10.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 183 / Tagesordnungspunkt 2, 3, Epl 08,20,32,6

Thorsten RudolphSPD - Allgemeine Finanzdebatte, Haushaltsbegleitgesetz 2025, Nachtragshaushaltsgesetz 2024

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verstehe sehr gut, dass wir bei unseren Debatten hier vieles durch die parteipolitische Brille sehen. Aber wenn ich höre, was heute aus der Union kommt – „maximal unrealistisch“, „maximal unsolide“, „missraten“, „erbärmliches Theater“ –:

(Beatrix von Storch [AfD]: Und das ist noch nett!)

Dann ist da schon sprachlich Maß und Mitte verloren gegangen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Da geht es nicht mehr um die besten Lösungen für unser Land, sondern nur noch um Fundamentalopposition und maximalen Druck auf die Koalition – und das ohne einen einzigen eigenen Vorschlag.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Meine Damen und Herren, das war auch bei vielen haushaltspolitischen Diskussionen der letzten Wochen und Monate so. Und ich meine jetzt nicht die Diskussionen um unsere haushalterischen Feinschmeckerthemen wie globale Minderausgaben, die Verbuchung von Agien und Disagien oder die Auswirkungen finanzieller Transaktionen auf die Schuldenbremse, sondern ich meine die Diskussionen, die von vielen Bürgerinnen und Bürgern und erst recht in der Zivilgesellschaft sehr genau verfolgt werden und sehr genau wahrgenommen werden.

Nehmen wir allein die Diskussion um die Entwicklungshilfe. Da hetzen die vereinigten Populisten dieses Landes gegen die Entwicklungshilfe im Allgemeinen und gegen Radwege in Peru im Speziellen und fordern deutsches Geld für deutsche Bürger.

(Beatrix von Storch [AfD]: Und zwar zu Recht!)

Was für ein Quatsch!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als ob wir vor allem deshalb Entwicklungshilfe leisten, weil wir rot-grün versiffte Gutmenschen sind, oder die Union in ihrer Regierungszeit, weil sie die christlichen Werte entdeckt hätte. Unsinn! Da geht es um Absatzmärkte für unsere exportorientierte Wirtschaft, da geht es um die Versorgung mit Rohstoffen, um die Sicherung von Lieferketten, um geopolitischen Einfluss,

(Beatrix von Storch [AfD]: Schwachsinn!)

um Einfluss auf andere Länder, gerade auch im Blick auf Migrationsbewegungen. Und das weiß auch jeder hier. Und wir wissen auch: Überall dort, wo wir rausgehen, gehen China und Russland rein. Sofort.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der AfD)

Aber keine Angst – das sage ich in Richtung ganz rechts –: Wir sind schon auch rot-grün versiffte Gutmenschen und finden humanitäre Hilfe, weltweite Entwicklung und die Förderung einer regelbasierten internationalen Ordnung gut.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Persönlich sind mir deshalb Radwege übrigens auch deutlich lieber als irgendwelche Prestigeprojekte, bei denen sich am Ende korrupte Herrschercliquen die Taschen vollmachen.

(Stephan Brandner [AfD]: Die füllen Sie doch auch!)

Deshalb tun auch die Kürzungen beim BMZ und beim Auswärtigen Amt im Haushalt so weh, obwohl diese Bereiche natürlich ebenfalls zur Konsolidierung beitragen müssen.

Die Union zeigt hier übrigens das übliche Bild: Ihr entwicklungspolitischer Sprecher kritisiert die geplanten Kürzungen vehement. Ihr haushaltspolitischer Sprecher fordert dagegen – ich zitiere –:

„Bevor wir Milliarden Euro für internationale Maßnahmen wie Projekte zur Entwicklungshilfe und zum Klimaschutz in anderen Ländern ausgeben, sollten wir dieses Geld für die Hilfe der betroffenen Menschen in den Hochwassergebieten und die Landwirte nutzen.“

(Dennis Rohde [SPD]: Herr Brehm, hören Sie zu! – Weiterer Zuruf von der SPD: Ja, was denn nun?)

Ich lasse das mal so stehen und will nur noch eine Bemerkung machen. Ich finde es völlig richtig, wenn wir über Höhe, Instrumente, Wirksamkeit, Zielgenauigkeit der Entwicklungshilfe hart diskutieren. Aber wenn wir als Demokratinnen und Demokraten die Entwicklungspolitik populistisch denunzieren, dann ist das falsch und ein Schlag ins Gesicht all derer, die bei NGOs, bei der GIZ und anderswo mit viel Herzblut an einer besseren Welt arbeiten und Deutschland in der Welt vertreten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der AfD)

Oder nehmen wir die Diskussion über die Ukrainehilfen. Wenn wir mal von der „Alternativen für Russland“ und dem „Bündnis Strahlender Wladimir“ absehen, dann sind wir uns, jedenfalls unter den demokratischen Fraktionen, einig, dass wir die Pflicht haben, aber dass es auch im deutschen Interesse ist, die Ukraine gegen diesen verbrecherischen Angriffskrieg zu unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Und keiner hier weiß, wie der Krieg weitergeht, welche Hilfen die Ukraine noch braucht, wie die USA-Wahl ausgeht, ob die 4 Milliarden im Haushalt ausreichen und ob das 50-Milliarden-Paket auf EU-Ebene wie geplant genutzt werden kann. Keiner weiß das.

In einer solchen Lage ist es klug, wie es auch unser Fraktionsvorsitzender Rolf Mützenich gesagt hat, dass wir im Falle eines Falles für weitere Hilfen an die Ukraine auch eine Ausnahme von der Schuldenbremse nicht ausschließen dürfen. Wenn sich die Situation in der Ukraine verschlechtern sollte, dann müssen wir reagieren können, und das erlaubt die Schuldenregel im Grundgesetz auch ausdrücklich.

(Peter Boehringer [AfD]: Nein, das tut sie nämlich nicht! Da ist nichts unerwartet, nichts, was sich der Kontrolle der Bundesregierung entzieht!)

Das ist verfassungsgemäß.

(Peter Boehringer [AfD]: Das ist lächerlich!)

Und auch das Verfassungsgericht sagt nicht, dass eine außergewöhnliche Notsituation nur ein Jahr dauern darf und am 31. Dezember per Gesetz wieder Normalität zu herrschen hat.

Ich gestehe gerne zu, dass Kollege Kiesewetter sich ähnlich geäußert hat; davor habe ich großen Respekt,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

und das umso mehr, als er dafür laut „Tagesschau“ von Merz in der Fraktion – Zitat – „ungewohnt deutlich zurückgepfiffen“ worden sein soll. Das, meine Damen und Herren, zeigt viel: Friedrich Merz hat schon letztes Jahr für den Fall, dass für weitere Hilfen an die Ukraine eine Ausnahme von der Schuldenbremse erklärt werden sollte, von vornherein eine Verfassungsklage angedroht und diese Drohung bis heute nicht zurückgenommen.

(Peter Boehringer [AfD]: Natürlich nicht!)

Gleichzeitig ereifert er sich, dass der Kanzler seine Zusagen möglicherweise nicht einhalten könne, einen Offenbarungseid leisten müsse und sich die Welt schön mache. „ Sich die Welt schön mache“ – achten Sie auf die Sprache! –: Selbst in der Frage von Krieg und Frieden für unser Land keine staatspolitische Verantwortung, sondern Fundamentalopposition, maximaler Druck auf die Koalition und kein einziger eigener Vorschlag, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Herr Dr. Rudolph, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung von Peter Boehringer?

Nein. – Meine Damen und Herren, davor habe ich keinen Respekt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen – das wurde in der bisherigen Aussprache sehr deutlich –: Im Haushaltsausschuss liegt noch einiges an Arbeit vor uns. Dabei können Sie sich auf eines verlassen: Wir stehen für Verantwortung statt Populismus, Verantwortung für Deutschland, Verantwortung für die Demokratie, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, Verantwortung auch für unsere internationalen Bündnisse. Die Antwort der SPD-Fraktion und unseres Kanzlers ist deshalb: Verantwortung!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Dr. Harald Weyel.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7614779
Wahlperiode 20
Sitzung 183
Tagesordnungspunkt Allgemeine Finanzdebatte, Haushaltsbegleitgesetz 2025, Nachtragshaushaltsgesetz 2024
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