SPD]: Deshalb machen wir ja Politik, damit das gelöst wird!)
Was also bezwecken Sie wirklich? In der Zwischenzone zwischen Nötigung und Beleidigung einerseits und freier Meinungsäußerung andererseits erfinden Sie mit der Belästigung eine Art Nötigung oder Beleidigung light, die Sie als Ordnungswidrigkeit sanktioniert und unterbunden sehen wollen. Und damit – auch wenn Sie es eben anders vorgetragen haben – verschieben Sie die Koordinaten zulasten von Meinungs- und Versammlungsfreiheit; damit sind wir nicht einverstanden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist nämlich wirklich bedauerlich. Denn dass sich Frauen in Notlagen beraten lassen müssen, bevor sie bis zur zwölften Woche ohne Straffolge ihre Schwangerschaft abbrechen können, das ist ja genau der Kern des Konsenses, den die Gesellschaft hier in Deutschland vor gut 30 Jahren gebildet hat und der höchstrichterlich bestätigt worden ist.
Wir bitten Sie wirklich dringlich – das meine ich sehr ernst – im Interesse des Zusammenhalts in dieser Gesellschaft mit ihrer hart errungenen Verfassung und ihren hart erkämpften gesellschaftlichen Kompromissen, diesen Konsens nicht aufzukündigen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Bisschen pathetisch!)
– Ja, okay, ein bisschen pathetisch; aber es wird jetzt auch politisch. – Aber genau dorthin sind Sie unterwegs. Sie führen in der Diskussion immer wieder angebliche gesellschaftliche Veränderungen an. Ich frage Sie: Was hat sich denn am Grundrecht auf Leben ungeborener Kinder geändert?
(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)
Inwiefern ist das Selbstbestimmungsrecht der Frau heute gewichtiger als früher? Zumal angesichts der Kinderrechte, auf die Sie sich, mit meiner Zustimmung, immer wieder berufen – –
(Leni Breymaier [SPD]: Kinderrechte wollt ihr ja nicht!)
– Entschuldigung, das ist falsch. Das ist einfach falsch. Sie sind über unsere Position gar nicht informiert. – Ich kann nicht erkennen, was sich hier geändert hat.
Der Kompromiss des § 218 ist keine 200-Prozent-Lösung – die gibt es nicht –; vielmehr geht es um eine Balance, so gut sie eben sein kann. Das ist ablesbar daran, dass sowohl Feministen als auch Lebensschützer immer Kritik daran hatten.
(Leni Breymaier [SPD]: Dann ist ja alles gut!)
Wir leben in Zeiten großer Gefahren für unsere Demokratie. Ihre Funktionsfähigkeit beweist sich darin, dass sie genau in solchen Fällen von Spannungen, die man nicht auflösen kann, tragfähige Kompromisse entwickelt, die breit respektiert werden.
Und ein letztes noch: Über 100 000 Abtreibungen jedes Jahr zeigen,-
Sie müssen jetzt bitte zum Schluss kommen.
– dass es einen legalen und akzeptierten Weg gibt, nach reichlicher Überlegung und klugem Rat eine Schwangerschaft nicht auszutragen.
(Zurufe von der SPD)
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Letzter Satz!
Heute geht es um ein in weiten Teilen nicht notwendiges Gesetz, das wir deshalb ablehnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Die nächste Rednerin ist Katja Mast für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7614280 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 182 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes |