Sven-Christian KindlerDIE GRÜNEN - Allgemeine Finanzdebatte, Haushaltsbegleitgesetz 2025, Nachtragshaushaltsgesetz 2024
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist im Frühjahr viel gewarnt worden vor einem harten Sparhaushalt. Wir haben uns als Fraktion, wie viele andere auch, klar gegen Kürzungen im sozialen Bereich, Kürzungen bei der Demokratieförderung oder beim Klimaschutz ausgesprochen. Wenn ich mir den Haushaltsentwurf jetzt anschaue, dann bin ich sehr froh, dass die Bundesregierung zu sehr großen Teilen auf den Rat aus dem parlamentarischen Raum, auf den Rat aus der Gesellschaft gehört hat. Ein Kaputtsparen beim Klima hat es mit diesem Haushaltsentwurf nicht gegeben, und das wird es auch in Zukunft mit uns nicht geben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn man sich die Ausgaben im Haushalt 2025 anguckt, dann sieht man: Sie liegen auf dem Niveau des Haushaltes 2024. Die Etats der Ministerien liegen 20 Milliarden Euro über dem Finanzplan. Ein harter Sparkurs, so wie ihn Herr Middelberg gefordert hat, hätte unser Land entzweit. Der Kollege Rohde hat es gesagt: Herr Middelberg hat für die Unionsfraktion gefordert, dass man bei der Digitalisierung in den Schulen spart, dass man Schüler, die Nachhilfebedarf haben, nicht mehr unterstützt, dass man Sozialausgaben kürzt, dass man Mittel für Demokratieinitiativen gegen Islamismus oder Rechtsextremismus wegkürzt. Alles das hat die Unionsfraktion gefordert. Diesen harten Sparkurs wird es mit uns und mit dieser Koalition nicht geben. Das unterscheidet uns von dieser Union.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Pascal Kober [FDP])
Stattdessen setzen wir mit diesem Haushalt Prioritäten,
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Schulden!)
zum Beispiel bei einer guten Versorgung und Absicherung von Kindern. 4 Milliarden Euro werden wir in den nächsten zwei Jahren für mehr Erzieherinnen und Erzieher in Kindergärten bereitstellen. Wir sichern die Kinderhilfe, wir sichern Kinder- und Jugendarbeit in Form der ehrenamtlichen Betreuung.
Wir haben zum Beispiel auch dafür gesorgt, dass Kinder und Familien mehr Geld in diesem Land bekommen. Für uns Grüne ist die Bekämpfung von Kinderarmut ein Topthema in dieser Koalition. Deswegen erhöhen wir das Kindergeld, den Kinderzuschlag und den Kinderfreibetrag. Das sind zusammen 3 Milliarden Euro, die direkt den Familien in diesem Land helfen. Das ist ein echter Erfolg für die Kinder in diesem Land.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Auch beim Klimaschutz handelt die Bundesregierung. Der Klima- und Transformationsfonds bleibt trotz des Urteils aus Karlsruhe im Kern erhalten. Wir fördern klimafreundliches Heizen, wir fördern klimafreundliches Bauen und Produzieren mit Milliarden. Und wir investieren auch in die Deutsche Bahn; wir investieren jetzt 5 Milliarden Euro mehr in die Bahn als in die Schiene.
(Stephan Brandner [AfD]: Mehr in die Bahn als in die Schiene? Wie soll das denn gehen?)
Damit halten wir ein klares Versprechen aus dem Koalitionsvertrag. Wir investieren massiv in den Klimaschutz und in unsere Zukunft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: 5 Milliarden mehr in die Bahn als in die Schiene?)
– Wir investieren 5 Milliarden Euro mehr in die Schiene als in die Straße.
(Stephan Brandner [AfD]: Ah! Das ist ja was ganz anderes!)
Das ist die Wahrheit über diesen Haushaltsentwurf.
Die Union hat uns im Vorfeld Tricksereien vorgeworfen. Ich finde, das kann man leicht sagen; man muss sich aber die Details im Konkreten anschauen. Wir werden mit diesem Etatentwurf und den Gesetzentwürfen, die vorliegen, das Haushaltsrecht entstauben – es gehört dringend modernisiert –, zum Beispiel bei den Zinskosten. Wir werden jetzt bei der Verlängerung von Anleihen nicht mehr auf einen Schlag die Zinsdifferenz zahlen, sondern die Zahlungen periodengerecht über die Zeit verteilen, so wie das international empfohlen wird, so wie das viele Expertinnen und Experten schon lange fordern. Auch wir haben diese Forderung schon 2015, damals in der Opposition, eingebracht.
Zur Wahrheit gehört – das muss man sagen –: Ohne die riesigen Disagio- und Agioeffekte hätten Wolfgang Schäuble und die Unionsfraktion nie die schwarze Null geschafft. Ohne die massiven Zinskosteneffekte hätten sie nie ihren Haushalt sanieren können. Was wir jetzt machen, führt dazu, dass man beim Haushalt besser planen kann, dass das Ganze verlässlicher wird. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU)
Aber natürlich ist auch klar: Dieser Haushalt ist nicht an allen Ecken und Enden zu Ende gedacht. Mir ist tatsächlich nicht klar, wie man ernsthaft in der aktuellen Weltlage bei den Mitteln der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit so drastisch kürzen kann.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)
Jeder Euro, der zusätzlich für die humanitäre Hilfe zur Verfügung steht, rettet das Leben von Menschen in Not. Es mag pathetisch klingen; aber genau so ist es. Wir haben eine Verpflichtung – gerade als reiches Land –, Menschen in Not, Menschen in Katastrophengebieten zu helfen. Punkt!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Beatrix von Storch [AfD]: Bis zu welcher Grenze? – Zuruf des Abg. Sebastian Brehm [CDU/CSU])
Das ergibt sich aus dem Fundament unserer Gesellschaft: dem Grundgesetz mit der Orientierung an den Menschenrechten,
(Beatrix von Storch [AfD]: Menschenrechte der Welt!)
der Mitgliedschaft der Bundesrepublik in den Vereinten Nationen und der christlichen Prägung in Deutschland mit der Nächstenliebe.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Selbst wenn man diese Überzeugung nicht teilt, dann gibt es neben dieser ethischen Verantwortung auch ganz harte geopolitische Fakten, die man zur Kenntnis nehmen muss: Je weiter wir uns aus der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe heraushalten, je weiter wir uns als westliche Demokratien vor Ort zurückziehen, desto mehr Platz lassen wir Autokraten, desto mehr Platz lassen wir Despoten wie Wladimir Putin und Xi Jinping. Das ist die bittere Realität.
(Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD])
Deswegen werden wir als grüne Fraktion mit den Ampelpartnern sehr konkret über humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit reden müssen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Sie machen das doch von den Grünen!)
Und Gleiches gilt für die Unterstützung der Ukraine. Es ist richtig und gut, dass die Bundesregierung im Rahmen der G 7 50 Milliarden Euro bereitstellen will, finanziert über die Zinsgewinne aus eingefrorenem russischen Vermögen. Das ist richtig, das unterstützen wir. Gleichzeitig ist auch klar: Wir müssen auch dieses Jahr der Ukraine kurzfristig mit mehr militärischer Unterstützung helfen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: „Keine Waffen in Kriegsgebiete!“)
Sollte es zu Schwierigkeiten bei der G-7-Initiative kommen und der Deal sich verzögern, dann ist klar: Da müssen wir im Haushaltsausschuss noch mal ran. Denn für uns ist völlig klar: Es gibt eine rote Linie, die Wladimir Putin überschritten hat. Internationales Recht gilt, und unsere Freiheit wird in der Ukraine verteidigt.
(Stephan Brandner [AfD]: Und am Hindukusch!)
Unsere Freiheit in Deutschland und Europa wird in der Ukraine verteidigt. Wir werden nicht nachlassen, die Ukraine zu unterstützen. Das ist ein klares Versprechen, das wir hier abgeben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD])
Wir erleben jetzt mehrere Zeitenwenden. Das eine ist die Zeitenwende durch den brutalen Angriffskrieg Wladimir Putins auf die Ukraine, der unsere ganze internationale Ordnung bedroht, der massive Auswirkung auf die außenpolitische Sicherheit und die innenpolitische Sicherheit hat. Schauen wir uns zum Beispiel die ganzen Cyberangriffe an und wie hier Demokratie verächtlich gemacht wird, auch durch den Kreml; das müssen wir auch gerade hier im Parlament manchmal leider ertragen.
Wir haben aber auch andere Zeitenwenden. Wir haben eine massive Klimakatastrophe, ein großes Artensterben, das wir in diesem Frühjahr und diesem Sommer wieder erleben mussten. Und wir haben einen großen Investitionsstau nach 16 Jahren unionsgeführter Regierung, in denen wir viel zu wenig investiert haben. Das haben wir leider auch bei der Fußballeuropameisterschaft der Männer gesehen, wo ein Debakel bei der Deutschen Bahn passiert ist, nach 12 Jahren CSU-Ministern in Verantwortung.
(Stephan Brandner [AfD]: Und 3 Jahren FDP-Minister!)
Insofern sagen wir klar: Wir haben in diesen großen Zeitenwenden einen Investitionsstau bei der inneren und äußeren Sicherheit und bei der Klimakatastrophe. Diesen Stau aufzulösen, das kann man nicht aus der Portokasse finanzieren; da brauchen wir andere Finanzregeln, um das anzugehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen fordern wir die Union hier im Bundestag auf, sich Gesprächen mit den Bundesländern, wo viele CDU-Ministerpräsidenten bereit sind, über eine Reform der Schuldenbremse zu reden, nicht weiter zu verweigern.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen darüber reden, wie wir investieren können in eine gute Bahn, gute Busse, gute Schulen, innere und äußere Sicherheit, Klimaschutz. Das sind wichtige Gespräche, die wir parteiübergreifend führen müssen.
Ansonsten freue ich mich auf die Haushaltsberatungen. Das ist der Ort, wo wir über Alternativen diskutieren können, wo wir gemeinsame Kompromisse und Ideen finden können, um vieles aus diesem Entwurf noch besser zu machen. Wir sind der Haushaltsgesetzgeber. Ich freue mich auf die Arbeitsgruppen von FDP und SPD, also stellvertretend mit Otto Fricke und Dennis Rohde, um daran konstruktiv-kollegial zusammenzuarbeiten. Ich glaube, am Ende werden wir zu guten Lösungen kommen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Als Nächster hat das Wort für die FDP-Fraktion Christoph Meyer.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7614776 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 183 |
Tagesordnungspunkt | Allgemeine Finanzdebatte, Haushaltsbegleitgesetz 2025, Nachtragshaushaltsgesetz 2024 |