10.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 183 / Tagesordnungspunkt 2, 3, Epl 08,20,32,6

Dennis RohdeSPD - Allgemeine Finanzdebatte, Haushaltsbegleitgesetz 2025, Nachtragshaushaltsgesetz 2024

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Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei jedem anderen Redner der Union hätte ich jetzt zu Beginn kritisiert, dass es wieder eine Rede komplett ohne eigenen Vorschlag war. Aber, Herr Middelberg, Sie sind im Sommer aufgefallen. Sie haben uns einmal Einblick in die Vorschläge und Ideen gegeben, die so in der Union reifen. Und Sie haben eine massive Bruchlandung erlebt.

Sie haben vorgeschlagen, die Bildungsprogramme zusammenzustreichen, vorneweg das Startchancen-Programm für die Schwächsten in unserer Gesellschaft. Sie haben vorgeschlagen, die Demokratie- und Zivilgesellschaftsprogramme zusammenzustreichen. Und Sie haben prompt die Antwort Ihrer eigenen stellvertretenden Bundesvorsitzenden bekommen: Frau Prien hat das Ganze als „töricht“ bezeichnet – und das mit Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

In dieser Zeit Vorschläge zu machen, bei Bildung, bei Demokratie und bei Zivilgesellschaft zu sparen, auf diese Idee muss man tatsächlich erst mal kommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich will gleich zu Beginn anhand dieser Beispiele für unsere Fraktion deutlich sagen: Wir tagen in jeder Woche, in der wir Fraktionssitzung haben, im Otto-Wels-Saal als Erinnerung an den Sozialdemokraten, der unweit von hier gegen das Ermächtigungsgesetz gesprochen hat. Wir gehen vorbei an den Namen deren, die die Courage hatten, hier den Nazis die Stirn zu bieten. Wir stehen in der Tradition dieser mutigen Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Deshalb werden wir immerzu für Demokratie und für die unveräußerlichen und universellen Menschenrechte kämpfen und auch ganz besonders in diesem Haushalt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zur Wehrhaftigkeit dieser Demokratie gehört auch, dass wir der Verantwortung gerecht werden, dafür zu sorgen, dass sich Menschen in diesem Land sicher fühlen,

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Das ist eine Finanzdebatte!)

dass sie in diesem Land sicher leben können, dass sie vor islamistischem Terrorismus, aber auch vor Extremismus in jeglichem Sinne sicher sind.

Da geht es nicht nur ums Ordnungsrecht – das wird diese Woche auch noch diskutiert –, sondern da geht es auch darum, dass der Staat sein Gewaltmonopol durchsetzen kann; da geht es auch darum, dass unsere Sicherheitsdienste vernünftig ausgestattet sind. Deshalb ist es richtig und ein starkes Zeichen einer wehrhaften Demokratie, dass Nancy Faeser dafür gesorgt hat, dass fast 1 Milliarde Euro mehr für die Sicherheitsdienste zur Verfügung steht, um eben auch das Gewaltmonopol dieses Staates durchzusetzen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zu unserer Sicherheit gehört auch, dass internationale Regeln gelten, dass die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren gilt, dass die internationale Ordnung durchgesetzt wird, weil sie es am Ende ist, die uns und unsere Freiheit schützt. Darum werden wir auch weiterhin der Ukraine helfen: weil gerade in der Verteidigung gegen die russische Aggression auch die internationale Ordnung geschützt wird.

(Beatrix von Storch [AfD]: Sie sollen hier erklären, wie Sie das alles bezahlen wollen! Das ist die Debatte!)

Und trotz aller Unkenrufe: Wir werden auch in Zukunft in großem Maße die Ukraine unterstützen. Es ist ein richtiger Vorschlag des Bundeskanzlers, zu sagen: Bevor alle nationalen Haushalte belastet werden, versuchen wir, das eingefrorene Vermögen zu nutzen und der Ukraine jetzt viel Geld für Waffen zur Verteidigung zur Verfügung zu stellen. Aber ich sage auch: Wenn das am Ende nicht gelingt, dann sind wir wieder am Ball, und dann werden wir der außergewöhnlichen Notsituation in der Ukraine begegnen und unserer Verantwortung gegenüber der russischen Aggression gerecht werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])

Aber für uns gehört zur Friedenspolitik nicht nur die militärische Dimension, sondern immer auch die humanitäre. Wir wollen nicht, dass dieses Thema, wie es gerade einige versuchen, auf dem populistischen Scheiterhaufen geopfert wird; das lassen wir nicht zu. Wir wollen nicht, dass diejenigen, die sich selbst Patrioten nennen, aber mit ihrer Politik genau das Gegenteil bewirken, in diesem Land die Deutungshoheit bekommen.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das entscheidet der Wähler!)

Ich möchte daran erinnern: 2015 ist den internationalen Organisationen, den Flüchtlingshilfswerken das Geld ausgegangen. Die Folgen sind uns allen bekannt. Wir wollen, dass Fluchtursachen wirksam bekämpft werden. Aber wer das will, der muss Menschen auch Perspektiven bieten. Wir schämen uns nicht, das zu sagen und uns dafür in diesen Haushaltsverhandlungen auch einzusetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Finanzminister ist auf die wirtschaftliche Situation und auf das, was wir vorhaben, eingegangen. Ich möchte aber schon noch einmal in Erinnerung rufen: Als wir vor zwei Jahren hier diskutiert haben, hatten wir Wirtschaftsprognosen, die desaströs waren. Ein massives Schrumpfen unserer Wirtschaft wurde uns als Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine vorhergesagt. Und es wurde vorhergesagt, dass man in diesem Land nie wieder günstig Strom und Gas beziehen kann. Ich möchte feststellen: Die Strom- und Gaspreise sind heute auf Vorkriegsniveau,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

und das ohne Russland und ohne den Ausstieg aus dem Atomausstieg. Das schafft man nicht mit Alarmismus, sondern indem man besonnene Entscheidungen trifft, und das haben wir hier in den letzten Jahren getan.

Jetzt geht es darum, eine Initialzündung für unsere Wirtschaft loszutreten. Wir sind der festen Überzeugung, dass das Wirtschaftspaket, dass die 49 Maßnahmen wirken werden.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ja, welche denn?)

Und das ist natürlich auch unsere Annahme hier im Haushalt. Wer jetzt kritisiert: „Das Bürgergeld ist zu niedrig veranschlagt, die Steuermehreinnahmen sind zu hoch veranschlagt“, der glaubt nicht an die Wirtschaftskraft in diesem Land. Wir glauben, dass sie entfesselt wird, dass Menschen Arbeit finden und dass das alles solide veranschlagt ist. Wir glauben nämlich an unsere Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Aber der Wähler glaubt da nicht mehr dran!)

Wir sind uns bewusst, dass wir in dieser Zeit des Wandels auch Verantwortung für die Arbeitsplätze in diesem Land tragen. Das haben wir während der Coronapandemie bei der Lufthansa und bei TUI gezeigt,

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: VW!)

indem wir zeitweise eingestiegen, dann aber auch wieder ausgestiegen sind. Und das werden wir in dieser Woche auch bei der Meyer Werft zeigen, wo es darum geht, das Erwerbseinkommen von 15 000 bis 20 000 Familien abzusichern – ein Unternehmen, das eigentlich gut aufgestellt ist, bei dem es aber unternehmerische Fehlentscheidungen gab. Aber wir lassen diese 20 000 Menschen diese Fehlentscheidungen nicht ausbaden, sondern wir unterstützen die Werft, damit sie wieder auf eigene Füße kommt. Wir stärken die Familien, die dort ihre Beschäftigung haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir beginnen heute mit den parlamentarischen Beratungen. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten eigene Vorschläge machen. Wir werden uns sicherlich an der ein oder anderen Stelle reiben, weil die Vorstellungen, die die Fraktionen haben, sicherlich nicht an jeder Stelle deckungsgleich sind. Aber wenn die Wahlen im Osten eins gezeigt haben, dann ist es, glaube ich, dass die Menschen möchten, dass das im Stil und im Umgang anders geschieht, dass wir zwar hart in der Sache streiten, das allerdings nicht auf offener Bühne machen.

(Peter Boehringer [AfD]: Die SPD hat ungefähr nur noch 6 Prozent!)

Ich glaube, dafür sind die Arbeitsgruppen Haushalt in den letzten drei Jahren Garant gewesen. Wir wollen harte Auseinandersetzungen; aber wir werden das im Stil und im Umgang vernünftig machen. Ich glaube, dafür stehen auch Sven-Christian Kindler und Otto Fricke. Wir werden das vernünftig hinbekommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

An einer Stelle, Herr Minister, haben Sie mich gerade angesprochen, als es nämlich um die Frage der GMA ging, also um die Frage: Wie viel Geld bleibt am Ende eines Haushaltsjahres eigentlich noch liegen? Wie viel schafft es die Bundesregierung nicht zu verausgaben? Ich will es mal anders formulieren: Ich finde, Sie machen sich da schwächer als Sie sind. Ich bin der festen Überzeugung: Wenn diese Regierung vernünftig arbeitet, wird sie am Ende weniger als 12 Milliarden Euro GMA haben und viel mehr nicht verausgabt bekommen. Das ist das Ziel. Darum finden wir, dass die GMA noch mal abgesenkt werden muss.

Aber wenn wir dasselbe Ziel haben und Sie das eigentlich auch so sehen und wenn das der Regierungsentwurf ist und es an der Stelle vielleicht noch Optimierungsbedarf gibt, dann freue ich mich darauf, dass wir innerhalb der Bundesregierung abgestimmte einvernehmliche Vorschläge bekommen werden. Denn die Verantwortung dafür, finde ich, ist nicht alleine dem Parlament zu übertragen, sondern es geht uns alle an, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Antje Tillmann [CDU/CSU])

Wir werden uns als sozialdemokratische Fraktion in den nächsten Wochen dafür einsetzen, dass die äußere Sicherheit, die Unterstützung der Ukraine nicht gegen die innere Sicherheit, die Aufwüchse bei den Sicherheitsbehörden, ausgespielt wird. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Themen der sozialen Sicherheit, ein funktionierendes Rentensystem, ein funktionierendes soziales Netz, wenn ich Schicksalsschläge im Leben erlitten habe, nicht gegen die innere und äußere Sicherheit ausgespielt werden.

Wir werden hart streiten. Aber ich bin der festen Überzeugung: Wir werden, auch wenn wir unterschiedliche Fraktionen sind, am Ende einen Kompromiss finden, weil wir den Kompromiss nicht scheuen. Wir wissen: In einer parlamentarischen Demokratie, in so einer Koalition gehört der Kompromiss dazu. Den zu suchen und zu finden, wird unsere Aufgabe in den nächsten Wochen sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Peter Boehringer.

(Beifall bei der AfD – Stephan Brandner [AfD]: Da flüchtet der Kanzler!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7614774
Wahlperiode 20
Sitzung 183
Tagesordnungspunkt Allgemeine Finanzdebatte, Haushaltsbegleitgesetz 2025, Nachtragshaushaltsgesetz 2024
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